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Nr.10/2019, S.03

Parlamentswahlen in Polen – eine Rückkehr der Linken?

Jakub A. Kus, Warschau

Wahrscheinlich wird es bei den Parlamentswahlen in Polen im Oktober keine großen Überraschungen geben. Die regierende national-konservative Partei Prawo i Sprawiedliwość (Recht und Gerechtigkeit – PiS) hat zusammen mit ihren Satelliten laut allen Umfragen eine stabile Unterstützung ihrer Wählerschaft von über 40%. Laut den meisten Umfragen vor der Wahl kommen mit Sicherheit drei Gruppierungen ins polnische Parlament: die regierende Prawo i Sprawiedliwość, Koalicja Obywatelska (die dominierende Platforma Obywatelska und kleinere Parteien – die Zieloni, Nowoczesna, Inicjatywa Polska) mit einer Unterstützung von 26 bis 28% sowie die Linke im Komitet Sojuszu Lewicy Demokratycznej mit einer geschätzten Unterstützung von 10 bis 14%. An der Grenze zur Wahlschwelle von 8% sind die konservative Koalicja Polska, welche um die ehemalige Bauernpartei Polskie Stronnictwo Ludowe gruppiert ist sowie die extrem rechte und nationalistische Konfederacja.

Unbekannt bei den Wahlen in Polen wird also hauptsächlich das Ausmaß des Sieges von Prawo i Sprawiedliwość sein. Im Fall einer sehr hohen Wahlbeteiligung hat bei dem geltenden D’Hondtschen System, wenn nur drei Gruppierungen ins Parlament kommen, die PiS die Chance auf die Verfassungsmehrheit.

Bezüglich der Senatswahlen hat die Opposition (mit Ausnahme der nationalistischen Konfederacja) sich in Sachen gemeinsamer Kandidaten geeinigt, was ihr eine Chance bei der Konfrontation mit der Regierungspartei gibt. Bei den polnischen Senatswahlen gelten Ein-Mandat-Wahlbezirke.

Die wichtigsten Änderungen könnten aber die Linke betreffen. Nach einer Legislaturperiode der Abwesenheit im Parlament besteht eine Chance dieses politische Spektrum wieder aufzubauen. Drei linke Gruppierungen: die „alte“ Sojusz Lewicy Demokratycznej, die neue Wiosna und die radikalste von ihnen, Lewica-Razem, haben sich nicht nur auf gemeinsame Listen, sondern auch auf ein gemeinsames Programm geeinigt. Dies war sicherlich nicht einfach, denn die SLD hat auf ihrem Konto, als sie Regierungspartei war, viele neoliberale Sünden in der Wirtschaft, Wiosna ist radikal, wenn es hauptsächlich um sittliche Fragen und Bürgerrechte geht und die junge Partei Lewica-Razem greift das bestehende System heftig an und war den Postkommunisten aus der SLD nicht wohlgesonnen. Dennoch hat die vereinte Linke bei diesen Wahlen eine Chance, ein zweistelliges Ergebnis zu erreichen und eine gemeinsame Parlamentsfraktion zu bilden. In Polen wird gesagt, dass die neoliberale Koalicja Obywatelska zu wenig konkret, immer noch wirtschaftlich neoliberal, zu konservativ ist und sich mit der Niederlage abgefunden hat. Die Linke bricht in ihrem Programm mit dem wirtschaftlichen Neoliberalismus, hat aber ein Problem mit ihrem Sozialprogramm. Die regierende PiS hat in den letzten Jahren ein umfassendes Programm der Vergabe von sozialen Leistungen, das an die ärmeren gesellschaftlichen Gruppen gerichtet war, umgesetzt. Dies wurde von der guten wirtschaftlichen Konjunktur und einer wirksamen Eintreibung von Steuern begünstigt. Ein Teil des Sozialprogramms von PiS wurde aus den Programmen der linken Parteien übernommen. Es ist also schwer, bezüglich Wahlversprechen mit denen zu konkurrieren, die Geld haben und es intensiv ausgeben, indem sie die Wählerschaft „kaufen“. Die Linke präsentiert Vorschläge von vernünftigen Systemlösungen im Bereich des Gesundheitswesens (ein Thema das, angesichts der Krise im staatlichen Gesundheitssystem, besonders heikel ist) und auf anderen Gebieten, kann aber die PiS in Wahlversprechen nicht übertrumpfen. Anders ist es im Bereich der sittlichen Fragen, der Freiheit und des Wiederaufbaus von demokratischen Institutionen. Hier konfrontiert sich die Linke entschieden mit der autoritären PiS, sie fordert eine Säkularität des Staates und die Beschränkung der aggressiven Politik der katholischen Kirche, Toleranz gegenüber Minderheiten und ein Bildungssystem, das verschiedene Weltanschauungen akzeptiert. Auf diesem Gebiet unterscheidet sich die Linke von der wenig konkreten Koalicja Obywatelska. Wenn die polnische Linke keine ihrer alten Fehler, die zu einer Zersplitterung führen könnten, macht, werden die nächsten Jahre eine Zeit des Aufbaus einer starken politischen Position und eines Programms sein, das auch im wirtschaftlichen Bereich attraktiv und konkret sein wird. Eines scheint sicher zu sein – die Linke in Polen kehrt in die politische Erste Liga zurück.