Aus Politische Berichte Nr. 3/2018, S. 14 • InhaltsverzeichnisPDFPB-Archiv

Entwicklung der Mindestlöhne in Europa

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01 Luxemburger Mindestlohn schützt nicht vor Armut.

02 Kroatien: Mindestlohn beträgt lediglich 43% des Durchschnittslohns.

03 Deutlich steigende Reallöhne in Litauen.

04 Spanien: Ein Schritt gegen wachsende Prekarität.

05 Slowenien: Streitende Regierung.

06 Textilarbeiter in Bangladesch fordern erhöhten Mindestlohn.

Abb. (PDF): Table 2: Statutory minimum wages in EU Member States in PPS in the second semester of 2017

Abb. (PDF): Table 5: Change in the statutory minimum wage in nominal and real terms between 1 January 2010 and 1 January 2018

Rolf Gehring, Brüssel

Kürzlich veröffentlichte die Europäische Stiftung zur Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen in Dublin eine Untersuchung zur Entwicklung der gesetzlichen Mindestlöhne in Europa. Die kleine Studie dokumentiert die Veränderungen, die zwischen dem 1. Januar 2017 und dem 1. Januar 2018 stattgefunden haben und vergleicht die nominellen und realen sowie die Kaufkraftstandards (siehe die nebenstehende Tabellen).

Im Verlauf des Jahres 2017 bestätigte sich die Tendenz der letzten Jahre. Die nominellen und realen Erhöhungen in den Mittel- und Osteuropäischen Ländern steigen deutlich stärker als in den Westeuropäischen Ländern. Die realen Steigerungen liegen zwischen 1,5% (Litauen) und 50,4% (Rumänien – hier wurden allerdings in ihrer Höhe im Bericht nicht ausgewiesene Lohnnebenkosten von den Arbeitgebern auf die Beschäftigten verlagert); fünf Länder haben reale Erhöhungen zwischen 8,3 und 10%. Interessant ist auch der Vergleich Frankreich/Deutschland. Nach OECD Angaben beträgt der Mindestlohn in Frankreich 60,5% des Medianlohns und in der Bundesrepublik nur 46,7%. Allerdings beträgt der Wert des bundesdeutschen Minimumlohnes in Kaufkraftstandards 1446,2 und der französische fällt mit 1369,4 geringer aus. Ein Hinweis auf eine geringere Lohnspreizung in Frankreich, mindestens in der unteren Hälfte der Beschäftigten, aber auch der geringeren Lohnhöhe.

In der Gesamtschau wird der höchste Mindestlohn in Luxemburg gezahlt (1998,6 Euro) und der niedrigste in Bulgarien (260,8 Euro), wobei schon der zweitniedrigste Mindestlohn in Rumänien mit 400 Euro deutlich höher liegt als in Bulgarien. Damit haben höchster und niedrigster Mindestlohn ein Verhältnis von 1 zu 7,7. Interessant ist allerdings das Verhältnis in Kaufkraftstandards (als ‚Minimum wage in PPS‘ in der Tabelle ausgewiesen) das aktuell bei 1 zu 3,3 liegt und damit weiter gesunken ist. Diese Tendenz wird auch in der zweiten hier abgebildeten Graphik sichtbar, die die nominalen und realen Veränderungen zwischen dem 1. Januar 2010 und dem 1. Januar 2018 ausweist.

Die traditionelle Einteilung zwischen niedrigen, mittleren und hohen Mindestlöhnen, bei denen klassisch die ‚neuen Mitgliedsstaaten‘ in die untere Gruppe, die südeuropäischen Länder in die mittlere und die westeuropäischen Länder in die obere Gruppe fallen. Es ist mittlerweile eher so, dass sich die Grenze zwischen der unteren und der mittleren Gruppe verflüssigt. In KKS liegt Polen eher deutlich über Griechenland und Portugal, eine Reihe weiterer Länder eher schon dicht an den dortigen Standards.

Es scheint eher so, dass in einigen südeuropäischen Ländern deutlich weniger Dynamik auch in der wirtschaftlichen Entwicklung vorhanden ist. Es findet keine Heranführung an die westeuropäischen Länder statt. Die gelingt aktuell eher Slowenien, dessen Mindestlohn sich eher in Richtung der oberen Gruppe bewegt.

Stimmt diese Einschätzung, wäre dies auch ein Hinweis an die Linke (im Europaparlament). Sie hätte aktuell durchaus die Gelegenheit, den gewerkschaftlichen Kampagnen für eine stärkere Anhebungen der Mindestlöhne und den entsprechenden tariflichen Bemühungen, politisch beizustehen. Im linken Europawahlprogramm könnten konkrete Überlegungen für die osteuropäischen Länder, vor allem aber wohl auch die südeuropäischen Länder, bezüglich ihrer wirtschaftlichen Entwicklungspotentiale ausbuchstabiert und Vorschläge gemacht werden für den sinnvollen Einsatz der entsprechenden Ressourcen aus den groβen Struktur- und Kohäsionsprogrammen aber auch dem immer grösser gewordenen Forschungsprogammen.

01

Luxemburger Mindestlohn schützt nicht vor Armut. Der gewerkschaftliche Dachverband OGBL erhebt die Forderung nach einem verbesserten gesetzlichen Mindestlohn. Derzeit beträgt der monatliche Mindestlohn bei einer 40-Stunden-Woche 1.727 Euro, während die Armutsschwelle auf 1.860 Euro geschätzt wird. Dies bedeutet, dass die Mindestlohnempfänger zu den arbeitenden Armen gehören. Der OGBL bezieht sich auf eine Studie des Statistischen Amtes, die das Nettoeinkommen von 1900 Euro als notwendiges Einkommen für ein anständiges, aber bescheidenes Leben berechnete.

Quelle: ETUI Collective Bargaining Newsletter 12/2017 – https://www.etui.org/E-Newsletters/Collective-bargaining-newsletter

02

Kroatien: Mindestlohn beträgt lediglich 43% des Durchschnittslohns. Seit 1. Januar 2018 gilt in Kroatien ein neuer Mindestlohn. Die Regierung Kroatiens verabschiedete eine Verordnung zu dessen Erhöhung um 5% oder einen Bruttobetrag von 163 Kuna (netto 131). Der Bruttomindestlohn wird von 3.276 Kuna auf 3.439,80 Kuna (455 EUR) steigen, was etwa einem Nettobetrag von 2.752 Kuna (364 EUR) entspricht. Damit wird der Mindestlohn rechnerische 42,9% des Durchschnittslohns betragen. Das Mindestlohngesetz sieht auch zusätzliche Zahlungen für Arbeiten an Sonn- und Feiertagen sowie für Überstunden vor. Allerdings erwägt die Regierung auch eine Kompensation für die Arbeitgeber. Der Mindestsatz für die Krankenversicherungsbeiträge, die von den Unternehmen gezahlt werden, soll um 50% sinken.

Quelle: https://vlada.gov.hr/news/gov-t-increases-minimum-wage/23025

03

Deutlich steigende Reallöhne in Litauen. Die Reallöhne in Litauen wuchsen 2017 um 5,7%, so die am 30. Januar vom Statistikamt des Landes veröffentlichten vorläufigen Zahlen. Die durchschnittlichen Bruttomonatslöhne in der Wirtschaft, einschließlich Einzelunternehmen, stiegen um 66 Euro oder 8,5% auf 840 Euro und der durchschnittliche Nettolohn stieg um 58 Euro oder 9,6% auf 660 Euro. Die Bruttolöhne stiegen im vergangenen Jahr in allen wirtschaftlichen Aktivitäten, insbesondere im Groß- und Einzelhandel (um rund 11,1%) und im Bereich Information und Kommunikation (um rund 10,3%). Prognosen gehen davon aus, dass in 2018 und 2019 erneut Lohnsteigerungen von 7 oder 8% möglich sind. Damit bestätigt sich in den baltischen Staaten die Tendenz zur Annäherung an die Lohnstandards in den westeuropäischen Ländern.

Quelle: http://www.latviannews.lv/business/11468/

04

Spanien: Ein Schritt gegen wachsende Prekarität. Auf Basis von Gesprächen zwischen Regierung und wird der Mindestlohn in Spanien im nächsten Jahr um 4 Prozent auf 736 Euro pro Monat steigen. Das relativ schnelle Wachstum der spanischen Volkswirtschaft der letzten Jahre war begleitet von der starken Zunahme befristeter Arbeitsverhältnisse und anderer Formen prekärer Arbeit. Spaniens Arbeitslosenquote fiel im dritten Quartal auf das niedrigste Niveau seit fast neun Jahren, vor allem aufgrund des Beschäftigungswachstums in der Dienstleistungsbranche. Aber mit 16,4 Prozent ist es immer noch eine der höchsten Arbeitslosenquoten unter den Industrieländern …

Quelle: https://uk.reuters.com/article/uk-spain-economy-wages/spain-agrees-4-percent-rise-in-minimum-wage-for-2018-idUKKBN1ED2HP

05

Slowenien: Streitende Regierung. Um 4,7 Prozent soll der Mindestlohn in Slowenien steigen. Dies kündigte Arbeitsministerin Anja Kopač Mrak an. Der gesetzliche Mindestlohn würde damit auf 842,79 Euro brutto pro Monat angehoben, was etwa 640 Euro netto (vorher 614 Euro) entspricht. Der Vorschlag berücksichtigt sowohl die Inflation als auch die Trends in den letzten Jahren und die Aussichten für ein stabiles Wirtschaftswachstum. Der Finanzminister zeigte sich überrascht über den Vorschlag … Ebenso stellten sich andere Regierungsmitglieder gegen die vorgeschlagene Erhöhung. Da in Slowenien aber der oder die Arbeitsminister(in) den Mindestlohn nach Konsultationen festlegt, wurde die Erhöhung vorgenommen.

Quelle: https://seenews.com/news/slovenia-lifts-minimum-monthly-wage-599772

06

Textilarbeiter in Bangladesch fordern erhöhten Mindestlohn. Der derzeitige Mindestlohn für Bekleidungsarbeiter in Bangladesch beträgt 68 US-Dollar und wurde 2013 festgelegt. Gewerkschaften in Bangladesh fordern jetzt eine Erhöhung auf 192 US-Dollar. Ende Februar organisierten die IndustriALL-Mitgliedsgewerkschaften in Bangladeschs Bekleidungssektor eine Reihe von Aktionen … 2017 sahen sich Beschäftigten scharfen Unterdrückungsmassnahmen durch die Regierung ausgesetzt … Neben der Erhöhung des Mindestlohns geht es jetzt auch um weitere soziale Forderungen und eine Änderung der Lohnstrukturen für die Arbeitnehmer in diesem Sektor …

Quelle: https://mailchi.mp/industriall-union/headlinesindustriall-285-international-womens-day-unions-must-act-to-end-violence-against-women-at-work?e=8cd026681f