Aus Politische Berichte Nr. 3/2018, S. 18a • InhaltsverzeichnisPDFPB-Archiv

Kulturkampf in der CDU

Dr. Harald Pätzolt, Berlin, 26.2.2018

Ist die CDU, wie wir in unserer Analyse vom 22. Dezember 2017 schrieben[1], mit der Kanzlerin ruhigen Ganges und geschlossen in die Koalitionsverhandlungen hinein gegangen, so kamen beide doch aus diesen Verhandlungen heraus umgehend in innerparteiliche Turbulenzen. Ohne einen ernsthaften Plan B in der Hinterhand hatte man sich von einer angeschlagenen SPD das wichtige Finanzministerium abpressen lassen. Und während die SPD lauthals ihre sozialpolitischen Verhandlungserfolge feierte begannen Teile der CDU öffentlich die Frage nach dem politischen Mehrwert des Koalitionsvertrages für die CDU zu stellen.

Gemeinhin wird angenommen, dass Parteien leichter ihre Geschlossenheit aufgeben, wenn sie aktuell entweder keine Machtperspektive zu haben glauben oder den politischen Unternehmern der Partei diese sehr gesichert scheint oder anders: wenn man sich nicht in einer akuten Wettbewerbssituation zu befinden scheint. Man kann sich dabei auch täuschen und ich meine, es bedarf nur des nicht abseitigen Gedankenexperimentes vom Scheitern des Mitgliederentscheides der SPD und folgenden Neuwahlen, um zu erkennen, dass es der CDU mit einer Parteichefin, die ihre Nachfolge gemächlich regelt, die zugegebenermaßen ein überholtes Parteiprogramm besitzt und von der man nach Selbstzeugnis nicht so genau weiß, wofür sie eigentlich steht, unter diesen Umständen übel ergehen könnte.

Aber versuchen wir einmal, die Konfliktlage zu beschreiben: Es werden m. E. drei Konflikte erkennbar.

Am unspektakulärsten dürfte der Generationenkonflikt sein. Jüngere Parteikader möchten in die erste und zweite Reihe aufrücken und zwar in Regierung, Fraktion und Partei. Das ist ein normaler Prozess, gern von viel Getöse begleitet, man möchte auf sich aufmerksam machen; Jens Spahn posiert als ministrabler 37jähriger und nun darf er auf das Gesundheitsministerium hoffen. Merkel wird ihn ins Joch spannen und so domestizieren. In den Ländern geht das geräuschloser, so in Sachsen (Michael Kretschmer, 42), in Schleswig-Holstein (Daniel Günther, 44) und nun auch im Saarland (Tobias Hans, 40).

Ein zweiter Konflikt ist der zwischen alten, abgedrängten und noch herrschenden Seilschaften innerhalb der CDU. Leute, die von Angela Merkel über Jahre gedemütigt und entmachtet wurden, Friedrich Merz oder Roland Koch, melden sich, um alte Rechnungen zu begleichen.

Auch dieser Konflikt ist für sich wenig von Interesse. Bedeutung bekommen Generations- und Seilschaften – Konflikt erst durch den dritten, den identitätspolitischen Konflikt innerhalb der CDU. Dieser freilich ist von geradezu existentieller Bedeutung für die Demokratie in Deutschland.

Die autoritäre Fronde, europaweit marschierend, in Deutschland in Gestalt der AfD politisch präsent, ist, trotz vielen Feldgeschreis in und außerhalb der Parlamente, noch in Wartestellung. Sie wartet darauf, fortschreitende Prozesse zunehmend autoritärer Regulierung wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Veränderungen, von der Bevölkerung mit gewünschter Veränderungslosigkeit, zitternd beschworen, begleitet, politisch finalisieren, vollstrecken zu können.[2] Der Weg ginge von der liberalen Demokratie hin zur Mehrheitsdemokratie, bayerisch-ungarische Verhältnisse werfen ihre Schatten nach Norden und Osten unserer Republik. Das hat alles eine Geschichte, wir erinnern uns, dass die guten Sachsen ihren Landesvater Kurt Biedenkopf schon zu Lebzeiten zu vergolden suchten; wie ihren August, der als goldener Reiter Dresden ziert.

Die CDU wehrt sich, noch ist es nicht entschieden, gleichwohl als Möglichkeit anzunehmen ist, dass sie in nächster Zeit, „um Schlimmeres zu verhüten“, mit der AfD zusammen gehen wird. Es ist von der WerteUnion, einer Versammlung übelster Reaktionäre innerhalb der Partei, der Konservatismus als Markenkern der Union gegen die Einlassungen des Armin Laschet, stellvertretender CDU-Vorsitzender und Landesvorsitzender NRW behauptet worden. Laschet hatte das christliche Menschenbild zum Markenkern erklärt und den Konservatismus als eine Wurzel bezeichnet und sich gegen eine CDU als Sammelbecken aller Rechten erklärt. – Relevant ist diese Auseinandersetzung, weil der sogenannte Wertekonservatismus in der CDU wenig mit Konservatismus zu tun hat und viel mit einer reaktionären, weil ausgrenzenden (Leitkultur), antiliberalen (Stellung der Ehe zwischen Mann und Frau, gegen Gendern usw.) und nationalistischen Ideologie und damit mehr als kompatibel, ja affin mit Programm und Praxis von AfD und Pegida usw. ist. Abgrenzungen gegenüber Totalitärem, Fanatismus usw. sind nicht mehr als eine Abneigung gegen Übertreibungen, man kennt das aus Weimar. – Der Bezug aufs christliche Menschenbild allein macht sicher noch nicht den Unterschied, den machen die Herkunft und damit verbundene Traditionen einer Annegret Kramp-Karrenbauer, eines Armin Laschet oder von Angela Merkel – und ihr politischer Pragmatismus, der den rechten Werte-Ideologen bekanntlich verhasst ist.

Die Wahl von AKK zur Generalsekretärin der CDU scheint der Partei eine kurze Verschnaufpause im Kulturkampf zu verschaffen. Auch die avisierte Berufung von Anja Karliczek (45), parlamentarische Geschäftsführerin der Unionsfraktion, und Julia Klöckner (46), CDU-Vize und Landeschefin der Partei in Rheinland-Pfalz, ins Kabinett fanden ein positives Echo in der Partei. Mit der deutlichen Zustimmung des Parteitags vom 26.2.2018 in Berlin sind die Reihen vorerst geschlossen worden. Die Spannungen freilich bleiben, und wir werden sehen, was die Landtagswahlen im Oktober in Bayern und Hessen diesbezüglich bringen werden.

Mit dem Verfall der SPD wächst der Druck auf die CDU, beide Parteien sind schließlich Säulen, nicht der Demokratie schlechthin, aber doch der Demokratie in Deutschland, wie wir sie kennen.

So richtig und notwendig die Feststellung ist, dass diese CDU durch ihre Politik den Weg in die Krise der liberalen Demokratie erst geebnet hat, so bedenkenswert ist, dass es der Linken nicht gleichgültig sein sollte, wie der Kulturkampf in der CDU ausgehen wird.

1 Gegnerbeobachtung: Der CSU-Parteitag am 15./16. Dezember in Nürnberg und die Union vor den Sondierungsgesprächen, Bereich Strategie und Grundsatzfragen, Bundesgeschäftsstelle der Linken

2 Jedem „Kulturkampf“, mit einem solchen haben wir es in der CDU zu tun, liegen natürlich Umbrüche der Produktivkräfte und der Produktionsverhältnisse zugrunde, die hier nicht thematisiert werden können.