Politische Berichte Nr.3/2023 (PDF)02
Blick auf die Medien

Macrons nächstes Projekt im Rohr: Ein Arbeitsgesetz

Matthias Paykowski, Karlsruhe. Bestehen Aussichten, das Renteneintrittsalter mit 64 Jahren noch irgendwie aushebeln zu können? Ein weiteres Mal wird der Verfassungsrat mit einem Antrag für ein Referendum bemüht. Aber dieser wird wahrscheinlich wie die vorherigen Anträge enden. Würde ein Referendum zugelassen, sind die Hürden bis zur Durchführung bekanntlich sehr hoch. Ein Gesetzesvorschlag der kleinen liberalen Fraktion LIOT, eine Abstimmung der Nationalversammlung über die Abschaffung der beschlossenen Altersgrenze doch noch durchzuführen, dürfte schon im Ausschuss für soziale Angelegenheiten durch die Regierungsfraktionen niedergestimmt oder mit Mitteln der Geschäftsordnung beiseite geräumt werden. (Stand: 2.6.2023) Die Munition gegen das Gesetz ist parlamentarisch erstmal verschossen.

Die Intersyndicale, der Zusammenschluss der Gewerkschaften, ruft für den 6. Juni zu einem weiteren, dem 14. Aktionstag gegen das Gesetz auf. Die Gewerkschaft CFDT: „Das Rentengesetz wurde zwar am 14. April dieses Jahres verkündet, aber die Unzufriedenheit der Franzosen ist nach wie vor groß. Dies haben sie am 1. Mai gezeigt, mit einer Mobilisierung historischen Ausmaßes. Und zweifellos werden wir auch am 6. Juni in allen Städten Frankreichs zahlreich vertreten sein, um die Ungerechtigkeit dieser Reform anzuprangern.“ Die Zustimmung in der französischen Gesellschaft für die Forderungen der Gewerkschaften ist weiter hoch und ungebrochen. CGT und CFDT berichten auch von erfreulichen Zunahmen bei der Mitgliedschaft seit Januar 2023.

Die Aktionen und Streiks gegen das Gesetz sollen der Regierung „erneut das Ausmaß der Proteste im Land und die Einheit der Gewerkschaftsbewegung“ zeigen. Die CFDT zum Antrag von LIOT: „Auch wenn diese parlamentarische Initiative kaum Aussicht auf Erfolg hat, bleibt sie ein Stein im Schuh der Exekutive. Sie erinnert nicht nur daran, dass die Abgeordneten nie für dieses Gesetz gestimmt haben, welches unter Anwendung von Artikel 49.3 der Verfassung verabschiedet wurde, sondern auch daran, dass der Gesetzentwurf weder im Plenarsaal noch mit den Gewerkschaftsorganisationen diskutiert wurde. Das ist ein Symbol!“

Während Sophie Binet, die neu gewählte Vorsitzende der CGT weitere Gespräche mit Regierung und Unternehmerverbänden davon abhängig macht, dass die Rentenreform zurückgenommen wird und es eine Erhöhung der Löhne gibt, erklärt Laurent Berger, noch Vorsitzender der CFTD, offen zu sein für die „Fortsetzung des Dialogs“ und die „Kraft der sozialen Bewegung zu nutzen, um Fortschritte für die Arbeitnehmer zu erzielen“.

Geht es nach der CFDT, so soll die Mobilisierung und der Aktionstag am 6. Juni genutzt werden, um die jetzt von der Öffentlichkeit wahrgenommenen gewerkschaftlichen Anliegen in die weiteren Verhandlungen mit der Regierung einzubringen: „Zu einem Zeitpunkt, an dem die Regierung versucht, wieder mit den Sozialpartnern in Kontakt zu treten und eine neue Sozialagenda vorschlagen möchte, wird der Erfolg der Mobilisierung am 6. Juni also Teil eines neuen Kräfteverhältnisses sein, das in den kommenden Monaten aufgebaut werden muss. Es liegen zahlreiche Themen auf dem Tisch: Kaufkraft, Beschäftigung von Senioren, beruflicher Übergang etc. Alle erfordern die Wiederaufnahme des Dialogs. Allerdings muss sich die Regierung darüber im Klaren sein, dass sie nicht vorankommen kann, ohne den Gewerkschaften zuzuhören und einen Teil ihrer Forderungen zu berücksichtigen. Je mehr Menschen am 6. Juni anwesend sind, desto größer ist die Chance, dass die Botschaft gehört wird.“ (1)

Diese unerledigten Aufgaben aus der Renten-Agenda warten dann beim nächsten anstehenden Gesetzesvorhaben auf Erledigung: Nachdem Staatspräsident Macron und die Regierung Borne die Erhöhung des Renteneintrittsalters als – für sie – erledigt gekennzeichnet haben, wendet sich Macron dem zweiten angekündigten Wahlversprechen dieser Amtsperiode zu: Arbeit und Vollbeschäftigung.

Die Arbeitslosigkeit hat seit dem Amtsantritt Macrons deutlich abgenommen, vor allem die Jugendarbeitslosigkeit ist gesunken, die Erwerbsquote ist hoch. Noch vor der Sommerpause sollen verschiedene Maßnahmen in einem Arbeitsgesetz gebündelt in die Nationalver

sammlung. Das Vorhaben beinhaltet eine Änderung bei der Arbeitsvermittlung, die bisherige Agentur soll umstrukturiert werden in eine zentrale Anlaufstelle, um „schneller und effizienter beraten und vermittelt zu werden“. Weitere Veränderungen sollen die Grundsicherung RSA treffen. Diese wird vor allem von Langzeitarbeitslosen und Alleinerziehenden in Anspruch genommen und soll zukünftig an Konditionen geknüpft werden wie etwa die Pflicht, 15 bis 20 Stunden pro Woche in Ausbildung und Arbeitssuche zu „investieren“!

Quellen: (1) Yvan Ricordeau, CFDT. 30.5.2023; (2) Le Monde, div. Ausgaben, Mai 2023

Abb. (PDF): Plakat der CFDT: Turnschuhe an für die Rente, Rendez-vous (RDV) am 6. Juni, Nein zu 64 Jahre