Politische Berichte Nr.01/2024 (PDF)02b
Blick auf die Medien

USA: weiße, christliche Wählerschaft sieht ihre Vorherrschaft bedroht

Rosemarie Steffens, Langen. Donald Trump hat mit jeweils über 50 Punkten die ersten Vorwahlen der Republikaner in Iowa gegen Ron DeSantis und Nikki Haley gewonnen. In New Hampshire siegte er mit elf Prozentpunkten Vorsprung vor seiner Konkurrentin Haley. Diese beiden Wahlkreise gelten als wichtig für die weiteren Vorwahlen – sie setzen sozusagen den Trend. Den angepeilten K.o.-Sieg hat Trump allerdings (auch in der zweiten Runde) nicht geschafft. DeSantis verabschiedete sich mit Stimmempfehlung für Trump aus dem Rennen, jetzt bleibt Haley als Konkurrentin übrig. Sie ist als Kind indischer Einwanderer die erste nichtweiße Kandidatin der Republikaner und war UN-Botschafterin für die USA. Mit dem Slogan „Es ist Zeit für eine andere Generation“ wirbt sie für eine Rückkehr zu traditionellen republikanischen Werten wie soliden Staatsfinanzen und sicheren Grenzen.

Die Kandidaten einer Partei werden in den USA durch Vorwahlen ermittelt, an denen meist nur eine kleine Zahl besonders aktiver Parteigänger teilnimmt. In einem Bezirk, der für eine Partei „sicher“ ist, wird die Vorwahl zur entscheidenden Wahl. Die Bundesstaaten Colorado und Maine haben Trump jedoch von der Kandidatenliste der Vorwahlen genommen1, wegen seiner Rolle bei der Kapitol-Erstürmung vom 6. Januar 2021. Trump sei laut einem Verfassungszusatz „nicht für das Präsidentenamt qualifiziert“ 2. Am 8. Februar wird die Rechtmäßigkeit durch das oberste Gericht der USA überprüft.

Um die Triebkräfte des enormen Trump-Kults besser zu verstehen, lohnt es sich, den Artikel bei Rosa-Luxemburg-Stiftung von Thomas Greven „Die Tyrannei der Minderheit“3, zu lesen.

An dieser Stelle können nicht alle Aspekte des Artikels von Greven genauer ausgeführt werden: z.B. das amerikanische Verfassungssystem, das laut Greven die gefürchtete „Tyrannei der Mehrheit“ durch Gewaltenteilung verhindere, aber gerade deshalb auch autoritäre Minderheiten stärke.

Der Autor stellt dar, wie extreme Rechte auf die Konservative Partei erheblichen Druck ausüben, sie auf einen autokratischen Kurs führt. „Die Republikaner, die sich selbst „Grand Old Party“ (GOP) nennen und deren Geschichte in den 1850er Jahren mit dem Kampf gegen die Sklaverei begann, befinden sich in einer scharf geführten Auseinandersetzung um die Seele der Partei, die allerdings vorzeitig zugunsten des Personenkults um Donald Trump entschieden werden könnte.“

Greven sieht die Grundfesten der liberalen, multiethnischen Demokratie bedroht. Er macht die weiße christliche Basis als treibendes Element der innerparteilichen Bewegung aus, die die Vorherrschaft der Gesamtheit der anwachsenden Minderheitsbevölkerungen über die weiße Bevölkerung fürchtet. Die neue (extrem rechte) Parteilinie unterscheide sich von der vulgär-libertären Linie des GOP-Establishments z.B. dadurch, dass es einen Wohlfahrtsstaat nur für „echte Amerikaner“ also nur für Weiße, oder am besten nur weiße Christen, geben solle. Die ultrarechten Strategen der ersten Trump-Präsidentschaftskampagne Roger Stone und Steve Bannon hatten erkannt, dass diese innerparteiliche Bewegung keine Führungsfigur hatte, sie präsentierten damals Trump als „Retter“. Die Präsidentschaft Barack Obamas bot Donald Trump die Möglichkeit, sich als „letzte Hoffnung“ für die demographisch schrumpfende Gruppe der weißen Christen in den USA anzubieten.

Die Forderung der rechten Anhängerschaft „Wir wollen unser Land zurück!“ ist an die Bundesregierung gerichtet, die nach einer kollektiven Verschwörungsvorstellung von einem „deep state“ (tiefen Staat) beherrscht werde, die das Land und seine (konservativen) Werte zu zerstören drohe. Das Claremont Institute in Kalifornien spielt hier eine wichtige Rolle, dort werden apokalyptische Szenarien ausgearbeitet, deren sich dann Politiker der Republikaner als Rechtfertigungsgrundlage für den Sturm auf das Kapitol bedienen. – Unter dem Vorwand, die Wahlintegrität vor angeblichen Betrugsversuchen zu schützen – für die es keine Beweise gibt – nutzt die Trump-Anhängerschaft nicht nur Gesetze, sondern auch alle verfügbaren Verwaltungsoptionen, wie etwa die Reduzierung der Zahl von Wahllokalen in Bezirken mit überwiegend schwarzer Bevölkerung. Darüber hinaus setzt die GOP auch darauf, die Wahlbehörden mit militanten Parteitreuen zu infiltrieren. Angesichts des aggressiven politischen Klimas, zu dem auch Morddrohungen aus den Reihen der MAGA-Republikaner gehören, traten erfahrene Wahlbeamte und freiwillige Wahlhelfer nacheinander zurück, mit wachsendem Risiko, dass die Wahlen 2024 nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden.

1 Stefan Krieger, Was bedeutet der Ausschluss in Maine und Colorado für Trumps Kandidatur? FR, 29.12.23

2 Meret Baumann: Richter droht Trump mit Ausschluss im zweiten Verleumdungsprozess, NZZ 17.1.24

3 Thomas Greven, Die Tyrannei der Minderheit, RLS, 23.11.23