Politische Berichte Nr.2/2022 (PDF)12b
... wir berichteten

Stuttgart 21 – ein Zwischenstand

Alfred Küstler, Stuttgart. Wir haben vielfach über das Bahnprojekt Stuttgart 21 berichtet, über die großen Protestaktionen vor allem im Jahr 2010, über die Volksabstimmung 2011, die eine Mehrheit für die Finanzbeteiligung des Landes am Bau ergab. Jetzt, ein Jahrzehnt nach diesen Ereignissen und fast dreißig Jahren nach Planungsbeginn, nähern sich erste Teile des Gesamtprojekts der Fertigstellung.

Mitte März war jetzt der erste Testzug mit voller Geschwindigkeit (275 km/h) auf der Strecke zwischen Ulm und Wendlingen unterwegs. Dieses Kernstück für die Fahrtzeitverkürzung bei der Eisenbahn zwischen Stuttgart und Ulm und weiter nach München soll zum Jahresende in den regulären Betrieb übergehen. Der Verkehrsminister Winfried Hermann, einst prominenter Gegner des Projekts, nahm mit Bahnvorstand Pofalla an der ersten Fahrt teil.

Der neue Tiefbahnhof in Stuttgart macht dagegen von sich zu reden, weil der Bahnaufsichtsrat erneute Kostensteigerungen auf jetzt fast zehn Milliarden Euro beschließen musste (bei Planung 2,5 Milliarden, bei Baubeginn 2010 4,5 Milliarden). Der Zeitplan für die Fertigstellung im Jahr 2025 soll laut Bahn AG gehalten werden können, wenn auch nur mit Anstrengungen. Die Tunnelstrecken in Stuttgart sind im Rohbau fertigstellt, ebenso eine neue Brücke über den Neckar. Was noch fehlt, ist ein neuer Abstellbahnhof, der aber nicht unbedingt zur Inbetriebnahme der Gesamtstrecke nötig sei.

Der geplante Bahnhof am Flughafen Stuttgart wird ebenfalls nicht zum Fahrplanwechsel 2025/26 fertig sein. Die ursprüngliche Planung war als zu klein kritisiert worden, außerdem soll die Bahnstrecke von Zürich-Bodensee-Stuttgart dort eingeschleift werden. Umfangreiche neue Planungen waren und sind daher nötig, die bisher nicht abgeschlossen sind.

Dazu kommt der Streit zwischen der Stadt Stuttgart und dem Land Baden-Württemberg über die sogenannte Gäubahn-Trasse. Über diese verläuft bisher die Zugstrecke nach Zürich, ein Genuss für Liebhaber der Eisenbahnromantik (mit vielen Aussichtspunkten aufs Stadtgebiet von oben), aber eben mitten durch Wohngebiete, in denen die Stadt bereits auf Nachnutzungen spekuliert. Außerdem müsste dann doch wenigstens ein Gleis des bisherigen Kopfbahnhofs erhalten werden, was ebenfalls den Bauplänen der Stadt zuwiderläuft.

Das große Engagement zahlreicher Menschen für oder gegen das Projekt ist erloschen und die üblichen bürokratischen Planverfahren laufen ab.

Im vorläufigen Rückblick war die Volksabstimmung über das Projekt zwar viel zu spät, aber doch das geeignete Verfahren, um eine so große Umwälzung der Infrastruktur einer Stadt und Region zur Entscheidung zu bringen.