Aus Politische Berichte Nr. 12/2018, S.02 InhaltsverzeichnisPDFPB-Archiv

Bundestagsfraktion Die Linke 27.11.2018: bei 12 Enthaltungen ohne Gegenstimmen für UN-Migrationspakt

Christoph Cornides, Mannheim

01 Dokumentiert. LINKE findet Kompromiss zum Migrationspakt.

Bereits im April 2018 hatte der Deutsche Bundestag über den Entwurf des UN-Migrationspaktes bzw. die New Yorker Erklärung der UN diskutiert. Keine der im Bundestag vertretenen Parteien, einschließlich der Linken, hatten allerdings die Möglichkeit genutzt, den bereits im Jahr 2016 von der UN-Vollversammlung eingeleiteten Prozess für die Vereinbarung eines Migrationspaktes sowie eines Flüchtlingspaktes zu nutzen, um in die nationale und internationale Diskussion um Flucht, Asyl, Migration aktiv einzugreifen. Die AfD dagegen hatte von Anfang an gegen den Entwurf gehetzt und dazu Falschmeldungen verbreitet, wohl wissend, dass der Pakt zwar keine unmittelbar bindende Wirkung für die einzelnen Staaten hat, dagegen aber Normen setzend wirken würde; Normen, die den Positionen der AfD und der Rechten diametral entgegengesetzt sind.

Je näher im Jahr 2018 der geplante Termin für die Verabschiedung des UN-Migrationspaktes am 10./11. Dezember 2018 in Marrakesch kam, umso mehr verstärkten UN-VertreterInnen ihr Werben für die Unterstützung des Paktes gegenüber den Regierungen und den Parteien in den Mitgliedsstaaten. Gleichzeitig verschärfte sich auch international die Auseinandersetzung um den geplanten Pakt, weil nicht mehr nur – wie zunächst – die USA und Ungarn, sondern jetzt auch die Regierungen Österreichs und weitere Staaten sich gegen den Pakt positionierten.

Im Spätsommer und Herbst 2018 wurde auch von verschiedenen Abgeordneten der Linken die Auseinandersetzung um Bedeutung und Inhalt des Paktes aufgegriffen. Am 8. November 2018 teilte die Linke ihre Redezeit zu einer Plenardebatte um den UN-Migrationspakt auf zwischen Sevim Dağdelen (Mitglied des außenpolitischen Ausschusses des Bundestages) und Gökay Akbulut (Migrations- und Integrationspolitischer Sprecherin der Fraktion.) Akbulut sprach sich nachdrücklich für eine Unterstützung durch die Linke und den Bundestag aus.

Im Verlauf des Novembers wurde die inhaltliche Diskussion in der Fraktion und in der Partei fortgesetzt, was sich in verschiedenen Positionspapieren niederschlug. Am 27.11. 2018 verabschiedete die Bundestagsfraktion der Linken schließlich mit deutlicher Mehrheit, keinen Gegenstimmen und 12 Enthaltungen (darunter auch Sahra Wagenknecht) den gemeinsamen Antrag „Völkerrechtliche Standards durch den Global Compact for Migration wahren – International Rechte für Migrantinnen und Migranten stärken“.

Am Ende der Sitzungswoche wurden die Anträge der verschiedenen Parteien im Plenum behandelt und abgestimmt. Leider hatte die Fraktion der Linken keinen Beschluss zum Abstimmungsverhalten gegenüber den vorliegenden Anträgen gefasst. Verschiedene Fraktionsmitglieder der Linken vertraten den Standpunkt, dass die Linke sich gegenüber dem Regierungsantrag zum Migrationspakt enthalten sollte. Da kein Beschluss zur Enthaltung vorlag, der eigene positive Antrag zum Migrationspakt im Bundestag abgelehnt wurde, wurde nach der „Standardregel“ verfahren, dann im „Gegenzug“ auch den Regierungsantrag abzulehnen.

Aber die eindeutige Tatsache bleibt: die Linke ist für den UN-Migrationspakt und wird sich für seine Umsetzung einsetzen, und sie hat viele weitergehende Forderungen, vor allem was den Kampf gegen die Ursachen von Flucht und Migration betrifft.

Am Freitag, 28.11.2018, fand dann die auf dem letzten Bundesparteitag vereinbarte gemeinsame Beratung von Fraktion und Parteivorstand zu Flucht, Asyl, Migration statt. Ergebnis ist eine „Gemeinsame Erklärung der Partei- und Fraktionsvorsitzenden anlässlich der Tagung des Parteivorstandes und der Bundestagsfraktion zum Thema „Flucht und Migration“ am 30. November 2018“. Daraus resultiert, was sich schon länger abzeichnet: werden die Fragen und Aufgeben praktisch und konkret gefasst, dann gibt es in der Linken tatsächlich eine große Einheit zu „Flucht, Asyl, Migration, Einwanderungsgesellschaft“. Zu klären bleibt die Frage der Arbeitsmigration aus Nicht-EU-Drittstaaten und also auch die Position zu Einwanderungsgesetzen.

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Dokumentiert:

LINKE findet Kompromiss zum Migrationspakt. Neues Deutschland, 28.11.2018: Er könnte die Grundlage für eine sachliche innerparteiliche Debatte zum Thema Migration bilden: Der Antrag an den Bundestag, den die Linksfraktion am Dienstagabend mit großer Mehrheit beschlossen hat. Darin wird die Große Koalition aufgefordert, dem UN-Migrationspakt zuzustimmen – und ihn in nationales Recht umzusetzen. Der „Globale Pakt für eine sichere, geordnete und reguläre Migration“ (Global Compact for Migration, GCM) sei ein erster Schritt zum Schutz von Migranten vor ausbeuterischen Arbeitsverhältnissen.

…Nach kontroverser Debatte auch über weitere Vorschläge wurde am Ende das nochmals modifizierte Papier von Akbulut und Genossen bei lediglich zwölf Enthaltungen und ohne Gegenstimmen beschlossen. Zu denen, die sich enthielten, gehörte Sahra Wagenknecht. Ko-Fraktionschef Dietmar Bartsch, der bislang immer Einigkeit mit ihr demonstriert hatte, stimmte dafür.

Antrag der Abgeordneten Dr. Dietmar Bartsch, Gökay Akbulut, Jan Korte, Michel Brandt, Kathrin Vogler u.a. „Völkerrechtliche Standards durch den Global Compact for Migration wahren – International Rechte für Migrantinnen und Migranten stärken“: … Der Deutsche Bundestag begrüßt insbesondere den menschenrechtlichen Ansatz der von den Staaten übernommenen Selbstverpflichtungen, der darauf abzielt, Menschen in ihren Herkunfts-, Ziel- und Transitländern vor Entrechtung, Ausbeutung und unmenschlichen Bedingungen zu schützen. Der Deutsche Bundestag sieht in den Vereinbarungen des Global Compact for Migration einen ersten Schritt, die rechtliche Situation von Migrantinnen und Migranten in allen Phasen der Migration zu verbessern, sie vor ausbeuterischen und entwürdigenden Arbeitsbedingungen zu schützen, Menschenhandel und Sklaverei zu ächten und die Information und Diskussion über Migration auf eine sachliche und evidenzbasierte Basis zu stellen. Was dem GCM fehlt, ist eine umfassende Analyse der strukturellen Ursachen, die zu den gegenwärtigen weltweiten Migrationsbewegungen führen, die man nun zu regulieren versucht. Dieser Mangel ist Ausdruck der Ungleichheit, die eine gemeinsame Analyse unmöglich macht.