Politische Berichte Nr.3/2022 (PDF)10
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Aktionen/Initiativen, Thema: Preissteigerung/Armut/Sozialpolitik

01 Hohe Energiepreise: Paritätischer kritisiert unzureichende Entlastung
02 Den Ärmsten muss jetzt dauerhaft geholfen werden
03 AWO: Entlastungen nach Gießkannenprinzip nicht die richtige Strategie
04 Soziales Klimageld: BUND und Paritätischer fordern rasche Einführung
05 Kindergrundsicherung: Für einen echten Systemwechsel!
06 Mieterbund kritisiert geplante Inflationsanpassung bei Vonovia
07 Zwei Jahre Corona, steigende Preise – Immer mehr Menschen geraten in die Schuldenfalle
08 Energie-Existenzminimum sichern!

Thorsten Jannoff-dok, Gelsenkirchen, Zusammenstellung

01

Hohe Energiepreise: Paritätischer kritisiert unzureichende Entlastung

www.der-paritaetische.de Angesichts der aktuellen massiven Preissteigerungsraten kritisiert der Paritätische Wohlfahrtsverband die heute vom Bundeskabinett im Rahmen des sogenannten Entlastungspakets beschlossenen Hilfen für einkommensschwache Haushalte als völlig unzureichend. Statt einer Einmalleistung sei eine deutliche Anhebung der Regelsätze für Leistungen der Mindestsicherung wie Hartz IV um monatlich mindestens 200 Euro nötig. Der Paritätische weist darauf hin, dass nicht nur die Energiekosten, sondern auch die Preise für Lebensmittel in den vergangenen Monaten außergewöhnlich stark angestiegen sind, während die Hartz-IV-Regelsätze zu Jahresbeginn um gerade einmal 0,7% erhöht wurden. „Arme Menschen dürfen nicht länger mit unzureichenden Einmalzahlungen vertröstet werden, sondern brauchen spürbare und dauerhafte Unterstützung in ihrer Not. Neben einer dauerhaften und spürbaren Anhebung der Regelsätze in der Grundsicherung brauche es auch eine Ausweitung von Wohngeld und BaföG, damit mehr Menschen wirksam erreicht und entlastet werden. Der zuletzt beschlossene einmalige Heizkostenzuschuss werde zudem in der Höhe absehbar kaum ausreichen, um die Preisentwicklungen in diesem Jahr aufzufangen. Auch hier braucht es eine nachhaltige und dauerhafte Lösung in Form einer echten Klimakomponente, fordert der Verband.“

02

Den Ärmsten muss jetzt dauerhaft geholfen werden

www.sovd.de Rekordinflation und dramatische Preisanstiege für Energie und Lebensmittel treffen Rentner*innen, Transferleistungsbeziehende, Geringverdienende und Erwerbsminderungsrentner*innen schon jetzt besonders hart. Das zeigt sich vor allem, wenn man den Preisanstieg in Relation zum Haushaltseinkommen setzt. SoVD-Präsident Adolf Bauer ist besorgt: „Wer schon vor dem Krieg gerade so über die Runden gekommen ist, weiß heute nicht, wovon er am Ende des Monats leben soll. Das belegt nicht zuletzt auch die stark gestiegene Nachfrage bei den Tafeln. Die Entlastung derer, die durch die Preisentwicklung in Relation zum verfügbaren Einkommen am höchsten belastet sind, muss zielgerichtet und nachhaltig sein.“ Der SoVD begrüßt daher die Vorschläge für eine Erhöhung der Regelsätze und ein soziales Klimageld, das alle kleinen und mittleren Einkommen erreicht – also auch Rentner*innen und Arbeitslose. „Bis dahin brauchen wir einen sofortigen monatlichen Zuschlag von 100 Euro für alle Grundsicherungsbeziehenden, ein weiteres Entlastungspaket speziell für Rentnerinnen und Rentner, sowie die schnellstmögliche Umsetzung der Mindestlohnanhebung auf 12 Euro“, so Bauer.

03

AWO: Entlastungen nach Gießkannenprinzip nicht die richtige Strategie

www.awo.org Angesichts der rekordhohen Inflationsrate fordert die Arbeiterwohlfahrt ein radikales Umdenken in der Armuts- und Energiepolitik. Dazu erklärt Michael Groß, Präsident der Arbeiterwohlfahrt: „Die Inflation trifft auf eine zutiefst ungleiche Gesellschaft, in der viele Menschen in Armut leben und derzeit durch die steigenden Lebenshaltungskosten in existenzielle Not geraten. Die momentanen Teuerungen belasten armutsbetroffene Haushalte relativ mehr, sie müssen einen immer höheren Anteil ihres Haushaltseinkommens u.a. für Warmmiete, Strom, Mobilität und Lebensmittel aufbringen. Hinzu kommen die sozialen Folgen von Corona. In der Summe entstehen finanzielle Mehrbelastungen, die für ärmere Haushalte nicht mehr tragbar sind. Die aktuelle Situation muss daher zum Anlass genommen werden, um das Sicherheitsversprechen des Sozialstaates kurzfristig wie langfristig zu erneuern. Wir erwarten, dass die Sozialpolitik auf diesen Preisschock bedarfsgerecht reagiert! Kathrin Sonnenholzner, Präsidentin der Arbeiterwohlfahrt, ergänzt: „Die kurzfristigen Entlastungsmaßnahmen zeigen den richtigen Willen, soziale Härten abzufedern. Aber Stückwerk und Entlastungen nach dem Gießkannenprinzip sind langfristig gesehen keine Strategie für die zwingend gebotene sozial-ökologische Transformation. Wenn die Klimawende verpasst, alle Menschen mitzunehmen, steigt in den kommenden Jahren das Risiko einer sozialen Spaltung. Wir brauchen als Gesellschaft eine gerechte, sozial-ökologische Wende. Denn die Klimakrise ist eine zutiefst soziale Frage – das zeigt sich im Moment ganz deutlich. Effektiver Klimaschutz ist also schon sozialpolitisch geboten. Wir müssen gleichzeitig die Verteilungswirkung der Instrumente und Maßnahmen genau in den Blick nehmen. Wir appellieren deshalb an die Politik, die Armutspolitik an diese neuen Realitäten anzupassen.“

04

Soziales Klimageld: BUND und Paritätischer fordern rasche Einführung

www.der-paritaetische.de In der aktuellen Debatte um ein Klimageld fordern der Paritätischer Gesamtverband und der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) die zügige Einführung eines Klimageldes, mit dem Haushalte gezielt und wirksam entlastet werden. Anlässlich der Vorschläge von Bundesminister Heil zur Einführung eines gestaffelten Klimageldes ab dem nächsten Jahr kommentieren der Paritätische Wohlfahrtsverband und der Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) gemeinsam. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer Paritätischer Gesamtverband: „Die Preise für Energie und Lebensmittel schießen derzeit durch die Decke und bringen ärmere Haushalte an den Rand der Verzweiflung. Umso wichtiger für die gelingende ökologische Wende ist ein wirksamer sozialer Ausgleich klimapolitischer Maßnahmen. Ein einkommensabhängiges Klimageld wirkt zielgenau, weil es diejenigen entlastet, die wirklich Entlastung brauchen, und ist deshalb sozialpolitisch und ökologisch das richtige Signal.“ Dabei sei klar, dass ein solches Klimageld die Erhöhung der Leistungen in Hartz IV und Altersgrundsicherung nicht ersetzen könne, betonte Ulrich Schneider. „So richtig der von Hubertus Heil vorgeschlagene Ansatz für ein Klimageld ist, so wichtig bleibt davon unabhängig die armutsfeste Ausgestaltung des Bürgergeldes“, so Schneider weiter.

05

Kindergrundsicherung: Für einen echten Systemwechsel!

www.dksb.de Die Ampelkoalition hat sich im Koalitionsvertrag auf die Einführung einer Kindergrundsicherung verständigt. Dieses Vorhaben begrüßt das Bündnis Kindergrundsicherung ausdrücklich, stellt jedoch in seiner heute veröffentlichten Stellungnahme klare Anforderungen zur Ausgestaltung. Die Kindergrundsicherung ist eine grundlegende Reform, die Umsetzung muss sich an den großen Zielen Bekämpfung der Kinderarmut und Stärkung von Familien messen lassen. Eine Beteiligung aller relevanter Akteure am Vorbereitungs- und Umsetzungsprozess muss gewährleistet sein. Der aktuell diskutierte Sofortzuschlag kann dabei nur eine Übergangslösung sein, bei der Höhe und dem Kreis der Anspruchsberechtigten muss aber noch kurzfristig nachgesteuert werden. In seiner Stellungnahme betont das Bündnis, dass die Kindergrundsicherung so ausgestaltet sein muss, dass sie Kinder tatsächlich aus der Armut holt, viele Leistungen bündelt sowie gleichzeitig automatisch und unbürokratisch jedes Kind erreicht. „Kinderarmut bekämpft man auch mit Geld. Deshalb wird es auch maßgeblich von der Höhe der Kindergrundsicherung abhängen, ob sie Kinder aus der Armut holt. Die im Ampel-Koalitionsvertrag verankerte Neuberechnung des kindlichen Existenzminiums ist daher entscheidend. Die kindlichen Bedarfe müssen besser abgedeckt werden als bisher. Die Neuberechnung des kindlichen Existenzminimums darf nicht nach Kassenlage erfolgen“, so Heinz Hilgers, Präsident des Kinderschutzbundes und Bündnis-Koordinator.

06

Mieterbund kritisiert geplante Inflationsanpassung bei Vonovia

www.mieterbund.de Der Deutsche Mieterbund (DMB) zeigt sich entsetzt über die mediale Mieterhöhungsankündigung von Deutschlands größtem Immobilienkonzern Vonovia. „Dass Mieterinnen und Mieter für den eingebrochenen Aktienkurs von Vonovia und höhere Zinsen am Kapitalmarkt herhalten müssen, zeigt, dass die Geschäftsmodelle börsennotierter Wohnungskonzerne unsozial und spekulativ sind“, kommentiert der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, die Presseberichte zur Inflationsanpassung der Mieten durch Vonovia. Die Wohnkostenkrise in Deutschland spitzt sich immer mehr zu. Die Mieten steigen während der Corona-Pandemie ungebremst weiter, trotz nur langsam wieder in Schwung kommender Wirtschaft. Große Wohnungskonzerne konnten ihre Mieteinnahmen trotz dieser historischen Krise zum Teil deutlich steigern und üppige Dividenden an ihre Aktionäre ausschütten. Allein die Vonovia SE, Deutschlands größter Immobilienkonzern mit rund 565 000 Wohnungen, hat im Pandemie-Jahr 2021 rund 1,7 Milliarden Euro Gewinn erzielt und mit 1,66 Euro je Aktie die höchste Dividende der Unternehmensgeschichte ausgezahlt. Im gleichen Jahr wurden die Mieten in den konzerneigenen Wohnungen im Durchschnitt um 3,8 % erhöht, mit Steigerungsraten von bis zu 8 % allein in Berlin. Zusätzlich wurde für 19 Mrd. Euro die Deutsche Wohnen, der bis dahin zweitgrößte börsennotierte Immobilienkonzern mit rund 150 000 Wohnungen, übernommen.

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Zwei Jahre Corona, steigende Preise – Immer mehr Menschen geraten in die Schuldenfalle

www.diakonie.de Zwei Jahre Corona-Pandemie und rasant steigende Lebenshaltungskosten: Immer mehr Menschen geraten in finanzielle Not. Im Frühjahr 2022 verzeichneten die gemeinnützigen Schuldnerberatungsstellen in Deutschland im Vergleich zum Spätsommer 2021 einen deutlichen Anstieg bei der Nachfrage nach Beratung. Das ist das Ergebnis einer Umfrage der Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände (AG SBV), die zum Abschluss der Aktionswoche Schuldnerberatung veröffentlicht wurde. Gleichzeitig machte das Bündnis klar, dass ein Ausbau der Schuldnerberatung, ihre auskömmliche Finanzierung sowie Investitionen in die Digitalisierung der sozialen Schuldnerberatung dringend notwendig seien, damit überschuldete Menschen Unterstützung erfahren. Mehr als die Hälfte der befragten Beratungsstellen nannte zwischen zehn und 30 Prozent mehr Anfragen im Vergleich zum Sommer 2021. Damit setzt sich der Trend einer ersten Befragungswelle im Sommer 2021 fort, die bereits einen deutlich erhöhten Beratungsbedarf festgestellt hat. Annabel Oelmann, Vorständin der Verbraucherzentrale Bremen: „Pandemie und Inflation sind bei uns deutlich zu spüren. Es kommen immer mehr Menschen, die ihre Miete und Stromkosten nicht mehr zahlen können. Auch beobachten wir, dass Ratsuchende mit psychischen Erkrankungen noch häufiger als vor Corona zu uns kommen. Wir müssen leider viele wieder wegschicken, weil sie gar keinen Anspruch auf Beratung haben.“Denn in Deutschland haben nicht alle Menschen die Möglichkeit, sich in der gemeinnützigen Schuldnerberatung professionell beraten zu lassen – oder erst dann, wenn es zu spät ist. Wer keine Sozialleistungen bezieht, kann Schuldnerberatung nicht kostenlos in Anspruch nehmen. So sieht es der Gesetzgeber vor. Das Tempo beim Ausbau der Schuldnerberatung – analog und digital – muss mit der Geschwindigkeit Schritt halten, mit der die Krisen Menschen in ökonomische Not bringen.“

08

Energie-Existenzminimum sichern!

www.erwerbslos.de Die Hartz-IV-Regelsätze liegen weit unter dem tatsächlichen Existenzminimum. Unvorhergesehene Kostensteigerungen lassen sich nicht ausgleichen. In der Corona-Pandemie sind die Lebenshaltungskosten laufend gestiegen. Inflation und Energiepreise wachsen durch den Ukraine-Krieg weiter. Die vom Bundesverfassungsgericht 2014 geforderte Anpassung des Regelsatzes ist nicht nur für Strom überfällig. Die geringen Einmalzahlungen gleichen die Kostenexplosion nicht aus. Allein Lebensmittel haben sich 2021 gegenüber dem Vorjahr um 4,6 Prozent verteuert. Immer mehr Haushalte können ihre Stromrechnung nicht mehr bezahlen. Der Strom-Betrag im Regelsatz von rund 36 Euro entspricht laut Stromspiegel Deutschland einem extrem geringen Verbrauch. Einkommensarme können aber z.B. nicht einen Stromfresser gegen einen energieeffizienten Kühlschrank austauschen. Das Bündnis „AufRecht bestehen“ fordert daher mit Unterstützung der Nationalen Armutskonferenz (nak) für Einkommensarme und Grundsicherungsbeziehende: • Übernahme der Energiekosten für alle existenziellen Bedürfnisse; • unbürokratische Erstattung erhöhter Abschläge und Nachzahlungen; • Verbot von Strom- und Gassperrungen für Privathaushalte; • Erhöhung des Regelsatzes auf das tatsächliche Existenzminimum; • Einmalzahlung als Ausgleich für Preissteigerungen und Mehrausgaben müssen hinreichend bemessen sein und dürfen eine notwendige zeitnahe Erhöhung der Regelbedarfe nicht ersetzen; • Übernahme der Anschaffungskosten für energiesparende Geräte.

Abb. (PDF): Plakat von „Der Paritätische“

Abb. (PDF): Logo „Auf recht bestehen“