Aus Politische Berichte Nr. 04/2019, S.24 • InhaltsverzeichnisPDFPB-Archiv

Gegen politische Zensur und die Einschränkung der Meinungsvielfalt – Für die Aufhebung des Verbots der Medienhäuser Mezopotamien Verlag und MIR Musikvertrieb (Neuss)

politische berichte- redaktion: Die Politischen Berichte hatten im März letzten Jahres die Solidaritätserklärung für den kurdischen Mezopotamien-Verlag abgedruckt; bei dem Verlag waren bei einer dreitägigen Hausdurchsuchung LKW- und tonnenweise sämtliche Bücher abtransportiert worden waren. Jetzt informiert das Antiquariat Markov, das damals die Solidaritätsaktion organisierte, über neue Schritte: „Im Februar dieses Jahres hat der Bundesinnenminister nun den Verlag verboten, ebenso wie den MIR Musikvertrieb, der an der gleichen Adresse ansässig war. Anlässlich der Leipziger Buchmesse initiierte der Unrast Verlag darum eine neue Solidaritätserklärung, die bald veröffentlicht werden soll. Eine ganze Reihe an Unterschriften konnte auf der Messe schon gesammelt werden. Wir würden uns sehr freuen, wenn Ihr / Sie auch diesmal unterschreibt. Bitte schickt Eure / schicken Sie Ihre Unterschrift einfach per Antwort-mail an: info@antiquariat-markov.de. Es ist auch ein Solidaritätsprojekt in Planung, das bis zur Frankfurter Buchmesse einige der deutschsprachigen Titel des Mezopotamien Verlags wieder verfügbar machen soll.“

Im Folgenden Auszüge aus der Solidaritätserklärung:

Am 12. Februar wurden die Räumlichkeiten des in Neuss ansässigen Mezopotamien Verlags und des benachbarten MIR Musikvertriebs erneut von Zoll und Polizei heimgesucht. Die gesamte Einrichtung und das vollständige Medienlager, sowie das gemietete Gebäude und das Grundstück wurden beschlagnahmt und in das Eigentum des Innenministeriums überführt. Vorausgegangen war eine vereinsrechtliche Verbotsverfügung der beiden kurdischen Medienunternehmen durch den Innen- und Heimatminister Horst Seehofer. Darin wird unterstellt, dass beide Unternehmen Organisationen der in Deutschland seit 1993 verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) seien.

Bereits am 8. März des vergangenen Jahres war der Mezopotamien Verlag Ziel einer drei Tage andauernden Hausdurchsuchung.

Bereits im letzten Jahr kritisierte das PEN-Zentrum Deutschland das „rabiate Vorgehen“ und äußerte den naheliegenden Verdacht, dass „das Verfahren im Interesse der türkischen Regierung angestoßen wurde“. Die Repression im vergangenen Jahr gegen die beiden kurdischen Medienhäuser fand nur wenige Wochen vor den Präsidentschaftswahlen in der Türkei statt, was einen solchen Verdacht natürlich nahelegte. Weiter heißt es in der Stellungnahme des PEN-Zentrums: „Die Meinungs- und Publikationsfreiheit ist unabdingbare Grundlage unserer freiheitlichen, demokratischen Gesellschaft in Deutschland und verträgt nicht die geringsten Verdachtsmomente der Einschränkung.“

Das aktuelle Verbot der beiden kurdischen Medienhäuser liegt wiederum nur wenige Wochen vor den für Erdogan so wichtigen Kommunalwahlen, die am 31. März stattfinden. Auch hier liegt ein Zusammenhang auf der Hand. Die oppositionellen kurdischen Stimmen in Deutschland sollen zum Verstummen gebracht werden. Erdogan hat das im vergangenen Jahr mehrfach öffentlichkeitswirksam von der Bundesregierung gefordert. So spielen neben den eigenen Interessen im Zusammenhang mit diesem Verbot auch die der türkischen Regierung eine Rolle.

Wir erklären uns solidarisch mit den von der Hausdurchsuchung und dem Verbot betroffenen Kolleginnen und Kollegen. Der Mezopotamien Verlag veröffentlicht in verschiedenen Sprachen Literatur zur kurdischen Geschichte, zur kurdischen Sprache und auch zahlreiche Schriften zu Idee und Praxis des demokratischen Konföderalismus. Darüber hinaus Romane, Kinder- und Jugendbücher, Gedichtsammlungen, Wörterbücher und Lehrbücher.

Keines dieser Bücher ist auch nur ansatzweise in der Vergangenheit straf- oder zivilrechtlich beanstandet oder gar verboten worden. Auch heute richtet sich das Verbot des Verlages nicht gegen die veröffentlichten Medien und dennoch sind sie tonnenweise beschlagnahmt worden. Das ist politische Zensur „durch die Hintertür“. Es ist offensichtlich, dass juristisch nicht zu beanstandende Bücher, Broschüren und CDs aus politischen Erwägungen mit einem vereinsrechtlichen Konstrukt aus dem Verkehr geschafft und der kritischen Öffentlichkeit vorenthalten werden sollen. Das ist ein nicht hinnehmbarer Eingriff in die grundgesetzlich geschützte Presse- und Publikationsfreiheit.

Wir als Medienschaffende im deutschsprachigen Verlags- und Buchhandel fordern also folgerichtig die Aufhebung der Verbotsverfügung und selbstverständlich die Rückgabe aller beschlagnahmten Medien.

Wir fordern, die demokratischen Grundrechte der Versammlungs-, Meinungs-, Presse- und Publikationsfreiheit in Deutschland unabhängig von politischen Interessen als ganz besonders schützenswerte Grundwerte zu wahren.