Aus Politische Berichte Nr. 6/2019, S.04 • InhaltsverzeichnisPDFPB-Archiv

Regierungskoalition: Fachkräfteeinwanderungsgesetz flankiert von Migrationsabwehr, Flüchtlingsabschreckung, Asylrechtsverschärfung

1 dok: Linksfraktion: Wir rufen nach Arbeitskräften, und es kommen Menschen

2 dok: Bundesregierung der CDU/CSU/SPD-Koalition: stellt sich „Fragen und Antworten“ zu ihrem Fachkräfteeinwanderungsgesetz

Christoph Cornides, Mannheim

Ende 2018 hat die Bundesregierung ihren ersten Entwurf eines Fachkräfteeinwanderungsgesetzes vorgelegt. Dieser enthielt Regelungen zur Fachkräfteeinwanderung und auch zur Ausbildungsduldung und Beschäftigungsduldung. Diese zwei Absichten wurden dann auf Wunsch der Union getrennt.

Verbunden hat die Bundesregierung ihre Politik zum Fachkräftezuzug und zur „Stärkung“ des „Wirtschaftsstandorts Deutschland“ gleichzeitig mit einer Reihe von Gesetzesanträgen der weiteren Verschärfung des Asylrechts und der Migrations- und Flüchtlingsabwehr und -abschreckung. Dazu gehört z.B., dass in anderen EU-Ländern anerkannte Flüchtlinge nach zwei Wochen keine Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz mehr erhalten sollen. Diese Strategie des „Aushungerns“ ist ein klarer Verfassungsbruch der Bundesregierung. Zu diesen Abschreckungsgesetzen gehört das „Geordnete Rückkehrgesetz“ („Hau-ab-Gesetz“) oder auch das „Gesetz gegen illegale Beschäftigung und Sozialleistungsmissbrauch“.

Die Linke und die Grünen hatten beantragt, dass diese kurzfristig auf die Tagesordnung gesetzten Entwürfe der Bundesregierung mit Verschärfungs- und Repressionsmaßnahmen im Bereich Asyl/Migration von der Tagesordnung abgesetzt werden. Das wurde mit fadenscheinigen formalen Gründen der anderen Fraktionen abgelehnt.

Am 7. Juni wurde das Paket von Gesetzesmaßnahmen verabschiedet und entsprechende Gegenanträge der Grünen und der Linken abgelehnt. Die AfD stimmte gegen das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, da es für ihre Absichten nicht weit genug ginge.

Die Linke hatte gegen den Entwurf zum Fachkräfteeinwanderungsgesetz zwei Anträge eingebracht.

Einmal einen Antrag zu einem Gesetz für eine „offene, menschenrechtsbasierte und solidarische Einwanderungspolitik“, in dem kritisiert wird, die „einseitig auf die Interessen der deutschen Wirtschaft beziehungsweise von Unternehmen“ erfolgte Ausrichtung werde, „menschenrechtlichen, humanitären und integrationspolitischen Anforderungen“ nicht gerecht. Die Bundesregierung wird aufgefordert, sowohl diesen Gesetzentwurf als auch den Entwurf für ein „Gesetz über Duldung bei Ausbildung und Beschäftigung“ zurückzuziehen.

Stattdessen sollte nach dem Willen der Fraktion die Linke ein Gesetzentwurf für eine „offene und solidarische Ausgestaltung der deutschen Einwanderungspolitik“ vorgelegt werden, „in dem Einwanderungserleichterungen vor allem nach menschenrechtlichen, entwicklungspolitischen und humanitären Gesichtspunkten und nicht nach ökonomischen Nützlichkeitskriterien oder nationalstaatlichen Eigeninteressen ausgestaltet werden“. Dabei sollen laut Vorlage der Linken das „Recht auf Familienzusammenleben im Aufenthaltsrecht“ gestärkt, und Nachzugsbestimmungen erleichtert werden. Ferner soll laut Antrag eine Bleiberechtsregelung vor allem an die Aufenthaltsdauer anknüpfen müssen und „keine weiteren hohen Anforderungen stellen“. Zudem will die Linke eine Stärkung der Aufenthalts- und Beschäftigungsrechte Eingewanderter.

In ihrem zweiten Antrag (19/9855) fordert die Fraktion der Linken unter anderem, den Regierungsentwurf eines Fachkräfteeinwanderungsgesetzes grundlegend zu überarbeiten und entsprechend mit einer differenzierten Darstellung der Konjunktur, des Arbeitsmarktes und der bestehenden Arbeitsbedingungen sowie deren Bedeutung für Fachkräftemangel und Fachkräfteeinwanderung zu versehen, um angemessene Maßnahmen auf Basis sachlicher Gründe zu treffen. Regeln für einen „Spurwechsel von der Duldung hin zu einem echten Bleiberecht für Geflüchtete mit Arbeits- und Ausbildungsplatz“ müssten formuliert und für alle Beteiligten gesetzlich verankert werden. Auch seien konkrete Vorkehrungen zu treffen und Instrumente einzuführen, um Konkurrenz und Unterbietung am Arbeitsmarkt zu verhindern. (s. Information des Bundestages: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2019/kw19-de-fachkraefteeinwanderung-640406, sowie Antrag der Linken: „Für eine offene, menschenrechtsbasierte und solidarische Einwanderungspolitik“)

Grundlegende Forderungen der Bundestagsfraktion der Linken – auch nachdem es der Regierungskoalition gelungen ist, ihre „Einwanderungspolitik“ in Gesetzesform durchzusetzen – für die weitere Politik, orientiert am UN-Migrations- und Flüchtlingspakt, sind u.a.:

Die Aufenthaltsregelungen müssen grundsätzlich so ausgestaltet sein, dass die Menschen, gerade in humanitären Fällen, einen Aufenthaltstitel erlangen. Die Linke ist gegen die Einführung einer weiteren Form der Duldung, weil diese keinen rechtmäßigen Aufenthalt begründet und die betroffenen Personen jederzeit abgeschoben werden können. Mit dieser Rechtsunsicherheit kann sich kein Mensch eine Perspektive aufbauen;

• die Nachzugsbestimmungen müssen gestärkt werden;

•alle Menschen, die nach Deutschland kommen, sollen die Möglichkeit haben, erwerbstätig zu werden. Ihnen muss auch der Zugang zu Grundleistung gewährt werden;

• politische Rechte und die Partizipation von Eingewanderten müssen gestärkt werden. Es bedarf einer grundlegenden Liberalisierung des Staatsangehörigkeitsrechts, damit Einbürgerungen erleichtert werden und hier geborene Kinder im Grundsatz durch Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben. Das Prinzip der Vermeidung mehrfacher Staatsangehörigkeiten muss aufgegeben werden.

• Eingewanderte sollen zur gleichberechtigten politischen Teilhabe nach fünfjährigem Aufenthalt ein Wahlrecht auf der Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene erhalten. Schließlich sind wirksame Maßnahmen und Konzepte gegen Diskriminierung und Rassismus erforderlich.

Gegenüber den weitgehenden, teilweise verfassungswidrigen Absichten und Gesetzesentwürfen der Regierungskoalition war die Bundestagsfraktion der Linken in der Lage, eigene gemeinsame Gegenpositionen und -anträge zu entwickeln und zu vertreten.

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dok: Linksfraktion: Wir rufen nach Arbeitskräften, und es kommen Menschen

Jahrzehntelang verwehrten die Bundesregierungen mit ihrer verfehlten Einwanderungspolitik den Migrantinnen und Migranten eine tatsächliche Integration und Teilhabe. Rassismus und Ausgrenzung sind für fast ein Viertel der Menschen mit Migrationshintergrund in unserer Gesellschaft bitterer Alltag. Mit dem aktuellen Entwurf eines Gesetzes zur Fachkräfteeinwanderung werden nun aber nicht die Rechte der Menschen und deren Teilhabe in den Vordergrund gestellt, sondern die Interessen der Unternehmen und ihrer Verbände.

Die Bundesregierung offenbart in ihrem Gesetzentwurf eine völlig undifferenzierte Analyse unseres Arbeitsmarktes. Gebetsmühlenartig wird ein Fachkräftemangel beklagt, den es in dieser Form gar nicht gibt. In vielen Branchen hakt es an der Qualität der Arbeit und es werden miese Löhne bezahlt. An dieser Situation will die Bundesregierung aber nichts ändern. Jobs mit Niedriglöhnen und schlechten Arbeitsbedingungen, wie in der Gastronomie oder Pflege, sorgen für eine Einwanderung, in der vor allem eine billige Arbeitskraft erwünscht ist, nicht aber der dazugehörige Mensch.

Für eine moderne und solidarische Einwanderungspolitik!

Durch die Verknüpfung von Arbeit und Bleiberecht liefert die Bundesregierung die angeworbenen Fachkräfte den Arbeitgebern aus, da ein Arbeitgeberwechsel oder Arbeitslosigkeit mit dem drohenden Verlust der Bleibeperspektive einhergehen. In Konsequenz bedeutet dies: Wer aufmuckt, fliegt raus. Nicht nur aus dem Job, sondern auch aus dem Land. Damit erschwert man den Beschäftigten, sich zu organisieren und für ihre Rechte zu kämpfen. In den Regelungen für die Arbeitsmarktzugänge von Asylsuchenden und Geduldeten wird diese Haltung besonders deutlich: Selbst wenn Betroffene einen Arbeitsvertrag vorlegen oder schon eineinhalb Jahre gearbeitet haben, bekommen sie nur eine Duldung. Statt einer Vereinfachung und mehr Sicherheit für die Betroffenen schafft die Bundesregierung hier erneut Unsicherheiten im Aufenthaltsrecht für die Betroffenen. Eine moderne Einwanderungspolitik braucht eine solidarische Ausgestaltung, die sich an menschenrechtlichen, entwicklungspolitischen und humanitären Gesichtspunkten orientiert und nicht ausschließlich an Arbeitgebern und deren Geschäftsmodell zum Lohndumping. Wer Fachkräfte braucht, muss in erster Linie Tarifbindung, anständige Löhne und ordentliche Arbeitsbedingungen liefern.

Die Linke kämpft für gute Arbeit für Alle – unabhängig von Nationalität oder Aufenthaltsstatus. Wir wenden uns gegen eine Politik der Konkurrenz und Neiddebatten und gegen das Ausspielen von Deutschen und Migrant*innen auf dem Arbeitsmarkt. Wir wollen eine menschenrechtskonforme solidarische Ausgestaltung von Migration und Integration sowohl auf dem Arbeitsmarkt als auch eine gleichberechtigte Teilhabe in der gesamten Gesellschaft.

Für die Bundestagsfraktion: Gökay Akbulut, migrationspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke, Susanne Ferschl, stellvertretende Vorsitzende und Leiterin des Arbeitskreises Arbeit, Soziales und Gesundheit der Fraktion Die Linke im Bundestag.

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dok: Bundesregierung der CDU/CSU/SPD-Koalition: stellt sich „Fragen und Antworten“ zu ihrem Fachkräfteeinwanderungsgesetz

Aus: https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/mehr-fachkraefte-fuer-deutschland-1563122

Was ist das Ziel des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes?

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz schafft den Rahmen für eine gezielte und gesteigerte Zuwanderung von qualifizierten Fachkräften aus Drittstaaten. Ziel ist, dass diejenigen Fachkräfte zu uns kommen können, die unsere Unternehmen vor dem Hintergrund des großen Personalbedarfs und leerer Bewerbermärkte dringend benötigen. Das sind Hochschulabsolventinnen und -absolventen sowie Personen mit qualifizierter Berufsausbildung.

Wer ist Fachkraft im Sinne des Gesetzes?

Fachkräfte nach dem Fachkräfteeinwanderungsgesetzes sind drittstaatsangehörige Ausländer, die

– eine inländische qualifizierte Berufsausbildung oder eine mit einer inländischen qualifizierten Berufsausbildung gleichwertige ausländische Berufsqualifikation besitzen oder

– einen deutschen, einen anerkannten ausländischen oder einen einem deutschen Hochschulabschluss vergleichbaren ausländischen Hochschulabschluss haben.

Eröffnet das Fachkräfteeinwanderungsgesetz auch den Zuzug von Un- oder Niedrigqualifizierten?

Nein. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz stellt klar, dass vor der Einreise der Abschluss des Ausländers im sogenannten Anerkennungsverfahren auf seine Gleichwertigkeit überprüft wird. Eine Ausnahme gibt es nur für IT-Spezialisten mit mindestens drei Jahren Berufserfahrung und einem Gehalt von derzeit mindestens 4020 Euro im Monat sowie im Rahmen von Vermittlungsabsprachen der Bundesagentur für Arbeit, die den Kenntnisstand der Bewerber überprüft und bestimmt, welche Qualifizierungsmaßnahmen diese für die Anerkennung ihrer Qualifikation noch benötigen. Die Gehaltsgrenze wird jährlich angepasst.

Was bedeutet der Wegfall der Vorrangprüfung?

Angesichts der guten Arbeitsmarktlage wird die Vorrangprüfung für die qualifizierte Beschäftigung aufgehoben, sie gilt jedoch weiter für den Zugang zur Berufsausbildung. Damit muss nicht mehr vor jeder Einstellung einer Fachkraft aus einem Drittstaat festgestellt werden, ob ein inländischer oder europäischer Bewerber zur Verfügung steht. Das Gesetz enthält zugleich eine Verordnungsermächtigung, wonach bei einer Veränderung der Arbeitsmarktsituation die Vorrangprüfung sehr schnell wieder eingeführt werden kann – beispielsweise in bestimmten Berufen oder in bestimmten Regionen.

Wie soll ein Zuzug in die Sozialsysteme verhindert werden?

Ein Visum zur Ausbildungs- und Arbeitsplatzsuche wie auch zur Ausbildung oder Beschäftigung selbst setzt immer voraus, dass der Ausländer nachweist, dass er während seines Aufenthalts seinen Lebensunterhalt und gegebenenfalls den seiner mitreisenden Familienangehörigen selbst sichern kann. Zudem müssen Bewerber, die älter als 45 Jahre sind, monatlich mindestens 3685 Euro verdienen oder eine angemessene Altersvorsorge nachweisen.

Auch bleiben die Prüfung der Gleichwertigkeit der Qualifikation und die Prüfung der Arbeitsbedingungen grundlegend für den Zugang zum Arbeitsmarkt. Dies ist wichtig, um eine angemessene Bezahlung der neuen Fachkräfte sicherzustellen und ein „Lohndumping“ zu verhindern.

Ab wann gelten die neuen Regelungen?

Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz wird voraussichtlich Anfang 2020 in Kraft treten. Der Gesetzentwurf wurde am 7. Juni 2019 in dritter Lesung durch den Bundestag beschlossen. Die abschließende Befassung des Bundesrates und die Ausfertigung durch den Bundespräsidenten stehen noch aus. Das Gesetz tritt sechs Monate nach Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft.