Politische Berichte Nr.01/2024 (PDF)03a
Blick auf die Medien

Spanisches Ridergesetz – Chronik eines Konflikts

Claus Seitz, San Sebastián. Auch in Spanien hat der Markt für Onlinebestell-Plattformen einen beispiellosen Aufschwung erlebt. Marktführer mit 25%-Anteil ist Glovo (Mehrheitsaktionär Delevery Hero, mit Sitz in Berlin). 2021 erreichte Glovo mit 450 Millionen Euro die höchste jemals in Spanien erzielte Startup-Finanzierung. Im September 2020 urteilte der Oberste Gerichtshof, dass Kuriere als lohnanhängige Arbeitnehmer zu betrachten wären. Im Mai 2021 beschloss das Parlament das Rider-Gesetz, das vom Arbeitnehmerstatus der Fahrradkuriere ausgeht und die Firmen verpflichtet, die mathematischen Formeln ihrer Algorithmen offenzulegen. Im Dezember 2021 schlossen Just Eat (18 %-Marktanteil) und die Gewerkschaften den ersten Branchen-Tarifvertrag ab. Glovo hält hartnäckig am Beschäftigungsmodell „Selbständige“ fest. Die Gewebeaufsicht reagiert darauf mit der Verhängung von Geldstrafen, allein 79 Millionen Euro, weil Glovo in Barcelona und Valencia mit 10 000 Scheinselbständigen operierte. Just Eat beklagt die Wettbewerbsverzerrung, die Beschäftigung von Kurieren mit Sozialversicherung und tarifvertraglichen Rechten würde die Kosten je Bestellung verdoppeln (acht Euro gegenüber vier Euro bei Glovo).

Im Dezember 2022 verschärfte die Regierung das Strafgesetz. Der illegale Einsatz von Scheinselbständigen soll mit Haft von sechs Monaten bis sechs Jahren bestraft werden können. Ende 2023 leitete das Arbeitsministerium Untersuchungen gegen Glovo wegen Verletzung der Privatsphäre der Kuriere und wegen des Einsatzes illegaler Arbeitskräfte ein. RidersxDerechos, ein Kurier-Kollektiv, reichte die erste Klage bei Gericht gegen Glovo ein. Zuletzt verlautete aus dem Ministerium, dass der Bericht der Gewerbeaufsicht über die Praktiken von Glovo demnächst der Staatsanwaltschaft übergeben würde.

Delivery Hero teilt in seinem Finanzbericht mit, gegen jede Entscheidung Berufung einzulegen, rechnet aber damit, dass die Gerichte Bankeinlagen verlangen werden, bis eine Entscheidung getroffen werde. Auch räumt man ein, die Selbständigen möglicherweise als Angestellte einsetzen zu müssen und mit einer nachträglichen Zahlung von bis zu 400 Millionen Euro für Sozialversicherungsbeiträge, Zinsen und Bußgelder zu rechnen, was die Lebensfähigkeit des Unternehmens erschweren würde.