Politische Berichte Nr. 3/2021 (PDF)XX
Blick in die Medien

Landtagswahl Sachsen-Anhalt

Im Folgenden eine Zusammenstellung aus dem Wahlnachtbericht von Horst Kahrs, Rosa Luxemburg Stiftung, vom 7. Juni.

Die CDU ist mit einem Plus von 7,4 Prozentpunkten die klare Gewinnerin am Wahlabend. Sie gewinnt 40 der 41 Direktmandate. Haselhoff hatte sich im Landesverband, unter anderem gegen seinen ehemaligen Innenminister Stahlknecht, mit seiner Linie, jegliche Zusammenarbeit mit der AfD abzulehnen, durchgesetzt. Unter den CDU-Anhängern stieß diese „Brandmauer“ auf deutliche Zustimmung. Bundespolitisch ist der Sieg von Haseloff auch ein Sieg des Kanzlerkandidaten Armin Laschet.

Die AfD erleidet Verluste (–3,4%), bleibt aber insgesamt relativ stabil. Es wird kaum noch möglich sein, die Wahl der Partei, deren Landesverband zum rechtsradikalen Flügel der Bundespartei zählt, noch als politisch ungerichteten Protest zu verharmlosen. Ein wichtiges Wahlziel hat die Partei nicht erreicht: Die CDU bleibt die mit Abstand stärkste Partei.

Die kleineren Regierungsparteien und die linke Oppositionspartei mussten hoffen und hofften, dass die CDU stärker als die AfD bleiben würde.

Die SPD verlor erneut, erreicht mit einem einstelligen Ergebnis von 8,4% sächsisches und bayerisches Niveau. Für Olaf Scholz bedeutet das eine ordentliche Bruchlandung auf der Reise ins Kanzleramt.

Für die Grünen stellt der kleine Zugewinn von 0,7% tatsächlich eine herbe Niederlage dar. Sie bleiben die kleinste Partei im Landtag. Der bundesweite Höhenflug findet in Sachsen-Anhalt nicht statt, das Ziel, zweistellig zu werden, bleibt in weiter Ferne. Annalena Baerbock entfaltet ähnlich geringe Zugkraft wie Olaf Scholz.

Die FDP schafft mit 6,4% den sicheren Wiedereinzug in den Landtag nach zwei Legislaturperioden Abwesenheit.

Die Linke erlebte einen desaströsen Wahlabend und erleidet die größten Verluste aller Parteien (–5,4%). Sie erzielt mit 11% das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte in Sachsen-Anhalt.

Seitens der Bundespartei blieb bundespolitischer Rückenwind aus, nicht zuletzt wegen der langanhaltenden innerparteilichen Blockaden in wichtigen strategischen Fragen der programmatischen Erneuerung, aber auch weil in einem schrumpfenden Flächenland, in dem es lediglich zwei mittelgroße Städte mit mehr als 200000 Einwohnern gibt, das Konzept einer bewegungsorientierte Parteiarbeit sich nur schwertun kann.

Die aktuelle Schwäche der PDS/Linke in Ostdeutschland wuchs aus ihrem Erfolg. Sie verteidigte die „Lebensleistung“, die „Identität“ der ersten Generation der in der DDR Geborenen. Die Deutung der sozialen Verteilungs- und Anerkennungskonflikte als ein Konflikt zwischen „Wessis“ und „Ossis“ verlängerte die alten Systemkonkurrenz in Gegenwart und Zukunft. Die Deutung war und ist aber für alle, die ihren Platz in der neuen gesellschaftlichen Arbeitsteilung finden oder behaupten wollen, letztlich nicht mehr handlungsrelevant, hier: wahlentscheidend. Was würde sich auch ändern, wenn eine Handvoll Ostdeutscher mehr die geltenden Regeln, Gesetze, Herrschaftsverhältnisse exekutieren würde, unter denen man unzufrieden lebt? Der Erfolg der 1990er und 2000er Jahre verbaute der Partei den Zugang zu einer alternativen Deutung der innerstaatlichen Verteilungskämpfe. Diese Leerstelle entstand nicht über Nacht und hat ihre Ursachen nicht zuletzt in den innerparteilichen Blockaden zwischen verschiedenen Strömungen bzw. Parteiführung und Bundestagsfraktion. In die ideologische Leerstelle – Dietmar Bartsch wünschte sich kürzlich einen „neuen Marx“ – rückten die Rechten mit ihrer Ausdeutung von Oben und Unten als Konflikt, als Kampf der Elite gegen das (eigene) Volk.

Bedenklich für die kommenden Wahlkämpfe stimmt, dass die Partei nach eigener Auffassung ihre größte Aufmerksamkeit im Wahlkampf mit dem Remake-Plakat „Nehmt den Wessis das Kommando“ erzielte.

Ähnlich an Ressentiment-Abgründen entlang wandelten die Angriffe auf die Grünen bzw. die „unerträgliche Arroganz“ ihrer Kanzlerkandidatin gegenüber den Ärmeren, als diese meinte, der Benzinpreis müsse statt um 15 Cent um 16 Cent wegen der CO2-Bepreisung steigen. Auch hier drohen Brücken, die gerade in Richtung jüngere Generation geschlagen wurden, wieder gesprengt zu werden. Mit dem Wahlergebnis in Sachsen-Anhalt gerät die Partei noch tiefer als ohnehin in die Klemme zwischen notwendiger programmatischer und strategischer Erneuerung, Verjüngung und der für Wahlerfolge unverzichtbaren Wiedererkennbarkeit bei der weit größeren Gruppe der älteren Wählerinnen und Wähler.

Abb. (PDF): Wählerwanderung