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ARCHIV

Nr.1/2020, S.18

Menschenrechte in den Lieferketten – Sorgfaltspflicht und/oder Haftung?

01dok I : Resolution des EGB (Auszug)

02 dok II: Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA)

03 dok: EU Cities for Fair & Ethical Trade Award: Europa braucht fairen Handel

Rolf Gehring, Brüssel

In der Ausgabe 12/2019 der Politischen Berichte hatten wir über die wachsende Bewegung für Lieferkettengesetze berichtet. Diese wollen erreichen, dass in internationalen Handelsbeziehungen Menschen- und Kollektivrechte gewährt werden.

Mittlerweile haben sich in Deutschland einen Tag vor dem Internationalen Tag der Menschenrechte am 10. Dezember 2019, 42 deutsche Unternehmen für ein solches Gesetz ausgesprochen. Dies ist sicher kein Kuriosum, sondern schließt an frühere Positionierungen und Fraktionen im Unternehmerlager an, die Schmutzkonkurrenz im Wirtschaftsleben ausschließen wollen und aus diesem Grunde die Ordnungsfunktion von Tarifverträgen stützen.

Die Bewegung findet breite Unterstützung auch aus kirchlichen Kreisen und mittlerweile den meisten Parteien, einschließlich der Regierungskoalition.

Die Bewegung für Lieferkettengesetze hat bisher häufig schlechte Erfahrungen mit freiwilligen Selbstverpflichtungen gemacht, die unter dem Titel der guten Unternehmensführung angewandt werden. Aber auch die Um- und Durchsetzung von mit Gewerkschaften abgeschlossenen Internationalen Rahmenvereinbarungen scheitern häufig.

Nun haben zwei weitere (europäische) Organisationen Stellungnahmen zum Themenkomplex abgegeben.

EGB fordert Europäische Richtline für Menschenrechte

Der Europäische Gewerkschaftsbund EGB fordert in einem Mitte Dezember verabschiedeten Positionspapier eine „Europäische Richtlinie zu Menschenrechten“ und einer verantwortlichen Unternehmensführung (siehe Spalte links). In dem Papier wird die Erwartung ausgedrückt, dass eine EU-Regelung sich auf internationale Vereinbarungen, Regeln und Praktiken bezieht und damit verbunden wird. Das Papier (siehe die Auszüge im nebenstehenden Kasten) bleibt aber schwach in der Ausformulierung konkreter Verfahren und kann sich am Ende nicht wirklich entscheiden zwischen den beiden möglichen Grundausrichtungen, der Sorgfaltspflicht der Unternehmen oder der Generalunternehmerhaftung. Der EGB buchstabiert nicht aus, an welchen Stellen welches Konzept und Rechtsinstrument greifen soll. Eine Reihe von europäischen Staaten haben mittlerweile nationale Gesetze verabschiedet, die eine Generalunternehmerhaftung vorsehen; vor allem vor dem Hintergrund von übelsten Ausbeutungsmethoden in der Fleisch- oder der Bauwirtschaft mit ihren oft sehr langen Subunternehmerketten, Briefkastenfirmen, Scheinselbständigkeit usw. Da der EGB ausdrücklich nach einer speziellen Richtlinie für die EU fragt, sollte sie abgrenzbar von den internationalen Regeln sein und sich auf hiesige Standards beziehen. Das ist mit dem Papier nicht wirklich gelungen.

EWSA fordert „verbindliches Instrumen

Das zweite Papier, eine Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA) (siehe Dok II) nimmt als Ausgangspunkt die Resolution 26/9 des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen vom 26. Juni 2014. Mit dieser wurde beschlossen, eine offene zwischenstaatliche Arbeitsgruppe zu transnationalen Unternehmen und sonstigen Wirtschaftsunternehmen im Zusammenhang mit Menschenrechtsfragen einzusetzen. Diese soll mit dem Mandat versehen werden, ein internationales rechtsverbindliches Instrument zur Regulierung der Tätigkeiten transnationaler Unternehmen und sonstiger Wirtschaftsunternehmen innerhalb der internationalen Menschenrechtsnormen auszuarbeiten. Wesentliches Ziel der Stellungnahme des WSA war, die Kommission (die zwischenzeitlich aufgrund von Differenzen die Arbeitsgruppe verlassen hatte) zu einem starken Engagement in der Arbeitsgruppe zu drängen. Beachtlich ist hier schon, dass es ein Konsenspapier zwischen den drei Gruppen des WSA (Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Interessengruppen) entstanden ist, das sehr klare und Bezüge zu den bestehenden internationalen Verfahren und Rechtsnormen herstellt. Es werden auch Empfehlungen bezüglich Rechtstatus, Um- und Durchsetzung sowie Haftung und Missbrauch gemacht.

Aus diesen Elementen der Entschließung dokumentieren wir hier zur Veranschaulichung.

Abb. (PDF): Logos Unterstüzender

Abb. (PDF): https://lieferkettengesetz.de (Text u. Foto) Als die Textilfabrik Ali Enterprises in Pakistan im September 2012 abbrannte, starben 258 Menschen, Dutzende wurden verletzt. Vergitterte Fenster, defekte Feuerlöscher, lediglich ein enges Treppenhaus und Notausgänge, die ins Nichts führten, machten die Fabrik zur tödlichen Falle für die Arbeiter*innen. Das deutsche Textilunternehmen KiK ließ als Hauptkunde in der Fabrik produzieren …KiK wurde nicht für seine Mitverantwortung am mangelnden Brandschutz und damit am Tod von 258 Menschen in Pakistan verurteilt.

01

dok I : Resolution des EGB (Auszug)

Was der EGB fordert

(17./18. Dez. 2019). Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) fordert eine europäische Richtlinie zu verbindlichen Menschenrechten, einschließlich Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechten, Sorgfaltspflicht und verantwortungsvollem Unternehmenshandeln. Sie sollte verbindliche und wirksame Sorgfaltspflichten festlegen, die die Tätigkeiten der Unternehmen und ihre Geschäftsbeziehungen, ihre Liefer- und Zulieferketten abdecken. Eine europäische Richtlinie zur Sorgfaltspflicht wäre ein wichtiger Schritt, um sicherzustellen, dass die Tätigkeiten der Unternehmen nachhaltiger sind, und um eine Rechenschaftspflicht einschließlich wirksamer Korrekturmaßnahmen für die Auswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit zu schaffen. Dies wäre ein wichtiger Schritt nach vorn, um die Achtung und Durchsetzung der Menschenrechte zu gewährleisten. Es würde die Arbeitnehmer befähigen, gegen Menschenrechtsverletzungen vorzugehen. Sie würde ferner einen klareren Rahmen für alle Akteure der Gesellschaft auf der Grundlage gemeinsamer Mindestanforderungen, Rechtssicherheit und einem fairen Wettbewerbs gewährleisten.

Hauptanforderungen des EGB: Für den Europäischen Gewerkschaftsbund sollte eine solche Richtlinie mindestens folgende Elemente enthalten:

Ziel. Die Richtlinie sollte ehrgeizige Sorgfaltspflichten für Unternehmen im Einklang mit den hohen sozialen und ökologischen Standards und Zielen der Europäischen Union sowie mit dem Ziel der Förderung und Gewährleistung einer nachhaltigen Entwicklung und des sozialen Dialogs festlegen. Der Schwerpunkt sollte auf der wirksamen Verhütung von Menschenrechtsverletzungen und den negativen Auswirkungen von Geschäftstätigkeiten, einschließlich der internationalen Geschäftstätigkeit von in der EU ansässigen oder tätigen Unternehmen, sowie auf wirksamen Kontrollen, Sanktionen und Abhilfemaßnahmen liegen. Die Richtlinie sollte auf den ehrgeizigsten Elementen der verschiedenen internationalen Instrumente und Standards aufbauen und diese umfassen sowie wirksame Lösungen, die in den Rechtsinstrumenten der EU und den nationalen Rahmenbedingungen entwickelt wurden die Aktivitäten, mit denen es durch seine Geschäftsbeziehungen verbunden ist, einschließlich seiner Zuliefer- und Lieferketten (z. B. Franchising, Anbieter, Zulieferer, Händler…).

https://www.etuc.org/en/document/resolution-and-annex-tu-input-action-plan-implement-epsr-adopted-exco-22-23-october-17-18

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dok II: Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (EWSA)

12.12.19| 1.13 Der EWSA … fordert … einen entschiedenen Einsatz für die Entwicklung eines verbindlichen Instruments und verweist insbesondere auf die Notwendigkeit eines internationalen Beschwerde- und Überwachungsmechanismus. Der EWSA stellt fest, dass auch internationale Systeme wie das Beschwerdeverfahren der IAO existieren, die als Muster für eine ehrgeizigere internationale Durchsetzung dienen können, da verbindliche Vorschriften ohne ein starkes Engagement der Staaten und Durchsetzungsmechanismen keine Wirksamkeit entfalten werden.

1.14 Zur Gewährleistung der Sorgfaltspflicht im Bereich der Menschenrechte müssen dort, wo derartige Pläne noch nicht bestehen, nationale Aktionspläne ausgearbeitet werden. Nötig ist zudem ein europäischer Aktionsplan. Bei der Entwicklung, Umsetzung und Durchsetzung der Aktionspläne muss die organisierte Zivilgesellschaft einbezogen werden.

1.15 Der EWSA empfiehlt der Europäischen Kommission, zu prüfen, inwieweit für den Bereich Menschenrechte im wirtschaftlichen Kontext eine EU-Ratingagentur in öffentlicher Hand realisierbar ist.

1.16 Der EWSA empfiehlt einen starken internationalen Überwachungs- und Durchsetzungsmechanismus, der die Möglichkeit bietet, Beschwerden einem internationalen Ausschuss vorzulegen. Darüber hinaus muss es einen unabhängigen UN-Beamten (Ombudsmann) geben, der im Falle von Menschenrechtsverletzungen Untersuchungen durchführt und gegebenenfalls Ansprüche der Opfer unterstützt sowie erhobene Vorwürfe zu Verstößen unabhängig weiterverfolgt und dem Ausschuss vorlegt.

1.18 Im Entwurf wird bereits eine Auswahl verschiedener zuständiger Gerichtsbarkeiten genannt, die noch einer weiteren Präzisierung bedarf. Wenn ein Unternehmen im Rahmen seiner Geschäftstätigkeit in transnationalen Lieferketten tätig ist, muss nach Auffassung des EWSA sichergestellt sein, dass eine gerichtliche Zuständigkeit im Niederlassungsland des Unternehmens geltend gemacht werden kann. Außerdem muss deutlich gemacht werden, dass lokale Tochterunternehmen und Zulieferer in dem Land verklagt oder zumindest gemeinsam in Anspruch genommen werden können, in dem das Mutter- bzw. begünstigte Unternehmen ansässig ist.

1.20 Der EWSA ist der Ansicht, dass das Zusammenspiel von Sorgfaltspflicht und Haftung präzisiert werden muss. Dazu gehören auch eindeutige und praktische Bestimmungen, mit denen sichergestellt wird, dass zur Sorgfaltspflicht auch eine kontinuierliche Beobachtung in den Lieferketten und (sollte diese versagen) auch die entsprechende Haftung gehören. Bei der weiteren Präzisierung ist von den Konzepten auszugehen, die bereits für die Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte entwickelt wurden. (…)

4.10 Der EWSA verweist auf die Bedeutung von Zeugen und die Rolle von Hinweisgebern. Er begrüßt die im vorliegenden Textentwurf enthaltenen Schutzbestimmungen. Nichtregierungsorganisationen, die in diesem Bereich aktiv sind, sind zu unterstützen.

4.11 Grobe Fahrlässigkeit muss eine strafrechtliche Haftung begründen. Bei weniger schweren Verstößen, wie etwa der Vernachlässigung der Verpflichtung zur regelmäßigen Berichterstattung, ist eine verwaltungsrechtliche Haftung festzulegen.

https://webapi2016.EESC.europa.eu/v1/documents/eesc-2019-01278-00-01-ac-tra-en.docx/content

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dok: EU Cities for Fair & Ethical Trade Award: Europa braucht fairen Handel

4.2.20. In Brüssel fiel in dieser Woche zum zweiten Mal der Startschuss für den Wettbewerb um den Titel „Europäische Stadt des Fairen und Ethischen Handels“. Helmut Scholz, Europaabgeordneter für Die Linke, war einer der Initiatoren des Preises und Jurymitglied bei der ersten Vergabe. „Ich beglückwünsche die EU-Kommission und Kommissar Phil Hogan, dass sie erneut den Titel der Europäischen Stadt des Fairen und Ethischen Handels vergeben werden“, gratulierte Scholz … „Durch diesen Preis wird sichtbar, von welch entscheidender Bedeutung kommunales Engagement für den Aufbau gerechterer Handelsbeziehungen ist. Ich wünsche mir, dass sich dieses Mal noch mehr Städte und Kommunen am Wettbewerb beteiligen. Zu gewinnen gibt es europaweites Prestige, die Eintrittskarte in das Netzwerk der Städte des Fairen Handels, sowie die finanzielle und technische Förderung eines Kooperationsprojektes bei einem Städtepartner in einem ‚Entwicklungsland‘.“ Erste Titelträgerin wurde 2018 nach einer spannenden und knappen Endausscheidung die belgische Stadt Gent.

https://www.dielinke-europa.eu