Politische Berichte Nr.6/2022 (PDF)10
Aktionen-Initiativen

Aktionen/Initiativen: Sprach-Kitas retten!

Redaktion: Thorsten Jannoff, Martin Fochler

Die Fortführung der Förderung des „Sprach-Kita-Programms“ war Bestandteil des Koalitionsvertrags. Am 1. Juli jedoch beschloss das Bundeskabinett den Entwurf des Haushaltsplans 2023, danach unterrichtete das von Frau Paus, Grüne, geführte Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSJ) die betroffenen Einrichtungen per Brief über die Einstellung der Förderung Ultimo 2022. Wir dokumentieren in Auszügen Schlaglichter zur weiteren Entwicklung.

01 12. Juli: Aus für Sprach-Kitas – Bundesregierung lässt mehr als 500 000 Kinder im Stich
02 14.Juli: GEW: „Die Fortschritts-Koalition hat den Rückwärtsgang eingelegt“
03 14. Juli: Proteste von Seiten der Bundesländer
04 20. Juli: Verdi kritisiert die Beendigung des Programmes detailliert
05 1. August: sprachkitas-retten.de: Petiton „Erhalt des Bundesprogramms ,Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist‘“ gestartet
06 16. September: Bundesrat einstimmig für Fortsetzung des Programms
07 17. Oktober: Der Petitionsausschuss des Bundestages teilt mit:
08 11. November. Haushaltsausschuss beschließt befristete Fortführung Sprach-Kitas-Bundesprogramm bis zum 30. Juni 2023.
09 Das kann das letzte Wort nicht sein
10 dok: Petition zur Rettung der Sprachkitas

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12. Juli: Aus für Sprach-Kitas – Bundesregierung lässt mehr als 500 000 Kinder im Stich

Pressemitteilung von Heidi Reichinnek, Abgeordnete der Linken: „Mit der Streichung des Bundesprogramms Sprach-Kitas lässt der Bund 6900 Kitas – und somit jede achte – im Regen stehen und mit ihnen 500 000 Kinder und 7500 Fachkräfte. Betroffen sind hiervon vor allem Kitas in sozialen Brennpunkten, in denen Kinder ganz besonders auf Unterstützung angewiesen sind.

www.linksfraktion.de/presse/pressemitteilungen/detail/aus-fuer-sprach-kitas-bundesregierung-laesst-mehr-als-500-000-kinder-im-stich/

Detaillierter meldeten sich sodann viele Berufs- und Betroffenenverbände, hier beispielhaft GEW und Verdi:

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14.Juli: GEW: „Die Fortschritts-Koalition hat den Rückwärtsgang eingelegt“

„Auf Sonntagsreden heben die Politikerinnen und Politiker die Bedeutung der frühkindlichen Bildung hervor. Am nächsten Tag stellen sie keine Gelder mehr für hochwertige Förderprogramme bereit“, sagte Doreen Siebernik, GEW-Vorstandsmitglied für Jugendhilfe und Sozialarbeit, in Frankfurt am Main. Nach elf erfolgreichen Jahren bleibe bei den Kolleginnen und Kollegen in den Bildungseinrichtungen Frustration und Enttäuschung zurück. „Tausende Fachkräfte werden im Ungewissen gelassen. Sie wissen nicht, wie es mit ihrer Anstellung weitergeht.“ Die GEW bezieht sich auf ein Schreiben an die Einrichtungen des Bundesministeriums für Familien, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSJ).

www.gew.de/presse/pressemitteilungen/detailseite/gew-die-fortschritts-koalition-hat-den-rueckwaertsgang-eingelegt

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14. Juli: Proteste von Seiten der Bundesländer

„Die Länder haben bereits frühzeitig vom Bund Planungssicherheit eingefordert. Auf Initiative Bayerns haben im Mai alle 16 Länderfamilienministerinnen und -minister den Bund zur Fortsetzung aufgefordert. Jetzt wurden die Länder vom Bundesfamilienministerium über das Ende des Bundesprogramms informiert. Damit missachtet der Bund die Haltung der Länder.“

www.bayern.de/bundesregierung-beendet-bundesprogramm-sprach-kitas-kinderbetreuung/

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20. Juli: Verdi kritisiert die Beendigung des Programmes detailliert

„Das Bundesprogramm Sprach-Kitas läuft seit 2016. Innerhalb der drei zurückliegenden Förderphasen wurden rund 7 000 Kitas durch zusätzliche Sprach-Fachkräfte unterstützt, die in den Kitas unter anderem alltagsintegrierte Angebote durchgeführt haben, um den Spracherwerb der Kinder zu begleiten. Gleichzeitig wurde ein Unterstützungssystem für eine noch größere Zahl von Kitas entwickelt und etabliert, in dem den Kitas Fachberaterinnen und Fachberater zur Verfügung stehen, die Fortbildungen und Beratung für die Fachkräfte und Kita-Leiterinnen und -Leiter anbieten. Hierbei stehen insbesondere die Themen interkulturelle und inklusive Pädagogik, alltagsintegrierte Sprachförderung, Sprachentwicklung bei Kindern mit nichtdeutscher Herkunftssprache und die Zusammenarbeit mit Familien im Vordergrund. Entgegen dem Versprechen im Koalitionsvertrag … habe das Familienministerium nun das Ende dieses erfolgreichen Programms ankündigt und den Ländern nahegelegt, diese Arbeit über das sogenannte ,Gute-Kita-Gesetz weiterzuführen‘ … Die Mittel des sogenannten Gute-Kita-Gesetzes sind von den Ländern bereits verplant, das heißt, dass ein Beenden des Sprach-Kita-Programms für die Beschäftigten in den Kitas zu einer heftigen Mehrbelastung und zu einem deutlichen Qualitätsverlust führen“, so Verdi-Vize Frau Behle. Sie wies darauf hin, dass gerade in der aktuellen Situation, in der die Beschäftigten ohnehin schon aufgrund des Fachkräftemangels am Limit arbeiten und viele Kinder und Familien in Krisensituationen aufgefangen werden müssten … Eine Weiterführung sei daher unerlässlich.“

(Verdi hatte bereits im Juni die Fortführung des Programmes angemahnt.)

https://www.verdi.de/presse/pressemitteilungen

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1. August: sprachkitas-retten.de: Petiton „Erhalt des Bundesprogramms ,Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist‘“ gestartet

Die Petentin Wenke Stadach (Kita-Leiterin einer Sprach-Kita in Mecklenburg-Vorpommern) reicht eine öffentliche Petition ein, die massiv gezeichnet wird (dokumentiert auf Seite 11).

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16. September: Bundesrat einstimmig für Fortsetzung des Programms

Dem Beschluss der JFMK folgend, bittet der Bundesrat die Bundesregierung, das Bundesprogramm „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ auch über das Jahr 2022 hinaus fortzuführen und als dauerhaftes Bundesprogramm zu verstetigen. Sowohl die teilnehmenden Kindertageseinrichtungen als auch die im Rahmen des Bundesprogramms beschäftigten zusätzlichen Fachkräfte und Fachberatungen würden so rechtzeitig Handlungs- und Planungssicherheit erhalten. Diese Fortsetzung ist auch und gerade mit Blick auf die politische Ankündigung, „das Programm ‚Sprach-Kitas‘ weiterentwickeln und verstetigen“ zu wollen, geboten, weil sonst zu befürchten ist, dass gerade gute Sprachförderkräfte und Fachberatungen das Tätigkeitsfeld „Kindertageseinrichtungen“ verlassen, um eine neue berufliche Perspektive zu finde.

https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2022/0401-0500/434-22(B).pdf?__blob=publicationFile&v=1

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17. Oktober: Der Petitionsausschuss des Bundestages teilt mit:

Die Bundesregierung hält am Auslaufen des Bundesprogramms „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ zum Ende des Jahres fest. Das machte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Ekin Deligöz (Bündnis 90/Die Grünen), am Montag, 17. Oktober 2022, während einer öffentlichen Sitzung des Petitionsausschusses deutlich. An der Wichtigkeit der sprachlichen Förderung von Kindern in den Kitas gebe es bei der Bundesregierung keinen Zweifel, sagte sie. Daher sei es das Ziel, die Förderung über das Kita-Qualitätsgesetz zu verstetigen. Den Ländern würden dafür in den kommenden zwei Jahren zusätzliche zwei Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. „Für die sechsmonatige Übergangszeit, bis diese Mittel auch in Anspruch genommen werden können, versuchen wir eine zusätzliche Finanzierung zu verhandeln“, sagte die Staatssekretärin. (…)

Aus dem Plädoyer der Petentin: Für eine weitere Bundesförderung des Programms für zwei Jahre, ehe dann die Länder die Zuständigkeit übernehmen, plädiert Wenke Stadach …

Durch das Programm seien in vielen Kitas Strukturen und Kompetenzen geschaffen worden, damit Kinder bei ihrem Spracherwerb unterstützt und praktische Inklusionsarbeit ermöglicht wird …

Vor den Abgeordneten erläuterte sie, als Kita-Leiterin erst Mitte des Jahres vom Auslaufen des Programms informiert worden zu sein. Diese Entscheidung habe für Wut und Frust sowie Verunsicherung bei vielen Kollegen gesorgt.

„Einige von ihnen haben sich aufgrund der Unsicherheit neue Jobs gesucht“, sagte Wenke Stadach. Der Schaden sei also jetzt schon entstanden und werde mit jedem weiteren Tag, der ohne klare Zukunft für die Sprach-Kitas vergehe, größer. Für eine weitere Bundesförderung plädiere sie auch im Interesse einer bundesweiten Chancengleichheit, sagte Stadach. Künftig sei zu befürchten, dass einzelne Bundesländer die Sprachförderung unterstützen, andere aber nicht.

www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2022/kw42-pa-petition-914534

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11. November. Haushaltsausschuss beschließt befristete Fortführung Sprach-Kitas-Bundesprogramm bis zum 30. Juni 2023.

„… Die Mittel sind gesperrt, für die Aufhebung der Sperre ist vom Ministerium eine Nettokreditaufnahme-neutrale Gegenfinanzierung sicherzustellen.“

www.bundestag.de/presse/hib/kurzmeldungen-920672

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Das kann das letzte Wort nicht sein

Das Ziel, allen Kindern den Spracherwerb zu erleichtern, ist im öffentlichen Interesse. Sollte dazu eine Veränderung der Strukturen nötig sein, braucht das Zeit.

Die von der Petition ins Spiel gebrachte Umbauzeit von 2 Jahren ist eher Minimum, die – aktuell auch noch unter Finanzierungsvorbehalt gestellten – 6 Monate sind zu wenig. Das weiß die Fachwelt, das spüren die Betroffenen., und das ist jetzt, dank der politischen Initiative der Petition auch in der Öffentlichkeit klargestellt. Die Fachministerin bleibt gefordert.

Abb. (PDF): Logo „Sprachkitas retten“

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dok: Petition zur Rettung der Sprachkitas

Dokumentiert aus: sprachkitas-retten.de: Am 1. August 2022 hat die Petentin Wenke Stadach (Kita-Leiterin einer Sprach-Kita in Mecklenburg-Vorpommern) eine Petition an den Deutschen Bundestag gerichtet, die sich für den Erhalt des Bundesprogramms „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ einsetzt. Die Petition wurde als öffentliche Petition eingereicht. Die Mindestzahl von 50 000 Unterschriften wurde deutlich übertroffen. Am 17. Oktober 2022 kommt es daher zu einer offiziellen Anhörung im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages. An dieser Anhörung wird auch die Bundesfamilienministerin oder eine Vertreterin des Bundesfamilienministeriums teilnehmen.

sprachkitas-retten.de/mission/

Mission: Im Juli 2022 hat das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend über das Ende des sehr erfolgreichen Bundesprogramms „Sprach-Kitas: Weil Sprache der Schlüssel der Welt ist“ informiert. Hintergrund hierfür ist der von der Bundesregierung verabschiedete Entwurf für den Bundeshaushalt 2023, in dem leider kein weiteres Geld für das Sprach-Kita-Programm vorgesehen ist. (Wozu es Sprachkitas gibt, wird hier erklärt)

Dass dieser Entwurf das Ende der Sprach-Kitas bedeutet, steht aber noch nicht fest, denn der Bundeshaushalt wird nun in den nächsten drei Monaten im Bundestag diskutiert und final Ende November verabschiedet. Wir, eine Initiative aus Erzieherinnen und Erziehern, Eltern, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Politikerinnen und Politikern sowie Verbänden und Organisationen sehen eine Chance, die Sprach-Kitas doch noch zu retten. Dafür müssen wir so viele Abgeordnete wie möglich im Bundestag vom Erfolg und Nutzen des Programms überzeugen.

Zentraler Bestandteil der Kampagne „Sprach-Kitas retten“ ist eine beim Deutschen Bundestag eingereichte Petition der Petentin Wenke Stadach, Kita-Leiterin einer Sprach-Kita aus Mecklenburg-Vorpommern.

Wir haben es gemeinsam geschafft, in den letzten Wochen mehr als 50 000 Unterschriften für diese Petition zusammen zu bekommen. Daher wird es am 17. Oktober 2022 eine verpflichtende Anhörung im Petitionsausschuss des Bundestages unter Teilnahme der zuständigen Ministerien geben. Der Erhalt der Sprach-Kitas kommt unseren Kleinsten zugute, denn über Jahre wurden erfolgreiche Strukturen und Kompetenzen aufgebaut. Wir wollen alles dafür tun, damit wir die Sprach-Kitas retten.

sprachkitas-retten.de/was-sprachkitas-sind/

Was Sprachkitas sind: Um die Bildungschancen von Kindern zu verbessern und nachhaltig eine höhere pädagogische Qualität für die Familien anbieten zu können, stehen im Bundesprogramm Sprachkitas drei Themen im Mittelpunkt: Alltagsintegrierte sprachliche Bildung, Integrative Pädagogik und Zusammenarbeit mit den Familien. In den letzten zwei Jahren ist noch das Thema Digitalisierung hinzugekommen.

Sprachkitas sind Orte, an denen die Fachkräfte auf vielfältigste Art Kinder in ihrer sprachlichen Entwicklung unterstützen und ihnen so Wege der Kommunikation in der Gruppe und im gesellschaftlichen Leben eröffnen. In ganz besonderer Weise werden dabei die Familien in ihrer Verschiedenheit einbezogen.

Der große Schatz, der sich aus der Vielfalt der Menschen ergibt, wird in den Sprachkitas in den Mittelpunkt gestellt, damit die Kinder und Familien sich als wichtige Persönlichkeiten verstehen können. Im Alltag der Kitas sind in den letzten Jahren zahlreiche Angebote für und mit den Kindern entstanden, Beispiele sind Kinderbibliotheken, feinfühlige Kommunikation in Alltagssituationen, gemeinsame Aktivitäten mit den Familien, der Einstieg in die digitale Welt oder die Auseinandersetzung mit Beteiligung im Alltag. Hunderte von sogenannten „Best Practice“ Beispielen spiegeln, mit welcher Intensität in diesem Bundesprogramm an verbesserten Bildungsmöglichkeiten für die Kinder gearbeitet wird. Vieles dieser sehr anspruchsvollen Arbeit kann nur umgesetzt werden mit Unterstützung.

Die zusätzlichen Fachkräfte mit einem Stellenanteil einer halben Stelle, in sehr großen Kitas auch einer ganzen Stelle, unterstützen die Fachkräfte, beobachten, leiten an, geben Feedback, beraten und geben auch neue Erkenntnisse an die Erzieher*innen weiter. Sie selbst und die Kitaleitungen, die die Organisation und die Umsetzung in der Kita verantworten, werden als Tandem von zusätzlichen Fachberatungen regelmäßig geschult sowie in den Kitas vor Ort unterstützt und beraten. Über diese Multiplikatoren gelangt regelmäßig neues Wissen in die Kitas, aus dem durch die Anleitung der zusätzlichen Fachkräfte und die Qualifizierung der zusätzlichen Fachberatungen die Fähigkeiten wachsen, die die Kinder und Familien so dringend benötigen.

Die zusätzlichen Fachberatungen sind mit einem Stellenanteil von 20 Stunden für 15 Kitas zuständig. Durch die langjährige Zusammenarbeit und den regelmäßigen Fluss von wissenschaftlich fundierten pädagogischen Inhalten in die Einrichtungen ist nachweislich die Qualität in den Sprachkitas gestiegen, die Kinder erhalten also bessere Bedingungen und eine bessere Förderung in ihrer Entwicklung.