Aus Politische Berichte Nr. 8-9/2018, S.14 InhaltsverzeichnisPDFPB-Archiv

thema: Dgb-Beschluss-Europa-gestalten

01 DGB für solidarische Ausgestaltung grenzüberschreitender Arbeitsmärkte

02 dok: Ein soziales Europa solidarisch gestalten – fair und gerecht!

03 dok: IAO-Übereinkommen – rosemarie Steffens, Langen - Was haben europäische Arbeitnehmer* innen der EU zu verdanken? Beispiel Arbeitsbedingungen:

01

DGB für solidarische Ausgestaltung grenzüberschreitender Arbeitsmärkte

Thorsten Jannoff, Gelsenkirchen

Der DGB hat auf seinem Bundeskongress im Mai dieses Jahres einen Beschluss mit Vorstellungen, Forderungen und Selbstverpflichtungen zur Ausgestaltung länderübergreifender Solidarität auf grenzüberschreitenden Arbeitsmärkten verabschiedet. Dieser Beschluss war auch Gegenstand der Diskussion in der Linken Sommerschule in Erfurt. Aus aktuellen Gründen dokumentieren wir ihn bereits jetzt und nicht erst im Ergebnisheft. Denn er bildet eine Gegenposition zu Sahra Wagenknecht, die momentan in der Werbung für die neue Sammlungs-, oder besser, Spaltungsbewegung ihren Anti-EU-Kurs und den Duktus verschärft, sozialstaatliche Regelungen gingen nur national umzusetzen. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Der DGB greift in seinem Beschluss auf bereits existierende übernationale Regelungen zurück, die ganz im Gegenteil verdeutlichen, dass „sozial“ in vielen Bereichen national alleine nicht mehr möglich ist. Der DGB-Beschluss bietet zudem gute Anknüpfungspunkte für linke Politik zur Europawahl im nächsten Jahr. Im Kasten dokumentieren wir zudem eine kleine und unvollständige Auswahl weiterer Regelungen auf EU-Ebene.

02

dok: Ein soziales Europa solidarisch gestalten – fair und gerecht!

Der DGB-Bundeskongress beschließt:

Wir glauben an ein soziales und friedliches Europa. Niemals hat es auf diesem Kontinent so lange Frieden gegeben. Diesen wollen wir nicht gefährden und müssen der Europamüdigkeit und dem Vertrauensverlust der EU entgegenwirken. Solidarität und soziale Gerechtigkeit sind nur zwei Ziele, für die wir uns auf europäischer Ebene und in den Grenzräumen einsetzen. Die Sparpolitik hat zu hoher Arbeitslosigkeit in Teilen der EU geführt, sie bietet Jugendlichen in einigen Ländern keine Perspektive vor Ort und führt zu steigender unfreiwilliger Mobilität. Wir brauchen eine Wirtschafts- und Sozialpolitik, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt und nicht die Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse und die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen vorantreibt. Gute Arbeit, faire Mobilität und hohe soziale Sicherheit müssen in Europa zu Kernzielen werden. Europa kann nur gemeinsam Konzepte gegen Fachkräftemangel entwickeln, ein Abwerben führt nur zu mehr sozialer Ungleichheit und nicht zu mehr Fachkräften. Wir brauchen ein Gesamtkonzept für Europa und für die Grenzräume, das den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt stärkt und sich gegen Ausbeutung der Arbeitskräfte und gegen durch Armut erzwungene Migration richtet. Der DGB-Bundeskongress fordert daher vom DGB-Bundesvorstand eine Offensive auf europäischer, nationaler, regionaler und interregionaler Ebene für ein sozial gerechtes, solidarisches, demokratisches und freies Europa. Ziel ist die Stärkung der internationalen und grenzüberschreitenden Zusammenarbeit der Gewerkschaften in Europa, um die gemeinsamen Interessen der Menschen in Europa mit einer Stimme zu vertreten. Starke und funktionierende Interregionale Gewerkschaftsräte sind unser Instrument für die nachhaltige Integration der Grenzräume unter fairen Bedingungen. Mit ihnen können Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechte durchgesetzt werden. Sie setzen sich für die Stärkung von Guter Arbeit und Mitbestimmung, die Bekämpfung von Diskriminierung und Ausgrenzung sowie den Schutz mobiler Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ein. Der DGB Bundeskongress sieht den DGB in der Pflicht, die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Ebenen im DGB sowie mit den Partnergewerkschaften in Europa und mit dem Europäischen Gewerkschaftsbund zu stärken.

Soziale Gerechtigkeit und starke Arbeitnehmerrechte in Europa und in den Grenzräumen durchsetzen

Der DGB geht für mehr soziale Gerechtigkeit, starke Arbeitnehmerrechte und den Vorrang sozialer Grundrechte vor wirtschaftlichen Freiheiten in die Offensive. Dazu gehört der Kampf gegen Angriffe auf Arbeitnehmerrechte, Mitbestimmungsmodelle und Eingriffe in die Tarifautonomie.

Im Einzelnen bedeutet das für den DGB, sich einzusetzen für:

• die Einführung einer verbindlichen sozialen Fortschrittsklausel in den EU-Verträgen und die Umsetzung der Europäischen Säule Sozialer Rechte,

• die Sicherstellung hochwertiger öffentlicher Dienstleistungen, die allen in Europa lebenden Menschen zur Verfügung stehen,

• die Stärkung der Tarifautonomie und der Gewerkschaftsrechte sowie die internationale und interregionale Unterstützung der Gewerkschaften bei der Einführung starker Mitbestimmungsstrukturen,

• grenzüberschreitende Aktionen zur Durchsetzung von Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechten in multilateralen Unternehmen, entlang von Wertschöpfungsketten und in Grenzräumen.

Im Grenzraum wird der DGB die Gewerkschaften in den Nachbarländern bei der Durchsetzung von Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechten unterstützen und die sektorale Zusammenarbeit der Gewerkschaften fördern.

Wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt in Europa und in den Grenzräumen stärken

Der DGB-Bundeskongress erwartet vom DGB, dass er das im EU-Vertrag festgeschriebene Ziel des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts offensiv in der Wirtschafts- und Strukturpolitik und den Verhandlungen um den Mehrjährigen Finanzrahmen 2021+ vertritt. Digitalisierung und Industrie 4.0 dürfen nicht zu einer Zunahme des Gefälles zwischen den Regionen führen. Es besteht die Gefahr, dass Regionen, die keine Mittel für Investitionen in neue Technologien haben, weiter abgehängt werden. Der DGB Bundeskongress sieht den DGB in der Pflicht, sich einzusetzen für:

• den Abbau regionaler Entwicklungsunterschiede mittels Investitionen in Gute Arbeit, Aus- und Weiterbildung, Innovationen und neue Technologien,

• die Entwicklung von nachhaltigen Strategien in der Industrie- und Dienstleistungspolitik,

• die verbindliche Beteiligung der Sozialpartner an allen EU-Förderprogrammen auf europäischer, nationaler, interregionaler und regionaler Ebene,

• die Entwicklung europäischer und grenzüberschreitender Strategien zur Wirtschafts- und Arbeitsmarktentwicklung bezüglich Digitalisierung und Arbeit 4.0.

Im Grenzraum wird sich der DGB für eine ausgewogene Entwicklung einsetzen, grenzüberschreitende Entwicklungsstrategien einfordern und sich aktiv an den Mitbestimmungsmöglichkeiten bei den EU- Strukturfonds sowie den grenzüberschreitenden Programmen beteiligen um wirtschaftliche Nachteile der Grenzräume auszugleichen.

Gute Arbeit und faire Mobilität in Europa und in den Grenzräumen durchsetzen

Der DGB-Bundeskongress erteilt dem DGB den Auftrag, sich aktiv für die Förderung von Guter Arbeit für alle Beschäftigten einzusetzen, die Niedriglohnstrategien in Europa und die Ungleichbehandlung von mobilen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aktiv zu bekämpfen. Dazu gehört die Einhaltung des Grundsatzes „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“ für mobile Beschäftigte, Entsandte und Grenzgänger. Im Einzelnen erwartet der DGB Bundeskongress, dass der DGB sich stark macht für:

• die Förderung von Guter Arbeit und die Bekämpfung von prekärer Beschäftigung durch entsprechende Klauseln in den Fördervorgaben der Europäischen Union und den nationalen/regionalen Vergabegesetzen,

• den flächendeckenden Ausbau und die öffentliche Finanzierung von Beratungsstrukturen für mobile Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer,

• die Fortsetzung der EU-Förderung der EURES-Grenzpartnerschaften, die mit Information, Beratung und Vermittlung freiwillige Mobilität unter fairen Bedingungen fördern, und den Ausbau der Beratung für die Grenzgänger,

• eine nachhaltige grenzüberschreitende Fachkräfteentwicklung, Aus- und Weiterbildung um die Integration der Arbeitsmärkte unter fairen Bedingungen voranzubringen.

Dies bedeutet für den DGB, sich für den Ausbau der Beratungsangebote für Grenzgänger und mobile Beschäftigte einzusetzen, mehrsprachige Informationsangebote für Beschäftigte aus den Nachbarländern zu erarbeiten und zu publizieren.

Freiheit und Demokratie in Europa und in den Grenzräumen stärken

Der DGB setzt sich offensiv für ein freies und demokratisches Europa ein und stellt sich nationalistischen, europafeindlichen Strömungen entgegen. Dazu gehört, die Grundwerte der Gewerkschaften in den Mittelpunkt zu stellen und das Vertrauen der Menschen in die EU wieder herzustellen. Im Einzelnen wird der DGB:

• Rechtsextremismus, Nationalismus und Europafeindlichkeit bekämpfen,

• offensiv für gewerkschaftliche Grundwerte wie Solidarität, Chancengleichheit und Zusammenhalt in Europa eintreten,

• die Grundfreiheiten in der EU verteidigen und den Aufbau neuer Grenzzäune bekämpfen,

• eine Gewerkschaftskampagne zu den Europawahlen 2019 entwickeln und umsetzen, um die Wahlbeteiligung zu erhöhen und um demokratische Parteien zu stärken.

Im Grenzraum wird der DGB die Vorteile der europäischen Integration gerade für die Grenzräume offensiv herausstellen, die europäischen gewerkschaftlichen Grundwerte auch grenzüberschreitend vertreten und in Vorbereitung der Europawahl 2019 zielgruppengerechte Informationsmaterialien im Rahmen der Gewerkschaftskampagne erstellen.

Abb.(nur im PDF): Faksimiele Antragsformular

03

dok: IAO-Übereinkommen – rosemarie Steffens, Langen - Was haben europäische Arbeitnehmer* innen der EU zu verdanken? Beispiel Arbeitsbedingungen:

Die Mitgliedstaaten waren aufgefordert, das IAO-Übereinkommen über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte rasch umzusetzen. 28.01.2014, website der EU: ec.europa.eu.

„Die Europäische Kommission begrüßt die Annahme eines Beschlusses durch den Ministerrat, mit dem die Mitgliedstaaten ermächtigt werden, das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) über menschenwürdige Arbeit für Hausangestellte (Übereinkommen Nr. 189) zu ratifizieren. Der Beschluss war von der Kommission im März 2013 vorgeschlagen und vom Europäischen Parlament gebilligt worden.

Bei der Umsetzung des Übereinkommens müssen die ratifizierenden Staaten sicherstellen, dass Hausangestellte hinsichtlich Vergütung und Sozialleistungen, beispielsweise im Falle der Mutterschaft, anderen Arbeitnehmern gleichgestellt sind, über die Bedingungen und Einzelheiten ihrer Beschäftigung informiert werden, vor Diskriminierung geschützt werden, menschenwürdige Wohnverhältnisse angeboten bekommen, leichten Zugang zu Beschwerdemöglichkeiten haben.“

Schließlich legt das Übereinkommen auch Vorschriften für die Einstellung von Ausländern fest. Die EU-Rechtsvorschriften, wie die Richtlinien über Sicherheit und Gesundheitsschutz, Arbeitnehmerrechte, Gleichstellung von Frauen und Männern, Menschenhandel und Asylfragen, behandeln bereits einige der Aspekte, die das IAO-Übereinkommen regelt. Die Bestimmungen des Übereinkommens verfolgen den gleichen Ansatz wie diese Rechtsvorschriften, und beide sind weitgehend kohärent.

Oft bieten die EU-Rechtsvorschriften mehr Schutz als das Übereinkommen. Andererseits ist das Übereinkommen präziser als das EU-Recht, was die Geltung der Vorschriften für Hausangestellte … betrifft.

Viele Mindestnormen für Arbeitnehmerrechte werden durch die EU formuliert: z.B.:

Schutz … beim Übergang von Unternehmen, EU-Rechtsvorschriften über die Entsendung von Arbeitnehmern; Arbeitskräfte des Gesundheitswesens in der EU; Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf; IAO-Protokoll zur Zwangsarbeit: Ratifizierung durch die EU-Länder; Massenentlassungen: Information und Konsultation der Arbeitnehmer; …

Arbeitszeitgestaltung, Sektorspezifische Vereinbarungen: Arbeitszeit von Seeleuten, Lenkzeiten im Straßenverkehrsgewerbe, Straßentransport: EU-Vorschriften für Lenkzeiten, Ruhepausen und Ruhezeiten … Gleichbehandlung von Leiharbeitnehmern, Elternurlaub …

https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?qid=1441183586073&uri=CELEX:32015R0478