Aus Politische Berichte Nr. 01/2019, S.03 InhaltsverzeichnisPDFPB-Archiv

Kommando: Reeechts schwenkt! Kramp-Karrenbauers neue Töne

Martin Fochler, München

Noch anlässlich der Weihnachts- und Neujahrsansprachen im Bund und im Land Bayern konnte man glauben, dass die Union im Bund mit den Grünen einen Platz links von der Mitte suche. Die namentlich vom NRW-Ministerpräsidenten Laschet ausgerufene und von so gut wie allen Unionshäuptern wiederholte Berufung auf das „christliche Menschenbild“ schloss die Kluft, die sich zu den Kirchen aufgetan hatte, und festigte die Brücke zu den grünen Milieus. Die sehr elastische politische Idee wurde namentlich im letzten Jahrhundert so geformt, dass sie mit der Deklaration der Menschenrechte und dem z.B. im Grundgesetz verankerten Leitwert der Menschenwürde zusammenpasst. Sie stellt die Menschenwürde vor die Staatsräson, glaubhaft durch die Politik der Kanzlerin, die Verantwortung für das Schicksal der flüchtenden Mitmenschen anerkannte. Starke Kräfte in den Parteien, im Staat und in der Gesellschaft weisen diese Verantwortung – koste es was es wolle – zurück. Hier gilt die vulgäre Devise „Jeder ist sich selbst der Nächste“. Ein weiteres Bindeglied war die Absage an den Nationalismus, die durch die Nominierung des CSU-Politikers Manfred Weber zum Spitzenkandidaten der Europawahl unterstrichen wurde. Abgeschlossen wurde diese Phase der Strategiefindung durch die Wahl Annegret Kramp-Karrenbauers zur Parteivorsitzenden der CDU.

Die Unionsklausur vom vergangenen Wochenende markiert nun einen anderen Weg. Laut Presseberichten sagte Frau Kramp-Karrenbauer: „‚Wir werden uns die gesamte Einwanderungsfrage von dem Schutz der Außengrenze über die Asylverfahren bis zur Integration unter dem Gesichtspunkt der Wirksamkeit anschauen.‘ … Zusammen mit Experten von der EU-Grenzschutzbehörde Frontex bis zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) werde geprüft, was an welcher Stelle verbessert werden müsse.“ (Dieser Beleg für viele bei: https://www.t-online.de/themen/annegret-kramp-karrenbauer)

Hätte Angela Merkel eine solche Generalrevision ausgerufen, wäre viel kaputt gewesen. Die Berufung aufs christliche Menschenbild lebt davon, dass Leute persönlich daran festhalten. Die neue Parteivorsitzende kann die institutionelle Trennung ausnutzen, um eine Rechtsverschiebung einzuleiten, die der Kanzlerin nicht an die Ehre geht – sie bleibt ja fest – und gleichzeitig den rechten Strömungen in den Unionsparteien, im Staatsapparat und in der Gesellschaft entgegenkommt. Die Kritik an Nationalismus wird mit dem Versuch verbunden, das abgelebte Denkmuster der EU neu aufzuhalsen. Dem dient die Betonung der Außengrenzen, und in diesen Rahmen fügt sich auch die Vielzahl der Rüstungsprojekte und auch die Idee, junge EU-Bürger für den Dienst in der Bundeswehr zu werben. So ordnet Frau Kramp-Karrenbauer die Fülle bereits laufender Einzelmaßnahme unter ein einheitliches Deutungsmuster, in dem die Priorität der Staatsräson wieder klargestellt ist.

Und in der Wirtschaftspolitik? Ausgerechnet am 24. Dezember 2018 publiziert Martin Rhonheimer, Professor für Ethik und politische Philosophie an der Päpstlichen Universität Santa Croce in Rom, in der FAZ einen Aufsatz, in dem er die Sozialkritik des Papstes (Stichwort „Diese Wirtschaft tötet“) ausdrücklich kontert und u.a. feststellt, dass gewerkschaftliche Aktivität den Armen schadet, während Luxuskonsum ihnen hilft. (http://plus.faz.net/faz-edition/wirtschaft/2018-12-24/3e654a51b047309666af007ba14b666c?GEPC=s9) Da steht noch einiges bevor.