Aus Politische Berichte Nr. 02/2019, S.08 InhaltsverzeichnisPDFPB-Archiv

dok: Aktionen – Initiativen

Thorsten Jannoff, Gelsenkirchen – Thema: KOHLEAUSSTIEG IST BESCHLOSSEN

01 Greenpeace

02 BUND: Einstiege in den Ausstieg – aber zu wenig für das Klima

03 BUND-Sondervotum

04 IGBCE: Echte Erfolge – echte Lasten

05 Keine Abschiedsgeschenke auf Steuerzahlerkosten für Kohlekonzerne

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Greenpeace

Hamburg. Es war ein zähes Ringen: Die Kohleländer Sachsen, Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen haben auf die Bremse gedrückt, die Wirtschaftsvertreter den Umweltschutzverbänden stures Festhalten an ideologischen Positionen vorgeworfen. Doch nach 21 Stunden hat die Kohlekommission tatsächlich einen Kompromiss errungen, den alle Seiten mittragen können, zumindest größtenteils.

Die aus Umweltschutzgesichtspunkten wichtigsten Ergebnisse im Überblick:

• Es gibt einen Fahrplan für den Kohleausstieg.

• Bis 2022 sollen 12,5 Gigawatt installierte Kraftwerksleistung abgeschaltet werden – das sind drei Gigawatt Braunkohleleistung mehr als bisher geplant.

• Kohlekraftwerke dürfen nicht neu genehmigt, gebaut oder in Betrieb genommen werden.

• Vor allem im Westen sollen Kraftwerksblöcke abgeschaltet werden, etwa in Neurath und Niederaußem. Die Umweltverbände hatten einen genauen Plan gefordert, wann welches Kraftwerk abgeschaltet wird, doch das steht leider nicht im Konzept.

• Der Hambacher Wald ist gerettet.

• Für die Jahre 2023 bis 2030 konnten keine Zwischenziele ausgehandelt werden. Allerdings werden zwischen 2022 und 2030 Braunkohlekapazitäten in Höhe von sechs Gigawatt vom Netz genommen – und zwar „linear und stetig“, wie es im Papier heißt es. Was eigentlich die Abschaltung weiterer alter Braunkohlekraftwerke auch in der Lausitz ab 2025 zwingend erforderlich macht.

• Nimmt die Bundesregierung diese Vorgabe ernst, können Dörfer wie wie Proschim in der Lausitz, Pödelwitz im Mitteldeutschen Revier oder Keyenberg im Rheinland vor der Abbaggerung bewahrt werden.

• Dickes Manko: Das letzte Kohlekraftwerk soll erst 2038 vom Netz gehen. Zwar soll 2032 überprüft werden, ob das Ausstiegsdatum vielleicht auf 2035 vorgezogen werden kann – aber das ist beides zu spät, damit Deutschland seinen Beitrag zum Pariser Klimaschutzabkommen leisten kann …

https://www.greenpeace.de/themen/klimawandel/kohleausstieg-ist-beschlossen

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BUND: Einstiege in den Ausstieg – aber zu wenig für das Klima

Berlin. Der Kompromiss, der am 26.1.2019 frühmorgens gefunden wurde, bringt den Einstieg in den Kohleausstieg und damit endlich den Anfang vom Ende der Kohle. Mit der Festlegung, bis 2022 erste Kohlekraftwerke abzuschalten, kann auch der Hambacher Wald erhalten bleiben – und der größte Tagebau Europas wird damit frühzeitig beendet. Zudem werden, dem Vorschlag der Kohlekommission folgend, keine neuen Tagebaue genehmigt und keine neuen Kraftwerke wie Datteln IV mehr ans Netz gehen. Die Bundesregierung ist jetzt am Zug und muss die Empfehlungen der Kommission klimapolitisch konsequent umsetzen – auch für den Zeitraum nach 2022. So werden auch die noch von Abbaggerung bedrohten Dörfer gerettet. Gleichzeitig kann mit den vorgeschlagenen Maßnahmen und Geldern ein sozial gerechter Wandel gelingen. Zur schmerzhaften Wahrheit gehört, dass das Ergebnis der Kohlekommission deutlich hinter den Erfordernissen des Klimaschutzes zurückbleibt. Der BUND hat in der Kohlekommission grundsätzlich für das Ergebnis gestimmt. Dies war eine schwere Entscheidung. Doch der Kompromiss bietet die Chance, jetzt den Klimaschutz in Deutschland wiederzubeleben und kurzfristig wichtige Veränderung zu erreichen. In einem eigenen Minderheitenvotum distanziert sich der BUND jedoch gemeinsam mit den anderen Umweltverbänden, die in der Kommission vertreten waren, vom vorgesehenen Enddatum 2038 für den Kohleausstieg und der fehlenden Festlegung auf einen konkreten Minderungspfad bis 2030 und darüber hinaus … Es bleibt die ernüchternde Erkenntnis, dass die Bevölkerung in übergroßer Mehrheit den Ausstieg will, aber die Beharrungskräfte noch immer die entscheidenden Schritte verhindern konnten. Nicht zuletzt die anstehenden Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen haben ein besseres Ergebnis für den Klimaschutz in der Lausitz unmöglich gemacht. Das ist bitter, auch angesichts der Milliardenbeträge, die in die Region fließen sollen, um den Strukturwandel abzufedern. Wie teuer der Ausstieg tatsächlich wird, liegt auch in den Händen der Bundesregierung. Er wäre sicher billiger zu haben gewesen, hätte die Regierung schon beizeiten selbst entschieden. Für den BUND heißt das Ergebnis der Kohlekommission, dass die Arbeit unvermindert weitergeht …

https://www.bund.net/kohle/kohle-ausstieg/kohlekommission/

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BUND-Sondervotum

Dem Bericht der Kohlekommission einzufügen: Sondervotum der Kommissionsmitglieder Martin Kaiser, Greenpeace, Kai Niebert, DNR, Hubert Weiger, BUND und Antje Grothus vor der abschließenden Abstimmung über den Kommissionsbericht:

Die unterzeichnenden Kommissionsmitglieder tragen den im Kommissionsergebnis gefundenen Kompromiss zum Ausstieg aus der Kohleverstromung mit, um den klimapolitischen Stillstand Deutschlands der letzten Jahre zu durchbrechen … Wir stellen fest, dass weder das anvisierte Ausstiegsdatum 2038 noch der unkonkrete Pfad bis 2030 ausreichend sind, um einen angemessenen Beitrag des Energiesektors zum Klimaschutz zu leisten … Sowohl der nicht konkretisierte Pfad ab 2023 als auch das zu späte Ausstiegsdatum verhindern über die Jahre eine kumulierte CO2-Reduktion des Energiesektors, die mit dem Pariser Klimaabkommen vereinbar wäre. Im Gegenteil sind kumulierenden CO2-Emissionen in der Atmosphäre viel zu hoch, als dass Deutschland seinen Beitrag zur Begrenzung der globalen Erwärmung auf maximal 2 Grad, geschweige denn 1,5 Grad leisten könnte … Eine klare Beschreibung des stetig zu gestaltenden Ausstiegspfad von 2023-2029 ist dringend notwendig. Er kann und muss zu einem späteren Zeitpunkt von der Bundesregierung entlang der im Kommissionsbericht festgeschriebenen Stetigkeit für die Abschaltungen festgelegt werden. Wir stimmen mit diesem Minderheitenvotum gegen das Fehlen weiterer konkreter Jahresschritte im Zeitraum 2023–2030 und werden uns zu einem späteren Zeitpunkt dafür einsetzen, diese Lücke zu schließen. Auch ist das zu späte Ausstiegsdatum aus klimapolitischer Sicht für uns nicht tragbar. Im Sinne des Klimaschutzes notwendig wäre ein Ausstieg bis 2030. Trotz dieses Sondervotum gegen die beiden genannten Punkte tragen wir das Gesamtergebnis mit …

https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/kohle/kohle_sondervotum_kommission.pdf

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IGBCE: Echte Erfolge – echte Lasten

Hannover. Nach monatelangen Gesprächen und einer 21-stündigen Marathonsitzung hat die Kommission Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung am frühen Samstagmorgen einen Abschlussbericht vorgelegt. Das wichtigste Ergebnis: Niemand fällt ins Bergfreie – über den ganzen Zeitraum. Die Beschäftigten in der Kohleverstromung werden im klimapolitisch bedingten Strukturwandel umfassend abgesichert.

„Wir haben nach 21 Stunden Verhandlungen einen Kompromiss gefunden, der uns nicht glücklich machen, aber insgesamt zufrieden stellen kann. Es ist uns gelungen, für die vom Strukturwandel betroffenen Beschäftigten in der Kohleverstromung Sicherheit vor sozialen Härten zu schaffen“, sagt Michael Vassiliadis, Vorsitzender der IG BCE, nach der nächtlichen KWSB-Abschlussrunde.

Und das empfiehlt die Kommission der Politik:

Engmaschiges Sicherheitsnetz

• Betriebsbedingte Kündigungen in Kraftwerken und Tagebauen sind ausgeschlossen.

• Fällt ein Arbeitsplatz weg, werden die Betroffenen in neue gute Arbeit vermittelt – unter Ausgleich etwaiger Gehaltseinbußen.

• Ältere Beschäftigte können, wenn es zu Personalauswirkungen kommt, in den vorzeitigen Ruhestand wechseln – unter Ausgleich von Rentenabschlägen.

• Der Bund schafft ein staatliches Anpassungsgeld, mit dem Jahre bis zum vorzeitigen Renteneintritt überbrückt werden können.

• Gewerkschaften und Unternehmen regeln in Tarifverträgen ergänzende Ausgleichszahlungen.

• Der Staat sichert die sozialen Verpflichtungen der Unternehmen ab.

• Das Gesamtpaket gilt für die gesamte Auslaufphase der Kohle, einschließlich der Rekultivierung, also mehr als 20 Jahre.

Neue Arbeitsplätze in den Revieren

• Bedingung aller Ausstiegsschritte aus der Kohle ist die Schaffung neuer, guter Arbeitsplätze in den Revieren.

• In den kommenden 20 Jahren fließen 40 Milliarden Euro in die Regionen, um neue Industrien, Technologie- und Forschungscluster und eine moderne Infrastruktur zu schaffen.

• Abgesichert werden Investitionsförderung, Ausbau der Infrastruktur sowie Ansiedlung von Bundesbehörden und Forschungseinrichtungen durch ein sogenanntes Maßnahmengesetz.

Kein Abschalt-Automatismus

Vorgesehen sind harte Einschnitte in die Kohleverstromung – wenn bestimmte Bedingungen erfüllt sind.

• 2023 sollen rund 3 GW Braunkohle und 3 GW Steinkohle vom Netz.

• 2030 soll die Erzeugungskapazität auf maximal 9 GW Braunkohle und 8 GW Steinkohle halbiert werden.

• 2038 soll die Kohleverstromung gänzlich auslaufen.

• Aber: Die Stilllegung von Kraftwerken und Tagebauen ist an eine Vielzahl von Voraussetzungen geknüpft, die zwischen 2023 und 2032 alle drei Jahre durch ein unabhängiges Expertengremium überprüft werden.

• Werden die Ausbauziele bei Erneuerbaren, Netzen und Speichern nicht erfüllt, können und werden konventionelle Energieträger nicht wie gedacht vom Netz gehen.

Schutz von privaten Haushalten und Industrie

• Regelmäßig wird überprüft, wie sich die Entwicklung von Strompreisen auf Industriearbeitsplätze und die privaten Haushalte auswirkt.

• Die Bundesregierung muss für einen Ausgleich sorgen, damit Arbeitsplätze in der Industrie nicht gefährdet und die privaten Haushalte nicht überfordert werden.

Nun geht es darum, dieses Ergebnis umzusetzen. Jetzt ist die Politik am Zug. Sie muss mit den Unternehmen in Verträgen regeln, welche Kraftwerke wann vom Netz gehen. Sie muss Gesetze zur Strukturförderung in den Regionen und zur sozialen Absicherung der Beschäftigten auf den Weg bringen.

Die Kommission hat Empfehlungen vorgelegt, aus denen man etwas machen kann. Für uns gilt: Das Paket gibt es nur mit allen Bestandteilen. Wir werden Druck machen, dass sich niemand nur das raussucht, was ihm gerade passt.

https://www.igbce.de/abschlussbericht-der-kwsb/178252?back=&highlightTerms=

Abb. (PDF): Grafiken zu Erzeugungs- und Schadstoffquellen

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Keine Abschiedsgeschenke auf Steuerzahlerkosten für Kohlekonzerne

Berlin. „Es ist gut, dass die Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung die Rechte der Beschäftigten, die vom Kohleausstieg betroffen sind, ernst nimmt. Zwar hat die Kommission sich nicht auf eine ausdrücklich so bezeichnete Einkommens- und Beschäftigungsgarantie einigen können, doch kommen die umfangreichen Vorschläge zur Absicherung der Beschäftigten den Forderungen der Linken sehr nahe“, erklärt Klaus Ernst, Vorsitzender des Bundestagsausschusses für Wirtschaft und Energie und wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke. Ernst weiter: „Warum jedoch die Stromkonzerne noch Geld bekommen sollen für Kraftwerke, die schon längst amortisiert sind, ist unverständlich. Steuergelder sind nicht dazu da, Unternehmen ihre entgangenen Gewinne zu bezahlen. Ein Rechtsgutachten im Auftrag des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit hat festgestellt, dass grundsätzlich kein Entschädigungsanspruch wegen der Stilllegung eines Kohlekraftwerks besteht. Das in Kombination mit dem zögerlichen und zu langsamen Kohleausstieg, den die Kommission vorschlägt, bedeutet einen unnötigen und teuren Kniefall vor den Kraftwerksbetreibern.“

https://www.linksfraktion.de/presse/pressemitteilungen/detail/keine-abschiedsgeschenke-auf-steuerzahlerkosten-fuer-kohlekonzerne/