PB
PDF

PB
ARCHIV

Nr.8-9/2019, S.02a

AfD fordert neue Verteidigungsministerin heraus

Martin Fochler, München.

Zur Oberbürgermeisterwahl, die am 27. Oktober in der niedersächsischen Landeshauptstadt Hannover ansteht, wird J. Wundrak, Generalleutnant der Luftwaffe a.D., für die AfD antreten. Bei Wahlen blieb die Niedersachen-AfD durchweg unter zehn Prozent. Wundrak (64), dessen Beruf die Beurteilung strategischer Verhältnisse gewesen ist, kann es um einen Wahlsieg nicht gehen. Der Griff nach dem OB-Amt ist ein Scheinangriff, strategisches Ziel sind Gebietsgewinne im Dienst und Milieu der Bundeswehr. Dem dient auch eine Initiative des AfD-Bundestagsabgeordnete Rüdiger Lucassen, Obmann im Verteidigungsausschuss, 2006 auf „eigenen Wunsch“ im Dienstgrad Oberst aus der Bundeswehr geschieden. Er hat sich an den Wehrbeauftragten des Bundestages gewandt mit dem Ziel, die Suspendierung des Kommandeurs des Zentrums für innere Führung der Bundeswehr zu erreichen. Generaloberst Zudrop, habe „die AfD ‚vor versammelter Mannschaft‘ sinngemäß als keine ‚von Soldaten wählbare Partei‘ bezeichnet“ und damit gegen das im Soldatengesetz verankerte Verbot der politischen Betätigung im Dienst verstoßen. (15.8.2019)

Die Politisierung der Bundeswehr ist somit in vollem Gange. Die Mitglieder der Streitkräfte leben unter dem Gesetz von Befehl und Gehorsam und somit in einem Spannungsverhältnis zu den Normen der Demokratie. Bei der Gründung der Bundeswehr wurde dem durch das Leitbild des „Bürgers in Uniform“ Rechnung getragen. Damit war die Tradition gebrochen, nach der Soldaten, die auf Befehl eine verbrecherische Handlung ausführen, dafür nicht persönlich verantwortlich gemacht werden können. Die Logik der Befehlskette wurde auch durch die Wehrverfassung aufgebrochen, nach der oberste Vorgesetzte im Frieden die Verteidigungsminister und im Kriegsfall die Kanzler der BRD sind. Diese Vorkehrungen beseitigen die Spannung zwischen autoritärem Alltag und demokratische Umwelt nicht.

Rechtsextreme Tendenzen in der Bundeswehr veranlassten die jüngst unter Pomp verabschiedete Verteidigungsministerin von der Leyen dazu, die Auseinandersetzung auf dem Gebiet der Traditionspflege zu suchen. Sie stieß dabei auf breiten Widerstand, in der Truppe, in der Öffentlichkeit und ganz offenkundig der AfD.

Der jetzige Vorstoß der AfD gegen den Kommandeur des Zentrums für innere Führung ereignet sich im zeitlichen Zusammenhang mit dem Führungswechsel im Verteidigungsministerium. Frau Kramp-Karrenbauer, die sich in den letzten Monaten als Brückenbauerin zum rechten Rand der Union versucht hat, wird durch die AfD getestet. Wird sich Frau Kramp-Karrenbauer hinter das Leitbild des „Bürgers in Uniform“ stellen? Sie würde sich dabei auf eine Auseinandersetzung nicht mit der Mehrheit, aber doch einer namhaften Zahl auch ranghoher Militärs einlassen müssen.

Wenn Propagandisten der in ihrer Argumentation zum Rechtsextremismus hin offenen AfD im Dienstalltag der Bundeswehr spürbar werden, wird die Armee dadurch noch nicht zum politischen Faktor mit Machtanspruch, jedenfalls nicht bei jetzigem Stand von Meinung und Mehrheit.

Gefahrenherde bilden sich anderswo. Das Leben unter Befehl und Gehorsam schafft einen Raum geteilter Erinnerungen, der in offiziellen und inoffiziellen Verbänden gepflegt wird. Auch schaffen die Streitkräfte im Einsatz traumatische Erfahrungen, Furcht ums Leben und Erfahrung des Tötens verschieben Wertvorstellungen. Das Milieu der Ehemaligen ist groß und wächst. Öffentliche Mittel und Sponsorengelder fließen dort hin, Verbindungen zur Welt der Sport- und Schützenvereine liegen nahe. Wird die AfD-Propaganda als Strömung in der Bundeswehr legitimiert, wird daraus in der Welt jener Vereinigungen eine beherrschende Stellung, ein Rekrutierungsfeld des gewaltbereiten Rechtsextremismus.