Aus Politische Berichte Nr. 1/2018, S. 3, • InhaltsverzeichnisPDFPB-Archiv

Österreich wird neu regiert. Bisher wurde nur angekündigt

August Kargl, Steiermark

Österreich hat eine neue Regierung, am 20.12. wurden die Mitglieder der neuen Regierung vom Bundespräsidenten angelobt. Van der Bellen hat im Vorfeld der Regierungsbildung versucht das Schlimmste zu verhindern, die ärgsten Reaktionäre und EU-Kritiker der FPÖ wurden von der Ministerliste gestrichen.

Die Verhandlungen zwischen der FPÖ und der Partei um Kurz verliefen, so war es der Eindruck, harmonisch. Getragen von Ausländerfeindlichkeit, der Angst vor der Islamisierung Österreichs und dem Bestreben „zu sparen“ wurde ein Regierungsprogramm ausverhandelt. Die Ministerien und Staatssekretäre wurden einvernehmlich aufgeteilt. Kurz hat die ihm von der ÖVP zugesagte Vollmacht genutzt, er hat die alten „schwarzen“ Minister gegen „türkise“ ausgetauscht. Und die FPÖ-Minister? Man wird sehen, jedenfalls sind die neuen Mitarbeiter in den FPÖ-geführten Ministerien „deutschnationale Burschenschafter, haben Neonazi-Vergangenheit oder huldigen SS-Helden“ (Falter 1-2/18). Der wahre Charakter der Liste Kurz und der FPÖ versteckt sich in harmonisch, einmütig in Schlagzeilen vorgetragenen Regierungsvorhaben. Die tatsächliche Umsetzung des Regierungsprogrammes wird erst zeigen wie zum „Wohle des kleinen, fleißigen Mannes“ Arbeitslosengeld, Mindestsicherung, bestehende Sozialleistungen, Programme zur Unterstützung von älteren Langzeitarbeitslosen reformiert werden. Der 12-Stundentag und die 60-Stundenwoche sind schon fixiert. Was „mehr Sicherheit in unserer Heimat und mehr Wirkungsortierung beim Einsatz der Polizei“ bedeuten wird? Oder was es heißt, wenn Innenminister Kickl „die Lücke zwischen dem subjektiven Gefühl der Sicherheit und dem objektiven Gefühl der Sicherheit in diesem Land schließen“ will.

Dieser neue Innenminister Herbert Kickl, „graues Sakko, weißes Hemd, Pulsuhr am Handgelenk, Nickelbrille: Kickl sieht ungefähr so bedrohlich aus wie Reinhard Mey“. Und dieser Mann soll ein skrupelloser Demagoge sein? – Dafür hält ihn zumindest Ariel Muzicant, den Kickls „Gehetze“ an den NS-Propagandachef Joseph Goebbels erinnert. Allerdings meint der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde nicht das, was der FPÖ-Politiker selbst sagt. Sondern jene Worte, die Kickl anderen in den Mund legt. „Wie kann einer, der Ariel heißt, so viel Dreck am Stecken haben?“: So hat Jörg Haider einmal über Muzicant gelästert. Ausgedacht hat sich diesen vielfach als antisemitisch kritisierten Satz Kickl – wie so viele andere Gags, die blaue Wähler zum Schenkelklopfen reizen. Haiders Verbalwatschen für Jacques Chirac („Westentaschen-Napoleon“) entsprangen ebenso dem Hirn des 40-jährigen Villachers wie Wahlkampfslogans à la „Pummerin statt Muezzin“ oder „Daham statt Islam“. Auch Kickl jüngster Reim ziert Plakate: „Abendland in Christenhand“. (derstandard.at/1242316145591/Herbert-Kickl-Straches-Mundwerk-Maschinist)

„Dass freiheitliche Minister in Zukunft uneingeschränkten Zugriff auf Nachrichtendienste, Verfassungsschutzdaten, Melde-, Personenstands- und Polizeiregister haben werden, beunruhigt nicht nur linke Verschwörungstheoretiker. Auch der sonst um keine beschwichtigende Formulierung verlegene Alt-Bundespräsident Heinz Fischer sieht darin Grund zur Besorgnis: „Die FPÖ sei in der Vergangenheit mit vertraulichen Daten nicht besonders sensibel umgegangen.“ (Profil 49.Jg Nr2.)

Der neue Bundeskanzler Kurz bedient sich der Ausländerfeindlichkeit: „um den Wohlstand in Deutschland & Österreich zu erhalten, müssen wir vor allem die illegale Migration nach Europa stoppen“.

Allerdings es gibt zu denken: etwa 60% der Wahlberechtigten sehen laut einer Umfrage im „Standard“ dem Jahr positiv entgegen.

Die Proteste gegen die neue Regierung im Dezember hielten sich in Grenzen, 5000 protestieren gemeinsam mit 1500 Polizisten gegen die Regierung. Unbehelligt ging es zur Angelobung. Im Vergleich zum letzten Versuch der ÖVP mit der FPÖ zu regieren verlief diese Angelobung ruhig. Im Jahr 2000 musste Schüssel und Haider versteckt vor den Demonstranten durch Kellergänge zum Regierungsantritt. Hunderttausende demonstrierten in den darauffolgenden Wochen.

Es gibt warnende Stimmen. Der scheidende Präsident des Verfassungsgerichtshofes Holzinger, alles andere als ein Linker, warnt vor der weiteren Verschärfung der Gesetze zur Verfolgung von Straftaten (Sexualdelikte, illegale Einwanderung, sozialer Missbrauch), die Gesetze seien ausreichend, um alles und jeden verfolgen und bestrafen zu können. Die populistische Anlassgesetzgebung der letzten Jahre und die angedrohten weiteren Verschärfungen lassen nichts Gutes erwarten. Caritas-Direktor Beiglböck befürchtet, „dass es vermehrt Menschen geben wird, die nicht wohnen können, nichts zu essen haben, frieren müssen.“ (Kleine Zeitung)

Teile des Bundesheeres und Militaristen freuen sich über den neuen Bundesminister Kunarsek, für den eine massive Aufrüstung unbedingt notwendig erscheint. Übrigens wurde er bei einer Lüge ertappt, als er seine Urheberschaft von Artikeln in der rechtsradikalen „Aula“ verleugnen wollte. – Im Schulbereich gibt es Sorge, dass es nicht bei der Abschaffung der verbalen Beurteilung und die Rückkehr zur alten Notengebung bleibt. Die angekündigte Schließung des BIFIE (Bundesinstitut für Bildungsforschung, Innovation und Entwicklung des österreichischen Schulwesens) ist ein erster Hinweis, dass die gemeinsame Schule der 10- bis 14-Jährigen von der Wunschliste der fortschrittlichen PädagogInnen gestrichen wird. Der konservative Chef der Lehrergewerkschaft Kienberger wird zufrieden sein. Er hat sich an das Christkind gewandt: „Schenke uns nur Reformen, die auf die Schulwirklichkeit und deren Erfolg fokussieren und nicht von längst überholten Ideologien und sozialromantischen Träumereien dominiert sind!“ (aps 5/2017) Er dürfte erhört werden. – Die FPÖ ist ihrem Populismus auch in der Regierung offensichtlich treu geblieben, schneller Fahren auf den Autobahnen, keine „schikanösen“ Tempokontrollen, Rauchen bei den „Wirten“. Reitpferde für Wiener Polizisten, Asylwerber sollen in Großquartieren am Stadtrand untergebracht werden, sozialen Missbrauch bestrafen, kein Ausgang für Asylwerber nach 20 Uhr, …

Für den 13. Jänner sind Demonstrationen gegen die neue Regierung angekündigt.