Politische Berichte Nr.02/2024 (PDF)03b
Blick auf die Medien

Schweiz: Deutliche Mehrheit für 13. Rente, Finanzierung aber offen

Alfred Küstler, Stuttgart. Am 3. März hat in der Schweiz bei einer hohen Stimmbeteiligung eine deutliche Mehrheit von 58,2% beschlossen, dass ab 2026 eine 13. AHV-Rente gezahlt werden soll. Die Alters- und Hinterbliebenenversicherung (AHV) der Schweiz wird finanziert durch Einkommensabzüge (derzeit je 8,7% vom Bruttolohn, je zur Hälfte Arbeitnehmer und Arbeitgeber, Selbständige bis zu 9,95% vom Einkommen), durch einen Anteil an der Mehrwertsteuer und staatliche Zuschüsse (6% bzw. 20% der Einnahmen der AHV). Im Unterschied zum deutschen Rentensystem gibt es eine Mindestrente (derzeit 1225 Franken) und eine Maximalrente (derzeit 2450 Franken), aber keine Beitragsbemessungsgrenze, d.h. auch bei hohen Einkommen erfolgt der Abzug proportional und wird nicht auf einen Maximalbetrag begrenzt. Zur AHV-Rente kommen weitere Rentenzahlungen aus der für alle Beschäftigten obligatorischen betrieblichen Altersvorsorge sowie der privaten Vorsorge. Etwa 13% der AHV-Rentner erhalten Ergänzungsleistungen, das entspricht etwa der Grundsicherung im Alter, also Sozialhilfe, nach deutschem Recht.

Die ausführliche Darstellung erfolgt, damit die Probleme verständlicher werden. Zwar wurde die 13. Rente beschlossen, aber nicht, wie die geschätzt zunächst vier, später fünf Milliarden Franken jährlich zusätzlichen Aufwendungen finanziert werden sollen. Der Streit darum ist nun im Gange. Die Gewerkschaften, die die Abstimmung über die 13. Rente initiiert hatten und damit erstmals eine Volksabstimmung erfolgreich durchbringen konnten, bevorzugen höhere Lohnabzüge. Damit würde aber das bei der Abstimmung aufscheinende Problem einer Spaltung zwischen Älteren und Jüngeren zusätzlich befeuert: Eine Mehrheit der jüngeren Schweizer war gegen die Erhöhung, die größere Zahl der älteren Schweizer gab aber den Ausschlag. Bei einer Finanzierung vor allem durch Lohnabzüge würde aber die jüngere Generation allein die Lasten tragen.

Die FDP und die SVP lehnen höhere Abgaben ab, sie verlangen stattdessen eine Erhöhung des Bundeszuschusses, finanziert durch Einsparungen bei Asyl, Entwicklungshilfe und Kultur. Bis zu einer großen Rentenreform sollen Mehrausgaben außerdem durch eine Verschuldung der AHV finanziert werden.

Die Schweizer Regierung hat durch die sozialdemokratische Sozialministerin Ende März erste Eckpunkte vorgelegt, wie die Rentenerhöhung umgesetzt werden soll: Die Lohnbeiträge sollen steigen, je nach Variante von 8,7 auf 9,2 bis 9,7 Prozent. Die Mehrwertsteuer würde angehoben von 8,1 auf 8,5 oder 8,7%, das brächte jährlich 1,5 bis 2 Milliarden Franken (womit auch die Pensionäre an der Finanzierung beteiligt wären). Da die Mehrwertsteuersätze in der Verfassung stehen, geht diese Änderung nicht ohne Volksabstimmung. Bei den Lohnabzügen muss nur dann abgestimmt werden, wenn jemand das Referendum ergreift. Der Bundesanteil soll nach diesem Vorschlag sogar gesenkt werden, da die Schuldenbremse sowieso gefährdet ist. 2026 soll eine große Rentenreform kommen. Auch das Rentenalter soll dann wieder zur Diskussion stehen, obwohl in der zweiten Abstimmung neben der Rentenerhöhung eine Anpassung des Rentenalters an die steigende Lebenserwartung wuchtig abgelehnt wurde (fast 75% nein). Ebenso werden neue Finanzierungen durch eine Finanztransaktions- oder eine Erbschaftssteuer erwogen.

Weitere Volksabstimmungen zur Rente sind also zu erwarten.