Politische Berichte Nr.01/2024 (PDF)02a
Blick auf die Medien

BSW-Parteiwerdung

Martin Fochler, München. Mit seinem Europa-Parteitag tritt das BSW aus der Welt der Klicks und Einschaltquoten heraus und in den politischen Wettbewerb ein. 96 Mandate entfallen bei der Europawahl auf die BRD, eine Prozenthürde gibt es nicht. Parteien müssen ein Programm und ein Statut vorlegen. Das BSW (Partei) hat das Gründungsmanifest des BSW (Verein) mit nur zwei Änderungen übernommen. Bei BSW (V) heißt im Einleitungsteil „die Regierung“ sei „inkompetent“, bei BSW (P) steht an Stelle von „Regierung“: „viele politische Entscheidungen“. Zweitens wurde im Abschnitt „Soziale Gerechtigkeit“ folgender Satz eingefügt: „Wir unterstützen die Beschäftigten, ihre Gewerkschaften und Betriebs- bzw. Personalräte in ihrem Einsatz für Arbeitnehmerrechte und gute Arbeit.“ Das BSW sucht einen Platz zur Rechten der SPD und registriert die Gewerkschaftsbewegung als Kraft.

Der Parteiname – amtlich und komplett „Bündnis Sarah Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit“ – wirkt als Leitbild. Unter Vernunft, so überall nachzuschlagen, wird in der Moderne „menschliches Vermögen zur Erkenntnis“ (wiki) verstanden, u.a. eine Begründung für das allgemeine Wahlrecht. Eine seit Ewigkeiten fortlebende Tradition hingegen fasst Vernunft als „ein die Welt durchwaltendes und ordnendes Prinzip als metaphysische oder kosmologische Vernunft – Weltvernunft, Weltgeist, Logos, Gott“ (wiki) auf.

Politisch führt die Annahme „Menschliches Vermögen zur Erkenntnis“ zur Anerkennung der anderen als gleiche und verweist auf demokratische Verfahren, wenn es darum geht, zu bestimmen, was vernünftig ist.

Der Weltgeist hingegen steht für Verhandlungen nicht zur Verfügung. Er gibt sich durch Personen zu erkennen, die erfühlen, verstehen und verkünden, was der Weltgeist gerade will, und dafür Zustimmung des Publikums einwerben.

Die Nennung einer Person im Verbandsnamen ist ungewöhnlich. Sie steht als Wegweiser zu Vernunft und Gerechtigkeit. Wer soll das aushalten?

Zumal sich weltweit ein Konflikt zwischen autoritären und demokratischen Politikansätzen entwickelt, ist erheblich, welche Seite das BSW im EU-Parlament stärken würde.

Aus einer – vielleicht ein bisschen kleinlichen – Deutung seiner Selbstbezeichnung allein kann das nicht ausreichend belegt werden.

Demokratisch|Autoritär – Wie es die Parteien damit halten, zeigt nicht nur der Blick auf ihre politischen Vorhaben, sondern auch ihre innerverbandliche Ordnung. Die Satzung des BSW enthält ganz ungewöhnliche Beitrittsbedingungen, die dem Vorstand durchgreifende Kontrolle von Zugang zur und des Bestands der Mitgliedschaft gewähren.

In § 4, (6) heißt es, die Ablehnung der Mitgliedschaft bedürfe keiner Begründung und folgend in (7): „Wird gegen die Mitgliedschaft innerhalb eines Jahres kein Einspruch erhoben, so ist sie endgültig“. Einspruch erheben kann jedes Mitglied, die Entscheidung darüber liegt beim Vorstand, nicht etwa bei der Schiedskommission.

Die Aufnahme führt demnach bloß zu einer Mitgliedschaft auf Probe, bis zum 8.1.2025 hat die Partei streng genommen gar keine „endgültigen“ Mitglieder. In dieses Probejahr, in dem der Vorstand jederzeit jedes Mitglied entfernen kann, fallen die Europawahlen und wegweisende Landtagswahlen.

Visionen entflammen die einen, die anderen gehen kopfschüttelnd weiter.

Politische Versprechen funktionieren anders, sie werden im Wahlkampf von den Leuten aufgegriffen und müssen in den politischen Diskursen sachlich vertretbar sein. Darf man z.B. vernünftigerweise hoffen, dass die Regierung Putin die Integrität der Ukraine anerkennen wird, wenn die BRD verspricht, ihr Gas wieder aus dieser Quelle einzukaufen? Fragen, die sich die BSW-Wählerschaft (erste Umfragen 7%) stellen dürfte.

Quellen: bsw-vg.de