Politische Berichte Nr.02/2024 (PDF)03a
Blick auf die Medien

Gelingt Großbritannien der wirtschaftliche Aufschwung?

Eva Detscher, Karlsruhe. „Die britische Wirtschaft wächst wieder“, so die FAZ vom 14. März und benennt ausdrücklich Dienstleistungsbranchen und Bausektor. Das Statistikamt ONS stellt für Januar ein BIP-Wachstum von 0,2 Prozent fest. Die „technische Rezension 2023“ sei beendet, meint der Deutsche-Bank-Chefvolkswirt für Großbritannien, Sanjay Raja. Parallel dazu seien die Sozialabgaben je Arbeitnehmer um etwa 900 Pfund gesunken, was zu höheren Nettoeinnahmen führe. Dieser Erfolgsgeschichte der Tory-Regierung wird von der Labour-Partei heftig widersprochen: „Nach vierzehn Jahren wirtschaftlichen Niedergangs unter den Konservativen ist Britannien ärmer als zuvor“, sagt Rachel Reeves, die – falls Labour im Herbst die Unterhauswahlen gewinnen wird – Finanzministerin („Schatzkanzlerin“ in britischer Nomenklatur) werden soll. Das Statistikamt ONS spricht von einer Arbeitslosigkeit unterhalb 4 %, sinkender Inflation und moderatem Lohnwachstum (mit 5,6 % immerhin höher als die Inflationsrate). Im Ranking mit anderen europäischen Staaten liegt Großbritannien damit im Mittelbereich, die IWF-Prognose legt Deutschland knapp dahinter, Champion sind die USA.

Die Labour-Politikerin Reeves setzt auf aktiveren Staatseingriff in die Wirtschaft für ein „breites, inklusives Wachstum“. Sie wirbt für eine Industriepolitik, die sie „Securenomics“ nennt: nicht nur stärkeren Staatseingriff in die Ökonomie, sondern gleichzeitig Garantie der Sicherheit für die Beteiligten – nicht so, wie unter Thatcher die „nationale Erneuerung“ ablief, dass nämlich die Arbeiter, vor allem im Norden Englands, in eine lange Zeit der Arbeitslosigkeit und in tiefe Elendslöcher fallen gelassen wurden. Die Labour-Linke, die Gewerkschaften, die Schottische Nationalpartei SNP und die (linke) Momentum-Bewegung befürchten, dass eine so aufgestellte Labour-Regierung Reiche bevorzugen und konservative Haushaltsregeln anwenden wolle. Reeves bewundert die US-Industriepolitik der Subventionen in grüne Transformation und will Entsprechendes in Großbritannien durchziehen. Die Schulden, die dafür aufgenommen werden müssten, bereiten britischen Ökonomen aufgrund höherer Zinsen schon heute Kopfschmerzen. Gleichzeitig will Reeves die bestehenden Schuldenregeln einhalten: nach fünf Jahren Regierung muss die Staatsschuldenquote sinken. Schlüssig scheint das Konzept auf den ersten Blick nicht zu sein, vor allem da der gegenwärtige Finanzminister Jeremy Hunt zuletzt moderate Steuersenkungen mit reduzierten Sozialabgaben eingeführt hat – die Finanzierung überlässt er der Nachfolgerregierung.

Auf Seiten der Konservativen geht der Premierminister in die Offensive: Sunaks Programm für das laufende Jahr umfasst die zentralen Punkte: Inflation, Wirtschaftswachstum, gutbezahlte Jobs und Chancen des Brexits, Abbau der Schuldenlast des Staates und Reduktion der Wartezeiten im Nationalen Gesundheitsdienst.

Für viele Bürger Großbritanniens ist die Bewältigung des Alltags – Wohnen, Arbeiten, Lebensmitte, Energie – zum Hauptthema geworden. Das Thema Brexit spielt keine exponierte Rolle mehr.

Quellen: FAZ, 14.3.24, 4.4.24, NZZ, 19.2.24

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