Politische Berichte Nr.2/2023 (PDF)02c
Blick auf die Medien

Wahlen und Volksentscheid in Berlin

Bruno Rocker, Berlin. Die Verhandlungsdelegationen der CDU und der Sozialdemokraten in Berlin wollen bis Anfang April die Koalitionsverhandlungen abgeschlossen und ihren Koalitionsvertrag für eine schwarz-rote Landesregierung der Öffentlichkeit vorgestellt haben. Die SPD plant ein Votum ihrer Mitglieder über den Vertrag einzuholen und will am 23. April das Ergebnis bekanntgeben. Die CDU entscheidet auf einem Landesparteitag, auch im April.

Die rot-grün-rote Koalition hat die Wahl am 12. Februar verloren. Die SPD erzielte mit 18,4 Prozent zum dritten Mal in Folge das jeweils schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte. Die Grünen konnten am Ende die Zwischenhochs in den Umfragen nicht halten und blieben mit ebenfalls 18,4 Prozent unter dem Ergebnis 2021. Die Linke verschlechterte sich von 14,1 auf nunmehr 12,2 Prozent. Die CDU profitierte hingegen von der Unzufriedenheit mit dem Senat, legte in den letzten Wochen vor dem Wahltag stetig in den Umfragen zu und erzielte am Ende 28,2 Prozent, also mehr als zehn Prozentpunkte über dem Ergebnis von 2021. Daneben hat nur noch die AfD mit Stimmengewinnen (+1,1) ihr Ergebnis auf 9,1 Prozent steigern können. Die FDP (4,6 Prozent) ist nicht mehr im Abgeordnetenhaus vertreten.

Die Berliner beurteilen laut den Umfragen der Forschungsgruppe Wahlen sowohl die Spitzenkandidaten als auch die Parteien allesamt als schlecht, bestenfalls als mäßig. Bei den Kandidaten landet Kultursenator Klaus Lederer mit +0,5 und bei den Parteien die SPD mit +0,2 noch auf den besten Plätze auf einer Skala zwischen -5 und +5.

Der bisherige Senat machte seine Arbeit nach Auffassung der Mehrheit schlecht. Allerdings würde auch die CDU nur nach Auffassung einer Minderheit es besser machen. Die große Mehrheit sieht kein Unterschied und rechnet mit einer Fortsetzung der Misere. Auch alle theoretisch denkbaren Parteikoalitionen finden in der Beurteilung allesamt mehr Gegner als Befürworter. Das Vertrauen der Wählerschaft in den Berliner „Politikbetrieb“ und das politische Personal scheint nicht eben hoch zu sein.

Dennoch hätte das Wahlergebnis die Fortsetzung der bisherigen Koalition mit einer ausreichenden Mehrheit erlaubt. Franziska Giffey hatte zunächst auch betont, dass ihre Präferenz genau darauf liegt. Inzwischen wissen alle, dass das Führungsduo der SPD (Giffey/Saleh) von Anfang an einen anderen Plan verfolgte.

Ein breiter schwarzer Ring umschließt die Innenstadt

Die SPD konnte in keinem einzigen Wahlkreis die meisten Zweitstimmen gewinnen. Die Union legte vor allem in den Außenbezirken sehr stark zu, oftmals auf Kosten der SPD. In den Innenstadtbezirken hingegen blieb die CDU gebietsweise teilweise deutlich unter zehn Prozent. Hier konnten die Grünen ihre Stimmanteile gut halten, ganz im Gegensatz zu den Außenbezirken. Die AfD gewinnt Stimmen hinzu, besonders im Ostteil der Stadt und dort, wo auch die CDU dazu gewonnen hat. Die Linke verliert Stimmen vor allem in ihren ehemaligen Hochburgen im Osten der Stadt. Im Ergebnis sehen wir einen schwarzen Ring um die Innenstadt.

Den nahezu gleichen schwarzen Ring sehen wir sechs Wochen später als Ergebnis des Volksentscheids am 26. März. Das Bündnis „Klimaneustart“ wollte mit der Abstimmung eine Änderung des Landes-Energiewendegesetzes erreichen. Berlin sollte sich verpflichten, bis 2030 und nicht wie bislang vorgesehen bis 2045 klimaneutral zu werden. Das Quorum für einen erfolgreichen Volksentscheid lag bei 25 Prozent (608 000) Ja-Stimmen aller Wahlberechtigten. Eine öffentliche Kampagne wurde ausschließlich von Befürwortern mit prominenten Unterstützern (Konzert vor dem Brandenburger Tor) und großflächigen Werbeplakaten über Wochen geführt. Die meisten Beobachter haben mit einer überwältigen Mehrheit der Ja-Stimmen aber dennoch mit einer Verfehlung der anspruchsvollen Quote von 608 000 Stimmen gerechnet. So ist es auch gekommen. Am Ende fehlten 165 000 Ja-Stimmen. Völlig unerwartet haben jedoch darüber hinaus 423 000 Nein-Stimmen (49 %) von Gegnern des Anliegens für ein knappes Abstimmungsergebnis gesorgt. Damit hat wirklich niemand gerechnet. Und das Ergebnis über die örtliche Verteilung der Stimmen zeigt erneut, woher die Nein-Stimmen kommen: Die Außenbezirke bilden einen entsprechend schwarzen Ring um die Innenstadt.

Die Ergebnisse der Wahlen und des Volksentscheids weisen auf starke Polarisierungen hin. Es manifestiert sich offensichtlich eine Front gegen die vielfältigen Anliegen und Umsetzung von Transformationserfordernissen. 2024 finden in Sachsen, Thüringen und Brandenburg Landtagswahlen statt. Sowohl in Sachsen ist nach Umfragen die AfD mit 29 % bereits jetzt stärkste Kraft, gleichauf mit der CDU, als auch in Thüringen mit 26 % knapp vor den Linken sowie in Brandenburg, ebenfalls mit 26 %.

Abb. (PDF): Karten: Die CDU erzielte in allen Wahlkreisen der Randbezirke (sw) die meisten Zweitstimmen. In der urbanen Mitte (gn/dunkelgrau) sind es die Grünen, rechts davon in Lichtenberg (vi/hellgrau) die Linke und rechts außen in Marzahn-Hellersdorf (bl/dunkelgrau) die AfD. Die SPD konnte in keinem Wahlkreis die meisten Zweitstimmen gewinnen.

In den Außenbezirken (sw) wurde das 25%-Quorum nicht erreicht und war zudem die Mehrheit dagegen. In der Mitte zeigen die hellgrauen Felder jene Kreise, in denen das Quorum nicht erreicht wurde, aber die Mehrheit für den Volksentscheid stimmte. In den blauen /dunkelgrauen Kreisen in der Mitte wurde das Quorum erreicht und war die Mehrheit für den Volksentscheid.