Politische Berichte Nr. 5/2020 (PDF)11a
Aus Kommunen und Ländern

Grüne im Aufschwung, CDU gefestigt. SPD und Linke sind Verlierer derKommunalwahl in NRW

Köln: Statt Schwarz-Grün – jetzt Grün-Schwarz?

dok: Wahlanalyse von Peter Heumann und Wolfgang Freye für das kommunalpolitische forum nrw (Auszug, vorab)

Grüne im Aufschwung, CDU gefestigt. SPD und Linke sind Verlierer der Kommunalwahl in NRW

Wolfgang Freye, Essen

Die Grünen sind der eindeutige Wahlsieger in NRW, sie haben in einigen Großstädten die SPD überholt und stellen das erste Mal in mehreren Großstädten die Oberbürgermeister*innen, darunter Aachen, Bonn und Wuppertal. In Köln wurde die von Grünen und CDU unterstützte Henriette Reker wiedergewählt. Dieser Sprung ist umso bemerkenswerter, als die Grünen bei der Landtagswahl 2017 Mühe hatten, in den Landtag zu kommen und mit gerade einmal 6,03 % schlecht abschnitten.

Ebenso als Wahlsieger der Kommunalwahl fühlt sich die CDU, obwohl sie 3,2 % verlor und das schlechteste Ergebnis bei einer Kommunalwahl verzeichnen muss. Immerhin, sie hat gerade im Ruhrgebiet Boden gemacht und stellt mehr Oberbürgermeister und Landräte und sie hat sich in einer viel breiter aufgestellten Parteienlandschaft behauptet.

Eindeutige Wahlverlierer gibt es auch, und das ist zunächst die SPD. Landesweit ist sie in ihrem jahrzehntelangen „Stammland“ nur noch knapp vor den Grünen. Selbst bei der ersten Direktwahl des Ruhrparlaments, der Verbandsversammlung des Regionalverbandes Ruhr (RVR) lag sie mit 29,38 % nur knapp vor der CDU, die 27,18 % erhielt. Entsprechend kam es innerparteilich nicht gut an, dass SPD-Landesvorsitzender Sebastian Hartmann in einer ersten Stellungnahme zu den Verlusten von über 7 % die „Talsohle“ für seine Partei überwunden sah. Streit ist vorprogrammiert. Bei der Neuwahl des Landesvorstandes im Dezember will der SPD-Fraktionsvorsitzender im Landtag, Thomas Kutschaty, gegen Hartmann antreten.

Ebenfalls zu den Verlierern der Kommunalwahl gehört Die Linke. Während sie bei der Kommunalwahl 2014 mit + 0,33 % noch leicht zulegen konnte – obwohl die kurze, zweijährige Landtagsepisode der Partei Die Linke. NRW schon 2012 zu Ende war – verlor sie absolut betrachtet knapp 50 000 Wähler*innen, mehr als jede*n 7. Wähler*in. Von den 164 Mandaten in den kreisfreien Städten und Landkreisen blieben noch 135. Eine vollständige Übersicht über die kreisangehörigen Gemeinden und Bezirksvertretungen liegt noch nicht vor, das Bild dürfte jedoch ähnlich sein.

Dabei gibt es zum Teil erhebliche Unterschiede bei den Wahlergebnissen, die deutlich machen, dass oft lokale Gründe eine große Rolle spielen. In einzelnen Orten wie Iserlohn konnte Die Linke zulegen, ebenso in Bonn und den Landkreisen des Braunkohlengürtels. In Städten wie Bonn und Bochum konnte sie die Ergebnisse halten. Und auch in der Millionenstadt Köln ist der Verlust von 0,5 % auf 6,5 % überschaubar, wenn man berücksichtigt, dass dort wie in anderen Großstädten erhebliche linke Konkurrenz von VOLT, die aus dem Stand über 5 % erhielt, und der Partei Die PARTEI zu verzeichnen war.

Die Linke verlor nicht nur auf dem Land, sondern in Großstädten

Insgesamt ist das Ergebnis aus zwei Gründen mehr als ernüchternd:

1. Die Verluste der Partei Die Linke sind vor allem Verluste in den Großstädten des Ruhrgebiets. Dort verlor sie im Schnitt 1,2 % der Wählerstimmen, also das eineinhalbfache des landesweiten Durchschnitts. Mit anderen Worten: Auf dem Land, wo sie immer schwach war, verlor Die Linke, in den Großstädten an der Ruhr verlor sie jedoch noch mehr, bis hin zu 2,8 % in Oberhausen, 2,1 % in Herne oder 1,4 % in Essen.

2. Die kommunale Basis der Partei Die Linke, die in NRW mit mehreren hundert Mandatsträger*innen gar nicht so klein war, schrumpft. Das Wahlergebnis hat mit unter 4 % eine Größenordnung erreicht, die einen Einzug in den nächsten Landtag noch schwieriger macht. 2017 scheiterte Die Linke denkbar knapp mit 4,9 %. Überträgt man das Kommunalwahlergebnis, so hatte sie die 5 %-Hürde 2014 in 19 von 54 Kreisen und kreisfreien Städten „gerissen“, diesmal nur noch in 7.

Es gibt also viel Grund, sich mit den Ursachen des Wahldesasters auseinanderzusetzen. Stattdessen gab es auf dem Landesparteitag wieder Diskussionen, wie es sie in NRW seit 20 Jahren gibt: Die Linke müsse mehr Kraft in die außerparlamentarische Arbeit setzen, Mandate auch in kommunalen Gremien seien gar nicht so wichtig und eher etwas für „realpolitische Gartenzwerge“. Fest steht: Geht die Entwicklung so weiter, hat Die Linke immer mehr Gelegenheit zum Kampf auf der Straße … allerdings. Die Wirksamkeit, Interessen zu verfolgen und mit eigenen Initiativen in die kommunalen Entscheidungsgremien zu bringen, wird auch erheblich schrumpfen.

Weitere Verluste in „sozialen Brennpunkten“

Durchgängig kann man sagen, dass Die Linke in allen Großstädten weiter in den Stadtteilen mit großen sozialen Problemen verloren hat. Dabei handelt es sich gleichzeitig um die Stadtteile mit niedriger Wahlbeteiligung. Die Wahlbeteiligung ist insgesamt zwar etwas gestiegen, aber die Spaltung hat sich deutlich vergrößert. In Essen lag sie nach Kommunalwahlbezirken (Wahlkreisen) zwischen 30,0 % und 66,8 %, in Duisburg gab es z.B. auch Stadtteile mit einer Wahlbeteiligung von unter 20 % – der Wahlberechtigten, wohlgemerkt, die in diesen Stadtteilen wegen hoher Anteile von Nicht-EU-Bürger*innen oft weit unter der Einwohner*innenzahl liegt. Bei den Wähler*innen, die Die Linke 2009 und 2014 noch als Hoffnungsträger gewählt haben, hat sich oft Enttäuschung breit gemacht. Die Linke hat für sie nicht viel erreicht.

Diese Tendenz ist durch Zugewinne in den sogenannten urbanen Milieus, gerade auch unter jüngeren Leuten teilweise ausgeglichen worden, aber auch nur teilweise. Das wird deutlich an Zugewinnen in eher studentischen und akademisch geprägten Stadtteilen. Hier ist Die Linke oft in Konkurrenz zu den Grünen. Dabei ist auffällig, dass Die Linke sich in den Städten, wo die Grünen an der Mehrheitsbildung in der Stadt beteiligt waren tendenziell eher besser halten konnte. Das gilt für Bonn, Köln, Wuppertal und auch Münster. Im Ruhrgebiet ist dies übrigens in Bochum der Fall, der einzigen Stadt, in der sich Die Linke halten konnte. Auch hier ist es anscheinend so, dass im Zweifelsfall, wenn nicht andere Erfahrungen vorliegen, den Grünen mehr an Veränderungskraft zugetraut wird, als der Partei Die Linke.

Allgemein kann man sagen, dass eine konkrete, in der Stadtgesellschaft verankerte Interessenvertretungspolitik vor Ort der wichtigste Schlüssel für zumindest gehaltene Wahlergebnisse war – Wahlen werden nicht in Wahlkämpfen gewonnen, sondern in den Jahren vorher. Das gilt allerdings nicht für die Fälle, wo die Ergebnisse der Arbeit durch Streit nach außen negiert wurden – die gab es nämlich auch. Interessant ist im Ruhrgebiet z.B., dass das Wahlergebnis der Partei Die Linke für das Ruhrparlament im Schnitt unter dem für die Räte lag (4,1 % zu 4,3 %), in einigen Städten aber nicht. In Essen lag es z.B. 0,3 % über dem Ergebnis für den Rat, d.h. das Potential ist nicht ausgeschöpft worden.

Dass die AfD ihren Höhenflug in NRW nicht fortsetzen konnte, kann da nur wenig trösten. Im Ruhrgebiet lag sie zudem mit 6,8 % deutlich über dem Landesergebnis, bis hin zu 12,9 % in Gelsenkirchen, wo sie noch vor den Grünen liegt.