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ARCHIV

Nr.12/2019, S.22

01 Dänemark/Deutschland – Anerkennung von Minderheitenrechten. Rudi Arendt, Elmshorn

02 Troels Fink – dänischer Architekt der Bonn-Kopenhagener Erklärungen. Rudi Arendt, Elmshorn

03 karte der Abstimmungsgebiete in Schleswig 1920“. Erläuterung Edda Lechner, Norderstedt

04 „Ich fühle mich eigentlich gut als dänische Minderheit“ – Feature im Deutschlandfunk Kultur 26.5.2019. Zusammenfassung: Eva Detscher, Karlsruhe

01

Dänemark/Deutschland – Anerkennung von Minderheitenrechten

Rudi Arendt, Elmshorn

Die heutige deutsch-dänische Grenze, die 1920 aufgrund zweier Volksabstimmungen gezogen wurde, beließ auf beiden Seiten nationale Minderheiten, eine der Zahl nach größere deutsche im nunmehr dänischen Nordschleswig und eine beträchtlich kleinere dänische Minderheit in Südschleswig, dem heutigen Landesteil Schleswig. Die große Mehrheit der Dänen nördlich und südlich der Grenze war mit der 1920 gefundenen Lösung zufrieden. Dagegen hielten die meisten Schleswig-Holsteiner sowie die deutsche Volksgruppe in Nordschleswig an der Forderung nach einer Grenzrevision fest. Erst recht in den Jahren der NS-Diktatur und noch mehr nach der völkerrechtswidrigen deutschen Besetzung Dänemarks (1940) war die deutsche Volksgruppe bestrebt, Nordschleswig „heim ins Reich“ zu führen.

Mit der Kapitulation im Mai 1945 verstummten die Forderungen nach Grenzrevision. Die Hinwendung der deutschen Minderheit zum Nationalsozialismus, ihre Zusammenarbeit mit der deutschen Besatzungsmacht, sowie das illoyale Verhalten gegenüber Dänemark konnte nicht ohne Folgen bleiben: Das Haus der deutschen Tageszeitung, der Bismarckturm der deutschen Versammlungsstätte auf dem Knivsberg, und weitere deutsche Denkmäler wurden gesprengt, Bomben in deutsche Geschäfte geworfen und Versammlungshäuser deutscher Vereine abgebrannt. Etwa 3500 ihrer Angehörigen wurden interniert, 2900 zu Haftstrafen verurteilt. Fast jede deutsche Familie in Nordschleswig war von der sogenannten Rechtsabrechnung betroffen. Die Vermögenswerte der deutschen Volksgruppe wurden eingezogen, die Privatschulen enteignet.

Die dänische Minderheit wiederum sah sich der gezielten Ansiedlung der deutschen Vertriebenen im Landesteil Schleswig und entsprechender Ressentiments ausgesetzt. Die dänische Regierung warnte 1946, dass „die große Zunahme des deutschen Teils der Grenzbevölkerung im Laufe der Jahre eine günstige Grundlage für die deutsche expansionistische Propaganda und Politik abgeben wird. Dänemarks zukünftige Sicherheit wird wesentlich von einem Nachlassen des Flüchtlingsdrucks in den Grenzgebieten abhängen“.

Die britischen Alliierten gaben wiederum einer dänischen Delegation im Oktober 1948 den Rat, ihre nationale Sicherheit „nicht mehr auf der Basis von Südschleswig“, sondern „in Beziehung zu dem übrigen Europa zu betrachten sowie im Hinblick auf die aus dem Osten drohenden Aggressionsgefahr“. Unter britischen Vorsitz kam es ein Jahr später zu Verhandlungen zwischen Vertretern der dänischen Minderheit mit der schleswig-holsteinischen Landesregierung. Das Ergebnis war die vom Kieler Landtag verabschiedete Erklärung vom 26. September 1949. Ihre Kernsätze lauten:

„Das Bekenntnis zum dänischen Volkstum und zur dänischen Kultur ist frei. Es darf von Amts wegen nicht bestritten oder nachgeprüft werden.“

Damit war das „Gesinnungsprinzip“ anerkannt, nach dem es jedem freisteht, sich unabhängig von seiner Sprache oder Abstammung zu der Nation zu bekennen, für die er sich entschieden hat. Der erste Satz der Erklärung wurde, leicht verändert, in die Landessatzung (Art.5) vom 13. Dezember 1949 aufgenommen.

In Kopenhagen versicherte die dänische Regierung den deutschen Nordschleswigern, das ihnen die freiheitlichen und demokratischen Rechte zustünden, die in der dänischen Verfassung und Gesetzgebung festgelegt seien.

Der Konflikt setzte sich allerdings fort. Noch 1951 versuchte die CDU-geführte Landesregierung, mit der Erhöhung der Fünf-Prozent-Klausel die dänische Minderheit zu bekämpfen. Sie erhöhte auf 7,5%. Der Südschleswigsche Wählerverband (SSW) blieb bei den Landtagswahlen darunter und verlor alle seine vier Sitze. Er konnte also mit seinen 42 000 Stimmen keinen Sitz im Landtag erringen, während die deutsche Minderheit aufgrund des günstigeren Wahlgesetzes in Dänemark in Groß- und Amtskreisen mit ihren 7.900 Stimmen einen Sitz im Folketing erhielt.

Die dänische Regierung machte dann wiederum 1954 die Zustimmung über die Aufnahme der BRD in die Nato von der zukünftigen Behandlung der dänischen Minderheit abhängig. Die erste offizielle Reaktion kam dann vom neuen schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Kai Uwe von Hassel. Seinen Vorschlag, einen Minderheitenvertrag abzuschließen, lehnte Dänemark ab. Vom dänischen Gesichtspunkt war es natürlich, die Minderheitenprobleme als innere Angelegenheiten anzusehen, die allein durch die innere Gesetzgebung in Übereinstimmung mit den demokratischen Grundrechten gelöst werden sollten.

„Dieser Unterschied“, so der damalige Berater der dänischen Delegation, der Historiker Troels Fink „geht, was Dänemark betrifft, mit der Erkenntnis zusammen, das ein kleines Land im Falle eines Streits wenig Möglichkeiten hat, seiner Auffassung Nachdruck zu verleihen, während eine Großmacht gegebenenfalls seine Gesichtspunkte erzwingen kann.“

Im Ergebnis stehen zwei Erklärungen aus Bonn und Kopenhagen, deren Kennzeichen es ist, weitgehend identisch, aber innerstaatliche und eigenständige Selbstverpflichtungen zu sein. Hier wurde neben dem schon in der Kieler Erklärung formulierten Gesinnungsprinzips festgehalten: Angehörige der dänischen Minderheit dürfen im Gebrauch der Sprache und Schrift nicht behindert werden. Bei Leistungen aus öffentlichen Mitteln dürfen Angehörige der Minderheit gegenüber anderen Staatsbürgern nicht unterschiedlich behandelt werden. Ebenso wurde die Fünf-Prozent-Klausel für den SSW abgeschafft und auf der Gegenseite den deutschen Schulen in Sonderjyland das Examensrecht zuerkannt.

Das Dänische Generalkonsulat resümierte in einer Festschrift zum 60. Jahrestag der Bonn-Kopenhagener Erklärungen: Man kann es auch so formulieren, dass das deutsch-dänische Minderheitenmodell kein „Exportgut“ ist, aber ein moralisches Beispiel dafür, dass man zu tragfähigen Lösungen gelangen kann, wenn der gute Wille von allen Seiten gegenwärtig ist.

Literaturhinweise: Troels Fink: Deutschland als Problem Dänemarks, 1968, Christian Wolff Verlag Flensburg; www.geschichte-s-h.de; Geschichtsumschlungen – Sozial und Kulturgeschichtliches Lesebuch Schleswig-Holstein 1848 -1948, Dietz-Verlag; * Fotos: Königlich Dänisches Generalkonsulat Flensburg; „Vom Gegeneinander zum Miteinander“ – Das Dänisch-Deutsche Minderheitenmodell. 2015

Abb. (PDF): Die Regierungserklärungen am 29. 3. 1955 in Bonn durch Bundeskanzler Adenauer und Staatsminister H.C. Hansen. *

Abb. (PDF): Dem „guten Willen“ muss ab und zu nachgeholfen werden: Demonstration der dänischen Minderheit in Rendsburg gegen die Aufhebung der Gleichstellung der dänischen Schulen bei den Schülerkostensätzen durch die CDU-geführte Landesregierung 2010. Foto: Flensborg Avis*

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Troels Fink – dänischer Architekt der Bonn-Kopenhagener Erklärungen

Der Historiker und Diplomat Prof. Dr. Troels Fink (1912–1999) war in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einer der einflussreichsten Gestalter der dänisch-deutschen Beziehungen im Grenzland.

Als kleiner Junge bekam er selbst einen ersten Eindruck vom Nationalitätenkampf, als er ebenso wie andere Kinder aus dänisch orientiertem Haus gezwungen war, eine deutsche Schule zu besuchen. Das änderte sich mit der Wiedervereinigung Nordschleswigs 1920, die – auch in schulischer Hinsicht – für den jungen Fink als Erleichterung erlebt wurde. Nach dem Schulbesuch, den er 1930 mit dem Abitur abschloss, studierte Fink Geschichte an der Universität Kopenhagen. 1941 promovierte er an der Universität Aarhus.

Ende der 1930er Jahre geriet Fink in das Visier der Polizeiorgane Nazi-Deutschlands. Im Frühjahr 1940 setzte das Reichssicherheitshauptamt in Berlin ihn auf eine Sonderfahndungsliste, einem Verzeichnis von Personen, die der NS-Überwachungsapparat als besonders gefährlich oder wichtig ansah.

1942 erhielt Fink eine Stellung als Dozent an der Universität Aarhus. Am 26. April 1945, kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges, wurde sein Haus in Aarhus von der Geheimen Staatspolizei gesprengt, wobei er nur knapp mit dem Leben davon kam.

Von 1946 bis 1959 fungierte er als Berater des dänischen Außenministeriums in Fragen, die das deutsch-dänische Verhältnis betrafen. In dieser Eigenschaft war Fink maßgeblich am Zustandekommen der Bonn-Kopenhagener Erklärungen beteiligt. 1959 wurde Fink als königlich-dänischer Generalkonsul nach Flensburg entsandt. Auf diesem Posten verblieb er bis 1976. Anschließend amtierte Fink drei Jahre lang, von 1976 bis 1979, als Direktor des am 1. April 1976 gegründeten Institut for Graenseregionsforskning Abenra (Institute for Research on Frontier Regions in Aabenraa).

Quellen: Henrik Becker-Christensen: Historiker – Diplomat – Initiator. Zum 100. Geburtstag von Troels Fink. In: Grenzfriedenshefte, 2012, Heft 2, S. 113–116 (online); wikipedia.org/wiki/Troels_Fink. Bildnachweise: www.graenseforeningen.dk/node/3999, www.au.dk/om/profil/historie/samlingerne/personarkiver/troelsfink/hvornaar-fik-gestapos-kartotekskort-vedr-troels-fink-sine-maerker-efter-brand/

Abb. (PDF): Troels Fink

Abb. (PDF): Sein von der Gestapo gesprengtes Haus

03

Abstimmungsgebiete in Schleswig 1920, womit der strittige Bereich zwischen Dänemark und Deutschland, zwischen Hadersleben und Schleswig gemeint ist.

1. Zone III mit Schleswig, Husum und zahlreichen Nordsee-Inseln stimmten mehrheitlich für dem Verbleib bei Deutschland.

2. Der nördliche Teil in Zone I war seit jeher unwidersprochen – bis auf Bismarcks Okkupation – dänisch gewesen und blieb es nach der Abstimmung.

3. Der mittlere Teil zwischen Flensburg bis Sylt konnte mehrheitlich bei Deutschland bleiben. Die Abstimmung war hier örtlich sehr gemischt und hatte oft nur eine knappe Mehrheit, aber die Zählung der Stimmen wurde als Zone II im Gesamtergebnis gewertet. Erläuterung Edda Lechner, Norderstedt

Abb. (PDF): Karte Abstimmungsgebiet

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„Ich fühle mich eigentlich gut als dänische Minderheit“ – Feature im Deutschlandfunk Kultur 26.5.2019

Die Gesprächspartner in der Radioreportage, allesamt Bewohner in der Grenzregion, wissen durchaus, was alles dranhängt rund um „Deutsche Dänen, Deutsch-Dänen, Grenzdänen“ und stellen – jedenfalls in der Reportage – fest: „Vielen in der Grenzregion fallen einengende Zuschreibungen eher lästig. Man ist, was man ist, meist irgendwie beides.“ Der eigentliche befreiende Akt ist und bleibt, dass die amtliche Erfassung einer Zugehörigkeit verboten ist. Keiner redet von Integration oder von Leitkultur: „Jeder kann sich zur Minderheit bekennen. Hört sich banal an, ist es aber nicht. Im Gegenteil. Nationale Zugehörigkeit wird zur Nebensache. Immer mehr deutsche Eltern schicken heute ihre Kinder zu den Dänen. Die sind irgendwie lockerer. Legen mehr Wert auf das Miteinander. So hört man es an jeder deutschen Ecke.“ … „Das Endziel ist nicht, dass alle gleich sind. Sondern man akzeptiert, dass man gegenseitig verschieden ist, man akzeptiert, dass es eine Bereicherung ist, dass man unterschiedlich ist. Und man liebt sich dafür gegenseitig. Ich denke aber, das ist nicht zuletzt eine Lehre aus dem Dritten Reich. Dass man gesagt hat: Wir wollen jetzt keine Minderheiten mehr erfassen“, sagt Lars Erik Bethge, der Kommunikationschef der Minderheit. Er erinnert an den historischen Quantensprung in der deutschen Minderheitenpolitik: dem freien Bekenntnis.

Zusammenfassung: Eva Detscher, Karlsruhe

www.deutschlandfunkkultur.de/daenische-minderheit-in-schleswig-grenzenlose-identitaet.942.de.html?dram:article_id=449769

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