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Nr.7/2019, S.18a

Rechtsstreit RA M. Moos, Freiburg ./. Verfassungsschutz BaWü – Urteil vom 11.7.2019 -

Wer schützt uns vor dem Verfassungsschutz?

Pressemitteilung, Der Freiburger Rechtsanwalt Michael Moos führt seit zehn Jahren mit dem Verfassungsschutz Baden-Württemberg einen Kampf um seine Daten. Am 11.7.2019 hat die 1. Kammer des Verwaltungsgericht Stuttgart sein heute bekannt gegebenes Urteil gesprochen. Bisher ist nur das Ergebnis bekannt, eine Begründung wird das Gericht den nächsten Wochen nachreichen. Aber schon allein das Ergebnis des Verfahrens ist beachtenswert.

Das Verwaltungsgericht hat festgestellt,

– dass der Verfassungsschutz Baden-Württemberg von Anfang an die Daten von 15 Verteidigerbesuchen von Rechtsanwalt Moos in den Jahren 1982/3 bei einem inhaftierten Mandanten rechtswidrig erfasst und gespeichert hat,

– dass der Verfassungsschutz die von ihm im Beobachtungsfeld „Linksextremismus“ erhobenen Daten zu Rechtsanwalt Moos nicht länger als bis zum 31.12.2000 hätte speichern dürften und die weitere Speicherung bis zur vom Verfassungsschutz selbst angeordneten Löschung am 7.2.2013 rechtswidrig gewesen ist,

– und, dass der Verfassungsschutz immerhin zwei Drittel der Kosten des Verfahrens zu tragen hat.

Somit ist Rechtsanwalt Moos vierzehn bzw. zwölf Jahre vom Verfassungsschutz des Landes rechtswidrig beobachtet und seine Daten rechtswidrig gespeichert worden.

Schon jetzt kann – bei aller Zwiespältigkeit des Urteils im Übrigen – gesagt werden, dass dies ein großer Erfolg ist. Denn es kommt äußerst selten vor, dass sich ein Bürger oder eine Bürgerin gegen die Beobachtung durch den Verfassungsschutz gerichtlich zu Wehr setzt. Dies ist nicht verwunderlich, denn die Betroffenen wissen in aller Regel gar nicht, dass sie vom Verfassungsschutz beobachtet und ihre Daten gespeichert werden. Und dann müssen Geduld, viel Energie und Kosten auf sich genommen werden, um einen jahrelangen Rechtsstreit zu führen, im Falle von Rechtsanwalt Moos zehn Jahre.

Hierzu sagt der Prozessbevollmächtigte von Rechtsanwalt Moos, der Freiburger Rechtsanwalt und Vorsitzende der den Prozess unterstützenden Humanistischen Union Baden-Württemberg, Dr. Kauß: „Diese Behörde ist es gar nicht gewohnt, dass ihr Handeln rechtlich und vor allem gerichtlich überprüft wird. Der Verfassungsschutz hat es sich in der Rolle eines „rechtlich Unberührbaren“ bequem gemacht. Und diese Behörde muss sich nun mit dem Vorwurf auseinandersetzen, über 14 Jahre hinweg rechtswidrig die Daten über einen Bürger gespeichert zu haben und damit die Hälfte aller über Rechtsanwalt Moos gespeicherten Aktenseiten. Das sollte Konsequenzen haben.

Es ist ein großer Fortschritt, dass der Verfassungsschutz sich nicht mit seiner Ansicht hat durchsetzen können, dass die Mitgliedschaft eines DKP-Funktionärs in der kommunalen Listenverbindung Linke Liste, der Rechtsanwalt Moos im Freiburger Gemeinderat seit 1999 angehört, erlaubt, alle Personen, die mit diesem Funktionär in politischem Kontakt stehen, als linksextremistisch beeinflusst zu überwachen, wie dies im Fall von Rechtsanwalt Moos geschehen ist.“

Andererseits: Eine zwiespältige Entscheidung! Nicht zufrieden sind wir damit, dass das Gericht die Beobachtung und Speicherung von Daten über Rechtsanwalt Moos für die Zeit von 1978 bis 1998 bzw. 2000 für rechtmäßig befunden hat.

Das Gericht hat offenbar die Erhebung und Speicherung von Daten über Rechtsanwalt Moos für zulässig gehalten, wenn er sich im Umkreis einer vom Verfassungsschutz beobachteten angeblich linksextremistischen Organisation bewegt hatte. Es kam also überhaupt nicht darauf an, dass Rechtsanwalt Moos selbst keine verfassungsfeindlichen Bestrebungen verfolgte. Es reichte schon, wenn er als Referent auf einer Veranstaltung z.B. der Roten Hilfe aufgetreten ist. Das eine Art Kontaktschuld.

Dazu Rechtsanwalt Moos: „Da ich mich im Laufe der Jahrzehnte sehr häufig kritisch mit der Entwicklung vom Rechts- zum Sicherheitsstaat befasst habe und auf einer Vielzahl von Veranstaltungen dazu referiert und diskutiert habe, gibt es also eine Fülle von derartigen Erkenntnissen. Sogar das Einweihungsfest unserer Kanzlei im Hegar-Haus 1994 ist nachrichtendienstlich überwacht worden, durch einen Spitzel des Amtes, eine ,Quelle‘, wie es das Amt lieber hört. Ich wehre mich dagegen, dass meine Bemühen um rechtsstaatliche und demokratische Verhältnisse mit meiner Erfassung und Zuordnung zum ,linksterroristischen Beobachtungsfeld‘ quittiert wird.“

Man wird abwarten müssen, wie das Gericht die von ihm vorgenommenen zeitlichen Zäsuren begründet. Dann wird auch darüber entschieden, ob gegen das Urteil Berufung eingelegt werden wird.

Es bleibt bei allem Erfolg ein zwiespältiges Gefühl.

gez. Dr. Udo Kauß, Rechtsanwalt in Freiburg, Vorsitzender HUMANISTISCHE UNION LV Baden-Württemberg