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ARCHIV

Nr.2/2020, S.24

rechte provokationen – demokratische antworten

Für den 28./29.3.2020 war die Durchführung der Jahrestagung des Herausgabekreises der Zeitschrift „Politische Berichte“, des „Vereins für Bildung, linke Kritik und Kommunikation“ in Mannheim vorgesehen, zu der Gerd Wiegel als Referent eingeladen war. Die Jahrestagung musste wegen der Corona-Pandemie verschoben werden. Wir freuen uns deshalb besonders, dass Gerd Wiegel seinen Beitrag als Artikel für die „Politischen Berichte“ veröffentlicht.

Gegen völkischen Nationalismus und Nazi-Propaganda der AfD

Gerd Wiegel, Berlin

Charakterisierung des inhaltlichen Kerns der AfD

Die AfD hat im Laufe ihrer inzwischen siebenjährigen Geschichte eine ganze Reihe von inhaltlichen Wandlungen erfahren, die die Partei deutlich verändert haben. Die Geschichte der AfD ist bis heute eine Geschichte der Radikalisierung und der immer deutlicheren Öffnung hin zur extremen Rechten. Dennoch handelt es sich nicht um eine Geschichte von Brüchen, sondern zentrale Elemente der heutigen AfD begleiten die Partei von Anfang an.

Eine rabiate Form des Nationalismus kann sicherlich als ein Wesenskern der Partei ausgemacht werden. Die durch den US-Präsidenten Trump bekanntgewordene Forderung „America first!“ ist auch Leitspruch der AfD von Beginn an: „Deutschland zuerst!“ – auf diese Formel konnte sich schon die alte Lucke-AfD einigen, die ja im Zuge der Bewältigung der Finanzmarktkrise 2008/2009 und der sich anschließenden Euro-Krise, verbunden mit der „Rettung“ Griechenlands entstanden ist. Damals war das einigende Band der Partei die Verweigerung jeder Form europäischer Solidarität und das Beharren auf einem deutschnationalen Standpunkt – noch über die ohnehin unsolidarische und von Deutschland dominierte Eurorettungspolitik der damaligen Bundesregierung hinaus.

Diese Form eines Wirtschaftsnationalismus war von Anfang an offen für Formen der ethnischen und rassistischen Begründung, die spätestens ab 2015 und der stark ansteigenden Fluchtbewegung nach Europa und Deutschland zentral wurde. Die völkischen Nationalisten in der Partei meldeten sich jetzt deutlicher zu Wort und konnten in zahlreichen Ländern 2015 und 2016 spektakuläre Wahlerfolge in den Bundesländern feiern. Völkischer Nationalismus, d.h. die ethnisch/rassistische Definition der Nation und daraus folgend die klare Grenzziehung gegenüber denen, die aus dieser Nation hinausdefiniert werden, ist seitdem zentraler ideologischer Bezugspunkt der AfD geworden.

Nach wie vor finde sich unterschiedliche politische Lager in der Partei – Wirtschaftsliberale, völkische Nationalisten, fundamentalistische Antifeministen. Einigendes Band ist aber eine Form des (völkischen) Nationalismus, die alle gesellschaftspolitischen Probleme letztlich auf das Thema Zuwanderung zurückführt. Egal welche Themen z.B. im Bundestag aufgerufen werden, von der Bildungspolitik bis zum Thema Mieten, die AfD führt letztlich alles auf das Thema Zuwanderung zurück und legt damit nahe, dass sich alle realen Probleme im Land über die Verhinderung jeder Form von Zuwanderung lösen ließen.

AfD und Rechtsterrorismus

Seit dem rechtsterroristischen Anschlag von Hanau, bei dem ein rassistische motivierter Täter neun Menschen mit Migrationshintergrund und später seine eigene Mutter erschoss, wird über die Mitverantwortung der AfD für diese Tat öffentlich geredet.

Anders als „Der dritte Weg“ oder die NPD ist die AfD keine offen neofaschistische Partei, die sich selbst als parlamentarischer Arm des militanten Neofaschismus sieht. Formal grenzt man sich hier deutlich von Gewalt ab und verurteilt solche Anschläge. Dennoch werden immer lauter Fragen nach der Verantwortung der AfD für die erkennbare Zunahme rechtsterroristischer Taten gestellt, die mit dem Mord an Walter Lübcke, dem antisemitisch motivierten Anschlag von Halle und schließlich der Tat von Hanau eine Blutspur rechten Terrors hinterlassen haben.

Rechtsterrorismus begleitet die Geschichte der Bundesrepublik von Beginn an. Er gedeiht jedoch besonders gut in einem gesellschaftspolitischen Klima, in dem sich Täter und Täterinnen als Vollstrecker eines vermeintlichen „Volkswillens“ wähnen können, die das umsetzen, was viele wollen, sich aber nicht zu tun trauen. Für das Verständnis des Rechtsterrorismus des NSU ist die eskalierende rechte Gewalt der frühen 1990er Jahre von großer Bedeutung, weil das spätere Kerntrio und sein Umfeld in genau dieser Zeit politisch sozialisiert wurde.

Die von der AfD betriebene und oben skizzierte Politik eines völkischen Nationalismus bleibt nicht ohne Auswirkung auf das gesellschaftspolitische Klima im Land. Wenn bestimme Bevölkerungsgruppen systematisch und pauschal als gefährlich, als potenzielle Verbrecher, als Betrüger und Schmarotzer dargestellt werden, wenn Regierung und Eliten vorgeworfen wird, eine systematische „Umvolkung“, einen Austausch der Bevölkerung zu planen und wenn von Parteien wie der AfD, ihrem medialen Umfeld oder von einer Bewegung wie Pegida zum „Widerstand“ gegen diese Politik aufgerufen wird, weil sonst die eigene Auslöschung bevorstehe, dann handelt es sich hier um eine Beförderung und Legitimierung rechten Terrors. Wer sich etwa die Schriften eines Björn Höcke ansieht und hier von den ‚unvermeidbaren Härten und unschönen Bildern‘ liest, die bei der ‚Rückführung der Ausländer‘ entstehen werden, kann sich bei entsprechender Disposition zur Tat aufgefordert fühlen.

Die AfD hat also zentrale Verantwortung für ein in Teilen zunehmend aggressives, ausgrenzendes und gewalttätiges Klima im Land. Insofern gibt es eine Verbindung des grassierenden Rechtsterrorismus zur AfD.

Dammbruch in Thüringen

Die Annäherung von AfD und Union ist eine Frage der Zeit – und auch der weiteren Entwicklung der AfD. Die Barrieren zur AfD wurden von Seiten der CDU merklich schwächer und die Gedankenspiele für mögliche konservative Mehrheiten rechts der politischen Mitte finden sich dort schon länger.

Dennoch waren die Ereignisse von Thüringen, die Wahl eines FDP-Ministerpräsidenten mit Stimmen von FDP, CDU und AfD, eine Überraschung. Denn immerhin handelt es sich in Thüringen um die rechts-radikalste Variante der AfD, mit der Führungsfigur der völkischen Rechten an der Spitze, Björn Höcke.

Das Ergebnis des Dammbruchs in Thüringen ist zwiespältig: Immerhin war der gesellschaftliche, mediale und politische Widerstand so groß, dass FDP und CDU innerhalb weniger Tage zurückrudern mussten. Der CDU hat es die Vorsitzende gekostet und der FDP die ohnehin geringe Glaubwürdigkeit genommen. Eine Folgerung aus Thüringen könnte also sein, dass die Kosten für ein solches Experiment zu hoch sind.

Auf der anderen Seite gibt es unverkennbare Schnittmengen von Union und AfD. Familienpolitisch, in der Bildungspolitik, wirtschaftspolitisch und auch in Teilen der Migrationspolitik. Horst Seehofer war es, der von der Migration als „Mutter aller Probleme“ gesprochen hat und damit die zentrale Botschaft der AfD legitimierte. Gerade in den Bundesländern und hier noch einmal verstärkt in Ostdeutschland gibt es diese Nähe von CDU und AfD und es wird weitere Versuche geben, sie auch politisch für Mehrheiten nutzbar zu machen.

Linke Aufgabe muss es deshalb sein, die Hürden für eine solche Zusammenarbeit hoch zu halten und sie möglichst noch zu erhöhen. Dem dienen z.B. die Hinweise auf die personellen und organisatorischen Verbindungen der AfD zur extremen Rechten, auf den Geschichtsrevisionismus, den Antisemitismus und den völkischen Rassismus der AfD.

Breite Mobilisierungen gegen die AfD und die gesellschaftliche Ächtung der von dieser Partei betriebenen ausgrenzenden Politik sind auch ein Mittel, um ein schnelles Zusammengehen von AfD und CDU und damit rechte politische Mehrheiten zu verhindern.

Umgang mit den Wählern der AfD

Nach wie vor ist die AfD eine heterogene Partei, die ganz unterschiedliche Wählergruppen anspricht. Gestartet als bürgerliche „Professorenpartei“ mit einem klar nationalistischen und wirtschaftsliberalen Programm für die besserverdienende gehobene Mittelschicht hat sie sich immer mehr auch zur Wahlpartei für sozial weniger privilegierte Klassen der Gesellschaft entwickelt.

Vor allem seit der rassistischen Zuspitzung in der Migrationsfrage durch die AfD hat die Partei auch Erfolge bei abhängig Beschäftigten in sozialen Lagen, die von ihrer Situation her klassische Wähler und Wählerinnen linker Parteien wären. Der AfD ist es hier in Teilen gelungen, das Thema Migration als eines der Konkurrenz um Arbeit, Wohnen und die ohnehin immer geringeren Formen der sozialen Teilhabe und Umverteilung darzustellen.

Dieser Teil der Wählerschaft der AfD, der in Teilen schon einmal links (SPD oder Linke) gewählt hat und jetzt zur AfD übergegangen ist, ist der aus linker Sicht interessanteste. Hier lohnt es sich darüber nachzudenken, ob und wie man diese Menschen für eine solidarische Klassenpolitik unten gegen oben (zurück)gewinnen kann.

Ungeeignet erscheint dafür eine Politik, die bei zentralen Punkten der AfD, so etwa bei der Frage Flucht und Migration, Zugeständnisse macht. Aller Erfahrungen aus den europäischen Nachbarländern zeigen, dass man damit langfristig vor allem die Rechten stützt und gleichzeitig zentrale eigene Inhalte über Bord wirft und Stammwähler/innen verliert. Erfolgversprechender könnte eine radikale, aber alltagstaugliche Thematisierung sozial-ökologischer Fragen sein, die an den konkreten Alltagserfahrungen der Menschen ansetzt. Die Mietenpolitik in Berlin, vom Mietendeckel bis hin zur Enteignungsfrage, kann ein Beispiel dafür sein. Die Pflegekampagne der Linken, weit vor Corona, ist ein anderes Beispiel.

Mit Blick auf dieses (schmale) Segment der AfD-Wähler/innen geht es um klare Positionen (auch in der Migrationsfrage) verbunden mit klaren Angeboten für eine inklusive Gesellschaft, die nicht unten gegen unten, sondern unten gegen oben mobilisiert.

Abb. (PDF): https://kommunalinfo-mannheim.de/2020/04/11/kim-tv-was-tun-gegen-voelkischen-nationalismus/

Eingangsbild des etwa einstündigen Videos der Linken Mannheim in Zusammenarbeit mit dem Kommunalinfo Mannheim: „Nach dem Dammbruch von Thüringen und den Morden von Hanau – Was tun gegen den völkischen Nationalismus und die Nazi-Propaganda der AfD?“. Im Gespräch mit Dr. Gerd Wiegel (Referent für Rechtsextremismus und Antifaschismus, Fraktion die Linke im Bundestag), Gökay Akbulut, MdB die Linke, (Sprecherin Migration und Integration der Fraktion), Hanna Böhm (Die Linke im Gemeinderat Mannheim, Kreissprecherin die Linke Mannheim), Dennis Ulas (Moderation, Co-Kreissprecher die Linke Mannheim). – Das Video ist ein Ersatz für eine für den 27.3.2020 geplante, wegen Corona ausgefallene Veranstaltung der Linken in Mannheim.