Politische Berichte Nr. 2/2021 (PDF)24
Diskussion – Dokumentation

Bundesparteitag Die Linke

Neue Parteispitze gewählt – Linkes Angebot als Alternative zur großen Koalition

Wolfgang Freye, Essen

Es war der erste komplett online durchgeführte Parteitag und dieses ungewohnte Format hat am 26. und 27.2.2021 gut funktioniert. Das ist ein Resümee, das man nach dem Bundesparteitag Die Linke ziehen kann. Lediglich die Wahlen zum Parteivorstand wurden hinterher durch eine Listen-Briefwahl der online gewählten Parteivorstandsmitglieder bestätigt, damit die Wahl rechtlich gilt. Die alte und neue Parteispitze der Partei Die Linke will ihren Beitrag dazu leisten, dass die große Koalition nach der Bundestagswahl von links abgelöst werden kann. An der Basis ist das aber hoch umstritten, das ist ein anderes Resümee, das man nach dem Parteitag ziehen kann.

Denn während Katja Kipping und Bernd Riexinger als scheidende und Janine Wissler und Susanne Henning-Welsow als neu gewählte Parteivorsitzende in unterschiedlichen Nuancen betonten, dass ein Regierungswechsel weg von der großen Koalition an der Partei Die Linke nicht scheitern wird und darf, setzte die Debatte um den Leitantrag am Freitag andere Akzente. Sie war geprägt von viel Kritik an Regierungsbeteiligungen, von dem Wunsch nach der „Verbindung mit den gewachsenen Bewegungen“, Kritik an „Cum-Ex-Scholz“ und radikalen Klimaschutzpositionen bestimmt. „Wir müssen Schluss machen mit dem Kapitalismus, oder der Kapitalismus macht Schluss mit der Menschheit“, führte z.B. Lorenz Gösta-Beutin (MdB) aus, in Anlehnung an ein bekanntes historisches Zitat.

Es gab nur wenige Beiträge, die versuchten, Brücken zwischen dem Anspruch einer „Partei der Bewegung“ und Regierungsbeteiligungen zu bauen. Die Erfahrungen aus Berlin, Thüringen und Bremen, die man ja auswerten könnte, spielten kaum eine Rolle. Das ist eigentlich schade und macht deutlich, dass Die Linke sich nach wie vor mit Antworten auf die aktuellen Herausforderungen schwertut. Immerhin beteiligten sich viele Kommunalpolitikerinnen und -politiker an der Debatte und brachten Erfahrungen ein, die zeigen: Vor Ort funktioniert die Zusammenarbeit mit gesellschaftlichen Kräften ganz gut und führt auch dazu, dass man reale Veränderungen durchsetzen kann.

Regierungsbeteiligung – aber wie?

Der vorher durch viele vom Parteivorstand übernommene und eingearbeitete Anträge überarbeitete Leitantrag „Wie wir gerecht aus der Krise kommen – Mit einem sozialen, friedlichen und ökologischen Systemwechsel“ wurde schließlich mit großer Mehrheit angenommen. In dem 25 A4-Seiten langen Papier, heißt es zu den Aufgaben der Linken bei den Wahlen:

„Die Linke geht entschlossen und kämpferisch in das kommende Wahljahr. Wir kämpfen auf allen Ebenen für eine Verschiebung der Kräfteverhältnisse nach links … Wir verteidigen in Thüringen unsere Position als stärkste Partei im Landtag und wir verteidigen den Linken-Ministerpräsidenten gegen die radikalisierte Rechte im Land. Wir wollen aus unserer Beteiligung an der Berliner Regierung gestärkt hervorgehen. Wir wollen einen Politikwechsel in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern …“

Zu den Bundestagswahlen zieht sich der Leitantrag jedoch weitgehend auf das Erfurter Programm zurück: „In unserem Erfurter Programm heißt es: ,Die Linke strebt dann eine Regierungsbeteiligung an, wenn wir damit eine Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen erreichen können … An einer Regierung, die Kriege führt und Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland zulässt, die Aufrüstung und Militarisierung vorantreibt, die Privatisierungen der Daseinsvorsorge oder Sozialabbau betreibt, deren Politik die Aufgabenerfüllung des öffentlichen Dienstes verschlechtert, werden wir uns nicht beteiligen.‘ Unsere Vorschläge für einen grundlegenden Politikwechsel liegen auf dem Tisch. Im Wahlkampf werben wir für unsere Inhalte und für eine starke Linke.“

Was diese Vorschläge nun genau sind, bleibt allerdings eher unkonkret.

Breite Zustimmung für neuen Bundesvorstand

Bei den Wahlen zum neuen Bundesvorstand gab es nicht viele Überraschungen. Janine Wissler wurde mit 84,2 % der Stimmen als Bundesvorsitzende gewählt, Susanne Hennig-Welsow mit 70,5 % der Stimmen.

Umstrittener waren die Ämter der stellvertretenden Vorsitzenden. Auf der quotierten Liste wurde im ersten Wahlgang nur die Berliner Landesvorsitzende, Katina Schubert, mit 52,5 % der Stimmen gewählt, im zweiten dann Martina Renner (MdB) und Jana Seppelt. Auf der unquotierten Liste wurden im ersten Wahlgang Ali Al Dailami und der bayerische Landesvorsitzende Ates Günpinar gewählt. Im zweiten Wahlgang setzte sich Tobias Pflüger (MdB) aus Baden-Württemberg gegen Matthias Höhn (MdB) aus Sachsen-Anhalt durch.

Matthias Höhn, der auch dem Forum demokratischer Sozialismus angehört, hatte im Vorfeld ein Papier zur Militärpolitik vorgelegt, in dem er sich u.a. für eine Stärkung der UNO zur Lösung internationaler Konflikte aussprach und in diesem Zusammenhang die strikte Ablehnung von Blauhelmeinsätzen durch Die Linke in Frage stellte. Diese Diskussion ist nicht neu, sondern wurde in der PDS ähnlich schon auf dem Parteitag in Münster im Jahre 2000 geführt. Statt solche Diskussionsansätze mit dem Bann des „Verrats“ zu belegen, wie im Vorfeld teilweise geschehen, wäre es sicherlich besser, sie sachlich zu führen. Der Partei Die Linke droht sonst die Gefahr, im politischen Stillstand zu verharren und neue Ansätze nicht zu erkennen

Als Bundesgeschäftsführer wurde Jörg Schindler mit 68,8 % wiedergewählt, als Bundesschatzmeister Harald Wolf mit 78,6 %.

Insgesamt ist der Vorstand deutlich jünger, bunter und westlicher geworden. Leserinnen und Lesern der „Politischen Berichte“ kennen wahrscheinlich Sabine Skubsch, Betriebsrätin und Gewerkschafterin aus Baden-Württemberg, die neu in den Parteivorstand gewählt wurde. Erfreulich ist, dass mehrere Mitglieder des Parteivorstand ausdrücklich auf dem „Ticket“ der Stärkung der Kommunalpolitik gewählt wurden. Dem entspricht es, dass der vor dem Parteitag von den scheidenden Vorsitzenden vorgelegte Entwurf des Bundestagswahlprogramms das erste Mal schon im Entwurf ausführliche Aussagen zur Stärkung der Kommunen enthält.

Offene Auseinandersetzungen

In Wahlumfragen hat der Parteitag keinen Schub nach oben gebracht, wie von manchen erhofft. Die Linke verharrt trotz der jüngsten, deutlichen Verluste bei den Unionsparteien in den meisten Umfragen bei 7 bis 8 % der Stimmen. Damit liegt sie unter dem letzten Bundestagswahlergebnis von 9,2 %.

Dass auch die alten Auseinandersetzungen, die seit Jahren schwelen, nicht gelöst sind, macht die Auseinandersetzung um die Spitzenkandidatur von Sahra Wagenknecht auf der Bundestagsliste in NRW deutlich. Vier Tage nach der Listenwahl, die am Wochenende nach Redaktionsschluss dieser Ausgabe der „Politischen Berichte“ stattfindet, erscheint offiziell ihr neues Buch. Es heißt „Die Selbstgerechten“ und setzt sich mit Fehlern der Linken aus Sicht von Wagenknecht auseinander. Auszüge daraus lassen befürchten, dass es eine weitere Abkehr vom Eintreten für eine offene, pluralistische und emanzipatorische linke Politik ist. Das stößt bei vielen auf wenig Gegenliebe und führt nicht nur im Landesverband NRW zu heftigen Diskussionen, aus denen Die Linke womöglich weiter geschwächt hervorgehen wird.