Politische Berichte Nr.3/2023 (PDF)24
Rechte Provokationen - Demokratische Antworten

Rechte Kräfte in der EU –

Zusammengestellt von Michael Juretzek, Bremen

01 FINNLAND Konservative sehen mehr Gemeinsamkeiten mit rechts
02 ITALIEN Strafen von bis zu 100 000 Euro
03 Symbolträchtige Verabschiedung eines Arbeits-Dekrets durch die Regierung am 1. Mai
04 SCHWEDEN Zuwanderung soll verringert werden.
05 POLEN Mitte März wurde die Frauenrechtlerin Justyna Wydrzynska zu acht Monaten gemeinnütziger Arbeit verurteilt
06 UNGARN Weltweit vernetzte Rechtsaußen-Prominenz wird von Orban hofiert
07 Lehrkräfte streiken in Ungarn.

01

FINNLAND

Konservative sehen mehr Gemeinsamkeiten mit rechts

Der Wahlsieger der Parlamentswahlen, die konservative Sammlungspartei, sieht in den Gesprächen über die Regierungsbildung mehr Gemeinsamkeiten mit den Vorstellungen der Wahren Finnen als mit denen der unterlegenen Sozialdemokraten. Die Wahren Finnen, die von den Sozialdemokraten als rassistisch eingestuft werden, wurden mit 20% (+ 2,6%) zweitstärkste Partei. Sie wechselte im April von der EU-Fraktion Identität und Demokratie zu den Europäischen Konservativen und Reformern. Sie verurteilt das „Eindringen Brüssels in alle Aspekte des finnischen Alltagslebens“, lehnt die „offene Einwanderung“ ab und vertritt „traditionelle finnische Werte“ auf christlicher Grundlage. Hauptwahlkampfthema war die Reduzierung der Staatsschulden. Die konservative Sammlungspartei tritt für ein „gesundes“ Wirtschaftswachstum durch Kürzungen im Sozial- und Bildungsbereich und die Heraufsetzung des Renteneintrittsalters ein. (taz, 27.4.23)

02

ITALIEN

Strafen von bis zu 100 000 Euro

sieht der Gesetzentwurf der Regierung Meloni vor, wenn Behörden, Ämter, Schulen und das staatliche Fernsehen Begriffe verwenden, die nicht der italienischen Sprache angehören. Die „Anglomanie hat Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft“, heißt es im Entwurf. Die italienische Sprache müsse vor „Überfremdung“ geschützt werden. Mussolini hatte in den 20er Jahren mit dem Reinheitsgebot die Verwendung von Fremdwörtern verboten. Worte wie „fiorellare“ („blümeln“) wurden kreiert, anstelle von „flirten“. Die NSDAP machte aus der Banane den „Schlauchapfel“. Ob der Rücktritt des Vorsitzenden des öffentlich-rechtlichen Senders RAI Anfang Mai mit dem Gesetzentwurf zusammenhängt, ist unklar. Er kritisierte den „politischen Konflikt“ um seine Person. Die Regierung hat einen Nachfolger bestimmt. Der Regierung zielt wohl auch auf den Aufbau eines umfangreichen Spitzel- und Denunzierungssystems zur Durchsetzung des Vorhabens.

Quellen: rainews.it; rnd.de/politik/italien

03

Symbolträchtige Verabschiedung eines Arbeits-Dekrets durch die Regierung am 1. Mai

Zur „Förderung der Beschäftigung“ wird Unternehmen erlaubt, bisher auf 12 Monate befristete Arbeitsverträge auf 24 Monate zu verlängern. Bei der Einstellung von Arbeitslosen unter 30 Jahren werden sie von 60% der Sozialbeiträge befreit. Gelegenheitsarbeiten im Tourismus mit Nacht- und Wochenendarbeit werden bis zu einer Gesamtsumme von 15 000 Euro angehoben. Um den Zwang zu erhöhen, prekäre Arbeit anzunehmen, wird das Bürgergeld für 18- bis 59-Jährige von 550 Euro auf 350 Euro gekürzt. Die Opposition sieht im Dekret ein Mittel, junge Menschen zu unsicheren Jobs zu „verdammen“. Landwirtschaftsminister Lollobrigida (Fratelli d’Italia) hatte schon im April gefordert, dass junge Italiener auf den Feldern arbeiten und Obst pflücken sollten, anstatt zu Hause auf dem Sofa zu faulenzen und vom Grundeinkommen zu profitieren. stol.it/artikel/politik; rainews.it 03.04.23

04

SCHWEDEN

Zuwanderung soll verringert werden.

Dazu hat die von den Schwedendemokraten tolerierte Minderheitsregierung eine Verdoppelung der Einkommensanforderungen für ausländische Arbeitnehmer beschlossen. Für eine Arbeitserlaubnis ist jetzt ein Monatsgehalt von 2534 Euro erforderlich – vorher 1238 Euro. „Dies ist ein wichtiger Teil des Paradigmenwechsels, den wir im Bereich der Einwanderung vollziehen“ sagte Migrationsministerin Stenergard. Über 30% der aktuellen Arbeitsmigranten, Küchen- und Restaurantassistenten, Reinigungskräfte und Hausangestellte, liegen unter dem neu festgelegten Mindesteinkommen. Das Durchschnittseinkommen z.B. im Kranken- und Altenpflegebereich liegt bei 2700 Euro (Stand 2020, OECD). Arbeitsmigranten stellen derzeit mit Abstand den größten Teil der Einwanderung nach Schweden. Die Schwedendemokraten drohen mit dem Entzug der Unterstützung, wenn die Regierung nicht die im Koalitionsvertrag beschlossene Einkommensanforderung auf 3151 Euro erhöht. Quelle: euractiv.de

05

POLEN

Mitte März wurde die Frauenrechtlerin Justyna Wydrzynska zu acht Monaten gemeinnütziger Arbeit verurteilt.

„Dies ist der erste Fall in Europa, in dem eine Verfechterin von Abtreibungsrechten verurteilt wurde, weil sie jemandem geholfen hat, Zugang zu einer Abtreibungsbehandlung zu erhalten“, berichtet das Internetportal der linken EU-Fraktion left.eu am 22.3.23. Die Gründerin des Gesamtpolnischen Frauenstreiks Marta Lempart erklärte: „Das Gefährlichste in Polen ist die Trennung von Frauenrechten und Menschenrechten vom Kern der Demokratie … wir brauchen die Stimme der EU, um dies zu einer Frage der Rechtsstaatlichkeit und der Unabhängigkeit der Justiz zu machen.“

Quelle: left.eu/defend-women-who-fight-for-women/

06

UNGARN

Weltweit vernetzte Rechtsaußen-Prominenz wird von Orban hofiert

Am 4. und 5. Mai 2023 lud Orban unter dem Motto „United we stand“ (Zusammen sind wir stark) die „Conservative Political Action Conference“ (CPAC) im zweiten Jahr in Folge nach Budapest ein. Die CPAC wurde 1973 in USA von einer kleinen Gruppe Konservativer in den USA gegründet. Über Jahre wuchs die Veranstaltung auf Tausende von Besuchern an (Wikipedia). Seit 2019 vernetzen sich rechte hochrangige Politiker verschiedenster Länder trotz ideologischer Differenzen. Teilnehmer Hans-Georg Maaßen bejubelte die Einladung: „Wir Konservativen sind die Kämpfer für Freiheit, Familie und unsere Zivilisation. Keinen Fußbreit den Zerstörern von Freiheit. Zusammen werden wir es hinbekommen.“ Die „Junge Freiheit“, vertreten durch Chefredakteur D. Stein, schreibt: „Die „CPAC“ ist das Aushängeschild der US-Organisation American Conservative Union (ACU) und bringt jedes Jahr Politiker und andere führende Köpfe des Milieus zusammen.“ E. Bolsonaro, Sohn und Berater des brasilianischen Ex-Präsidenten Jair Bolsonaro verbreitet u.a. die Verschwörungserzählung der „gestohlenen Wahl“, weiter sind u.a. anwesend: Vincenso Sofo, EU-Parlamentarier der Fratelli d’Italia, Stjepo Bartulica, kroatischer Politiker der rechtsextremen Heimatbewegung, Gerolf Annemans, Belgien, Partei Vlaams Belang, Steve Bannon, FPÖ-Chef Herbert Kickl und die Republikanerin Kari Lake (USA), mögliche Vize-Präsidentschaftskandidatin von Donald Trump. Die CPAC steht demokratischen und liberalen Grundsätzen feindlich gegenüber, fördert Rassismus, Antisemitismus, Antifeminismus, Islamophobie, und russische Desinformationen.

(Tagesspiegel 3.5.23, Junge Freiheit, 24.5.23)

07

Lehrkräfte streiken in Ungarn.

Das Bildungssystem ist in einer schweren Krise. Im Oktober 2022 protestierten 70000 Lehrer wegen sehr schlechter Bezahlung. 10 000 Lehrer:innen wurden daraufhin suspendiert. Laut ungarischer Lehrervereinigung Tanárok a Tanárokért „balancieren viele am Rand der Obdachlosigkeit“. Das Streikrecht wurde ihnen von der Fidezs-Regierung aberkannt. Sie fordern: Berufliche Freiheit und Unterstützung in der Bildung, moderne Kernlehrpläne und die freie Wahl der Schulbücher!“ (de.euronews.com)