Aus Politische Berichte Nr. 02/2019, S.10 InhaltsverzeichnisPDFPB-Archiv

Mannheim: Die Linke im Kommunalwahlkampf

Alle reden vom Wohnen …

Thomas Trüper, Stadtrat Die Linke, Mannheim

… wir auch. Aber Die Linke im Mannheimer Gemeinderat tut dies schon seit sechs Jahren und wird dieses Thema auch im Kommunalwahlkampf als einen ihrer Schwerpunkte setzen. Mannheim in der Metropolregion Rhein-Neckar und Universitätsstadt hat (noch) nicht das Mietniveau wie beispielsweise Heidelberg, Freiburg oder die Spitzenreiter Frankfurt oder München. Dennoch liegen die Steigerungsraten der Angebotsmieten in acht Jahren bei über 23%. Der neueste Mietspiegel weist für zwei Jahre eine Steigerung von 9,4% aus. Vor sechs und selbst vor zwei Jahren erklärte der zuständige Dezernent Quast: Mannheim hat keinen angespannten Mietwohnungsmarkt. Inzwischen hat er diese Aussage revidiert. Die zahlreichen Anträge der Linken zur Mietpolitik wurden in den vergangenen Jahren jedoch nicht zurückgewiesen sondern „mitgenommen“. In der Tat flossen sie schließlich teilweise in eine große wohnungspolitische Vorlage ein, das 12-Punkte-Programm für preisgünstiges Wohnen. Diese Verwaltungsvorlage wurde mit denkbar knappster Mehrheit aus SPD, Grünen und Linken im Sommer 2017 verabschiedet. Zentraler Punkte sind eine 30%-„Sozial-Quote“ bei Neubauprojekten, aber auch grundsätzliche Feststellungen über verbilligte Abgabe von städtischem Grund und Boden für preisgünstiges Wohnen, einschließlich günstiger Regelungen für Erbbaurechte. Außerdem wurde beispielsweise die linke Forderung aufgenommen, sozialrelevante Ergebnisse von Konzeptvergaben und städtebaulichen Verträgen grundbuchlich abzusichern.

Schon bei den Planungen für die erste große Anwendung dieses 12 Punkte-Programms kam es jedoch zu Auseinandersetzungen im Gemeinderat. Es handelt sich um die Konversionsfläche Spinelli (ehemalige US-Kaserne), und diese ist zugleich das letzte große Baufeld, das in Mannheim für Wohnungsbau noch zur Verfügung steht, so lange man nicht in der Peripherie auf die „grüne Wiese“ expandieren möchte. Die Verwaltung plante 2.400 Wohneinheiten, davon 30% im preisgünstigen Segment. Schon im Vorfeld setzte die CDU (inzwischen durch einen Grünen-Überläufer in der Mehrheit) eine Reduzierung auf 1.800 Wohneinheiten durch: Es müssen nach Auffassung der CDU unbedingt flächenzehrende Einfamilienhäuser errichtet werden (ab 0,5 Mio. Euro aufwärts) „für junge Familien“(!). Die Sozialquote gilt selbstverständlich nur für den Geschoßwohnungsbau. Man sieht: Die Umsetzung selbst eines beschlossenen (bescheidenen) 12-Punkte-Programms ist jedes Mal eine Machtfrage.

Welche Strategie fährt Die Linke in Mannheim in Sachen preisgünstiges Wohnen?

Zunächst ein paar Grunddaten zum Wohnungsmarkt in Mannheim: Mannheim hat ca. 166 000 Wohneinheiten und etwa 173 000 Privathaushalte; 51% davon sind Single-Haushalte. Die Mietquote beträgt ca. 75%. Die städtische Wohnungsbaugesellschaft GBG verfügt aktuell über 18.800 Wohneinheiten, davon 96% unter 8,00 Euro/m². Der Mannheimer Mietspiegel-Durchschnittspreis beträgt 2018 (bei 80 m²) 7,53 Euro/m². Die Stadt selber verfügt über keine Wohnungen mehr. Es gibt Genossenschaften mit z.T. sehr preisgünstigen Wohnungen (ca. 7 000) und es gibt natürlich Vonovia mit ca. 4 000 Wohneinheiten, die im Laufe der letzten Jahre i.d.R. um einen Euro/m2 verteuert wurden. Alle Wohnungsneubauten in Mannheim erfolgten bis 2017 ohne öffentliche Förderung und liegen bei Mietpreisen ab 11,50 Euro/m². Von den preisgünstigen Wohnungen der GBG gingen aufgrund unterschiedlichster Faktoren bis 2017 1 000 verloren.

Von den derzeit freien 280 Hektar US-Konversionsgeländen ist das größte für Wohnungsbau vorgesehene Gelände (Franklin) bereits vor dem 12-Punkteprogramm verplant worden. Dennoch sollen hier etwa 1 000 Wohnungen im preisgünstigen Segment entstehen (von ca.4.500 Wohneinheiten insgesamt). Der Kampf um Spinelli ist im Gange (s.o.). Die Flächen gingen und gehen zu Marktpreisen von der BIMA auf die städtische Entwicklungsgesellschaft über (MWSP GmbH). Erst in 2018 machte die Bundesregierung den Weg frei für stark verbilligte Abgabe an Bauträger des sozialen Wohnungsbaus. Davon werden erstmals ca. 200 Wohneinheiten auf dem kleinen Konversionsgelände Hammonds Barracks profitieren.

Entscheidend ist hierbei die Frage, wer die Bauträger sein werden. Die Linke fordert seit Jahren, dass die Kommune und ihre Gesellschaften Non-profit-Bauträger bevorzugen soll. Dies wird hier nun erstmals geschehen. Das Mietshäusersyndikat (MHS) wird einen kleineren Teil des fraglichen Baufeldes übernehmen (entsprechend der derzeitigen Leistungsfähigkeit der MHS-Projektgruppe). Den Rest wird die GBG übernehmen, eventuell auch eine Genossenschaft. Alle werden zur Senkung der Gestehungskosten Landeswohnraumförderung in Anspruch nehmen und somit „Sozialwohnungen“ erstellen. Die Berechtigungsgrenze wurde in Baden-Württemberg deutlich heraufgesetzt, um tatsächlich „breiten Schichten der Gesellschaft“ den Zugang zu geförderten Wohnungen zu ermöglichen. Dieses Beispiel Hammonds gilt es zu als Regelfall zu fordern. Der Vorteil gegenüber profitorientierten privaten Bauträgern ist, dass selbst nach Auslaufen der Preisbindungsfrist (15 bis 25 Jahre) die Bauträger aufgrund ihrer Selbstbindung in aller Regel die Mieten nicht auf Marktniveau anheben.

Damit solche Modelle funktionieren, kommt es ebenfalls entscheidend auf die Kontrolle über potenzielle Baugrundstücke an. Gehören die Grundstücke Privaten, kann die Kommune diese zwar zu sozialem Wohnungsbau zwingen, aber nur wenn die Bauträger auf die Erteilung neuen Baurechts angewiesen sind. Dann lässt sich über städtebauliche Verträge mit der Auflage, eine Sozialquote zu erfüllen trefflich verhandeln, zumindest, solange die Betongold-Konjunktur so brummt wie bisher. Diese Fälle halten sich aber in Grenzen, da in Städten fast überall bereits Baurechte bestehen.

Ein weiterer üblicher Weg zur Umsetzung der Sozialquote ist der Verkauf städtischer Grundstücke an Private mit Konzeptausschreibung, die über städtebauliche Verträge gezwungen werden zu „spuren“. Damit freilich gibt die Kommune die Kontrolle über die Grundstücke auf. Beim Kämmerer sind solche Transfers jedoch sehr beliebt, heben sie doch die stille Bodenwertreserve, insbesondere in Zeiten der stürmischen Preissteigerungen. Im Mannheimer Stadthaushalt sind solche Außerordentliche Erträge von jährlich 10 Mio. Euro fest eingeplant. Davon wird sich die Stadt verabschieden müssen. Bei den letzten Haushaltsberatungen hatte die Linke vergeblich beantragt, 10 Mio. Euro aus den überplanmäßigen Steuereinnahmen zum Ankauf von wohnungsbaugeeigneten Grundstücken zu verwenden, um sie gemeinwohlorientierten Bauträgern auf dem Wege von Erbbaurechten zu minimalem oder Null-Zins zur Verfügung zu stellen. Dies würde insbesondere Bauträgern wie beispielsweise dem MHS, jungen Genossenschaften oder selbst der GBG zu weniger Eigenkapitalbedarf verhelfen. An einer kommunalen Bodenvorrats- und Erwerbspolitikpolitik geht kein Weg vorbei.

Sicherung preisgünstiger Bestandswohnungen

Ein weiteres nicht zu vernachlässigendes Thema ist die Sicherung von immer noch vorhandenen preisgünstigen Wohnen in privaten Bestandshäusern. Hier verlangt die Linke ebenso schon seit Jahren einen aktiven Einstieg der GBG in den Erwerb von Bestandsgebäuden und insofern eine Änderung der GBG-Strategie, die auch inzwischen auf sehr bescheidenem Niveau eingeleitet ist. In diesem Geschäft ist es oft wichtig, bei z.B. altersbedingt verkaufswilligen Eigentümer*innen, die durchaus nicht immer die Dollarzeichen in den Augen haben, als Erste „auf der Matte zu stehen“. Jedes so erworbene und maßvoll bewirtschaftete Mietshaus ist ein Beitrag gegen die Gentrifizierung und minimal auch zur Dämpfung des überhitzten Marktes. Um hier aktionsfähig zu sein, bräuchte die GBG eine Kapitalerhöhung von der Stadt. Auch davon wird im Wahlkampf zu reden sein.

In diesem Zusammenhang sind auch Instrumente wie Milieuschutz- oder Sanierungssatzungen mit entsprechende kommunalen Vorkaufsrechten zu prüfen.

Die Linke wird in Mannheim den Kommunalwahlkampf dazu nutzen, das inzwischen bei fast allen Parteien vorhandene Gerede über mehr Wohnungen und billigere Mieten in die Richtung zu drängen, dass wirklich effektive und nachhaltig wirksame Maßnahmen diskutiert werden – nicht nur von der Linken, und am Ende, nach der Wahl, auch noch umgesetzt werden.

Wo sind die Mieterbewegungen?

Ohne Bewegung lässt sich wenig bewegen. In Städten mit absolut durch die Decke gegangen Mietpreisen wie Berlin, Frankfurt, Hamburg oder auch Freiburg gibt es beachtliche Mieter*innenbewegungen. Sie entzünden sich häufig an bestimmten eklatanten Fehlentscheidungen kommunaler Verwaltungen, an besonderen Unverschämtheiten privater Bauträger ode skandalösen Leerständen. So gab es auch in Mannheim 2014/15 eine beachtliche Mieter*innenbewegung, die sich gegen den damaligen Beschluss der GBG richtete, ein ganzes Quartier (Adolf-Damaschke-Ring) aus den 1950er Jahren mit preiswerten Wohnungen zur Hälfte zu sanieren, zur Hälfte abzureißen und durch Neubauten zu ersetzen, ohne öffentliche Förderung und damit ohne Mietpreisbindung. Die Mieten hätten dann statt ca. 6 Euro/m² 11,50 Euro gekostet. Dagegen war der Widerstand erfolgreich. In dem zur Hälfte schon leerstehenden Sanierungsgebiet bekamen alle Mieter*innen die Zusage, zu nur geringfügig erhöhten Preisen in den sanierten Häusern bleiben zu können. Die Abrisspläne wurden reduziert und die Neubauten auf geförderten Wohnungsbau umgestellt. Es herrschte damals gerade auch Kommunalwahlkampf – eine gute Erfolgsvoraussetzung. 2016 versuchten Aktivist*innen von „Wem gehört die Stadt?“ die schon älteren Pläne der GBG, ein Quartier an der Carl-Benz-Straße abzureißen und durch „gehobenem Wohnungsbau“ zu ersetzen, mit einer Hausbesetzung zu verhindern. Die Aktion erregte Aufmerksamkeit, blieb aber erfolglos. Das Quartier war bereits entmietet.

2014 regte die Linke eine Mieter*inneninitiative im Stadtteil Neckarstadt Ost an, um sich gegen damals massiert auftretende Fälle von Luxussanierungen und Mieter*innenverdrängung durch Privatinvestoren zur Wehr zu setzen und eine Struktur der Nachbarschaftshilfe und Informationssammlung zu schaffen. Diese Initiative (FairMieten) entwickelte sich jedoch ziemlich schnell in eine sektiererische Richtung. Die Schwierigkeiten in der Auseinandersetzung mit verschiedenen Privatinvestoren sind auch tatsächlich kaum zu lösen. Die Initiative verlegte sich dann auf GBG-Bashing, mit dem sie überwiegend schief liegt.

Ein Aktivposten im Kampf um eine Neuausrichtung der Mannheimer Kommunalpolitik in Sachen Mietwohnungswirtschaft sind die drei MHS-Projekte 13 ha Freiheit, Solidarisches Wohnen und Kommunikation SWK sowie umBAU² Turley. Diese Projekte, die von der Linken intensiv unterstützt wurden – weitere sind im Aufbau -, haben die Diskussion über neue Wohnformen befördert; sie haben bewiesen, dass preisgünstigeres und trotzdem qualitätsvollen Bauen möglich ist. Auch der Mannheimer Mieterverein ist natürlich ein wichtiger Bündnispartner. Er ist aber in der Vertretung wohnungspolitischer Fragen auf Ortsebene noch eher zurückhaltend. Wohnungs- und Mietpolitik ist eben typische Dickbrettbohrerei, insbesondere, wenn die politischen Rahmenbedingungen unsozial sind.

Abb. (PDF): umBAU² Turley: eine der drei Mannheimer Mietshäuser-Syndikat-Wohngruppen

Abb. (PDF): Auf dem Weg zur 1.-Mai-Kundgebung 2017