PB
PDF

PB
ARCHIV

Nr.10/2019, S.05

Podemos-Abspaltung: Republikanisch-ökologisches Parteiprojekt beteiligt sich an den spanischen Parlamentswahlen im November

Claus Seitz, San Sebastián

01 Dok: Iñigo Errejon zur politischen Ausrichtung des neuen Parteiprojekts

02 Info: Das spanische Wahlsystem, Regierungsstabilität, wahltaktische Manöver

Die regionale Wahlplattform Más Madrid (mehr Madrid) wird mit Iñigo Errejon (Ex-Nr. 2 von Podemos) als Spitzenkandidat in der Provinz Madrid zu den Parlamentswahlen im November antreten. Compromis (Regionalpartei in der autonomen Region Valencia), Chunta (Regionalpartei in der Region Aragonien) und die Umwelt-Partei Equo haben sich der Initiative angeschlossen.

In bis zu fünfzehn Provinzen mit mindestens sieben Abgeordnetensitzen sollen Listen eingereicht werden. Sicher ist bis jetzt die Kandidatur aber neben Madrid nur in weiteren großstädtischen Provinzen wie Valencia, Zaragoza und Murcia.

Begründung für die Kandidatur: Verhindern, dass die Enttäuschung wegen der gescheiterten Verhandlungen zur Regierungsbildung im progressiven Spektrum zur Wahlenthaltung führt und eine progressive Regierung ermöglichen. Errejon zu den gescheiterten Verhandlungen zwischen den Sozialisten (PSOE) und Podemos: „Ich weiß nicht, wen mehr Schuld trifft, das scheint mir auch nicht entscheidend. Parteiinteressen waren aber wichtiger als die Interessen des Landes.“

Zur Vorgeschichte

Podemos gründete sich am 11. April 2014 vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen und politischen Krise und der Korruptionsskandale der regierenden Volkspartei und der von der Bewegung 15-M der Indignados („Empörte“) ausgelösten Proteste. Bis zur ersten Beteiligung an den spanischen Parlamentswahlen am 20.12.2015 gelang es Podemos verschiedenste linke politische Strömungen im Wahlbündnis mit starken regionalen Kräften in Katalonien, Galicien und Valencia zu einen. Zudem konnte die ökologische Partei, Equo, auf staatlicher Ebene in Podemos integriert werden. Equo hält im Rahmen von Unidos Podemos heute Sitze im spanischen Parlament, im Europaparlament und in den Parlamenten verschiedener autonomer Regionen.

Auf Anhieb erzielte Podemos 5,19 Millionen Stimmen (20,66 %). Die getrennt kandidierende traditionelle linke spanische Partei Vereinigte Linke (IU) fiel auf 0,92 Millionen Stimmen (3,68 %) zurück. Damit blieb Podemos nur knapp hinter den Sozialisten.

Nach dem erstmaligen Scheitern von Verhandlungen zu einem Regierungsbündnis PSOE-Podemos, schloss Podemos in der Hoffnung, damit die Sozialisten überflügeln zu können, zu den Neuwahlen am 26. Juni 2016 gegen die Stimmen interner Kritiker ein Bündnis mit der Vereinigten Linken unter dem Namen Unidos Podemos. Wenn man so will, „das breitest mögliche Bündnis“. Das Ergebnis war enttäuschend. Unidos Podemos verlor eine Million Stimmen im Vergleich zu Podemos plus IU (5,05 Mio., 21,1 %).

Bei der Aufarbeitung der gescheiterten Verhandlungen und der Wählerverluste auf dem Kongress Vistalegre 2 formierte sich eine kritische Strömung um Iñigo Errejon.

Errejons Analyse zum damaligen Wahlergebnis:

„Am 20.12.2015 gewährten die Spanier 5 Millionen Stimmen, diese 5 Millionen waren aber nicht monolithisch, sie waren unterschiedlichster Herkunft. Das hätte man ernst nehmen müssen. Im gegebenen Moment entschied Podemos einen anderen Weg einzuschlagen und auf die Transversalität (sinngemäß wohl: „das Überschreiten politischer Lager“) zu verzichten. Das macht es sehr schwierig ein fundamentaler Akteur im politischen Wandel, der Modernisierung und der Durchsetzung sozialer Gerechtigkeit in unserem Land zu sein. Das historische Projekt der Linken ist nicht, die Linken zu einigen, sondern das Leben der einfachen Menschen zu verbessern, egal wen sie auch wählen, eine nützliche politische Kraft zu sein, die verändert, und die die Fähigkeit hat, Menschen, die sehr verschieden sind, zu vereinen. (…) Man setzte stärker darauf, nach innen zu schauen und die traditionelle Identität der linken Parteimitglieder zu befriedigen, als von der Gesamtheit des Landes zu sprechen. Zu diesem Zeitpunkt suchte Spanien in uns eine politische Kraft, die es versteht aufzubauen, nicht eine, die sich streitet und den Spaniern erneut Etiketten umhängt. Davon hatte es schon zu viele, und man wählte klar eine Position, die stark der traditionellen spanischen Linke ähnelte und die meiner Meinung nach die Wahlergebnisse der traditionellen Linke zur Folge hat … Podemos hätte niemals die Transversalität aufgeben und sich mit einer Ecke im linken Lager zufrieden geben sollen.“

Auf der Abstimmung im Kongress blieb die Errejon-Strömung mit etwa einem Drittel der Stimmen in der Minderheit. Errejon wurde nach dem Kongress seines Postens als Fraktionssprecher von Podemos im Parlament enthoben und nach Madrid in die zweite Linie abgeschoben, um dort bei den Regionalwahlen im April 2019 zu kandidieren. Ähnlich erging es vielen internen Kritikern.

Die dritte, kleinere Strömung in Podemos, die antikapitalistische, mit starkem Rückhalt in Andalusien, kritisiert vor allem die stark zentralistische Ausrichtung der Partei.

Madrider Erfahrungen

Am 13. Juni 2015 wurde Manuela Carmena, eine unabhängige, linke Juristin, als Kandidatin der Bündnisliste Ahora Madrid, in der Podemos und Vereinigte Linke integriert waren, zur Madrider Bürgermeisterin gewählt. Im Laufe der Legislaturperiode kam es zu scharfen internen Auseinandersetzungen mit Referenten aus Reihen der Vereinigten Linken (IU) und Podemos. Zur Zuspitzung kam es, als in einer Auseinandersetzung um eine Deckelung der städtischen Ausgaben der Wirtschafts- und Finanzreferent Carlos Sanchez Mato (IU) gegen die moderate Linie der Bürgermeisterin eine scharfe Konfrontation mit dem spanischen Finanzminister Montoro führte und die Stadtregierung an den Rand der Auflösung brachte. Carmena trennte sich von Mato im Dezember 2017. Aufgrund der verfahrenen Fronten bildete Carmena unterstützt von Teilen des alten Bündnisses zu den Kommunalwahlen im Mai 2019 eine eigene, unabhängige Liste Más Madrid. Vereinigte Linke und Antikapitalisten kandidierten mit Mato als Spitzenkandidaten unter dem Namen Madrid en Pie. Podemos unterstützte offiziell die Liste Más Madrid mit Carmena. Am Tag vor der Wahl, zu einem Zeitpunkt als bereits klar war, dass Madrid en Pie keine Repräsentation erreichen würde, erklärte Pablos Iglesias jedoch seine Unterstützung für Madrid en Pie.

Bei den Wahlen wurde Más Madrid stärkste Liste in Madrid mit 503.900 Stimmen (30,34 %), Madrid en Pie erreichte mit 42.855 Stimmen (2,63 %) keinen Sitz im Stadtparlament. Beide Listen zusammen erhielten gerade 500 weniger Stimmen als 2015. Manuela Carmena verlor das Bürgermeisteramt knapp gegen die vereinte Rechte.

Zur gleichzeitig stattfindenden Wahl zum Regionalparlament der autonomen Region Madrid entschied sich Iñigo Errejon unterstützt von Manuela Carmena auf der gleichnamigen Liste Más Madrid zu kandidieren. Unidos Podemos stellte sich mit eigener Liste zur Wahl. Más Madrid mit Errejon erreichte mit 14,65 % der Stimmen fast dreimal so viel Stimmen wie Unidos Podemos 5,55 %.

Más Madrid verteidigte sich gegen den Vorwurf der Spaltung damit, dass, während Podemos in allen autonomen Regionen schwere Verluste erlitten hätte, nur in Madrid in Summe der beiden Listen der linke Stimmenanteil gehalten werden konnte.

Bei den Parlamentswahlen im April 2019 schrumpfte Unidos Podemos erneut auf nur noch 3,7 Millionen Stimmen (14,3 %). Offensichtlich stimmten große politische Wählerschichten des ursprünglichen Wählerpotentials von Podemos mit Inhalten und Stil der Podemos-Politik nicht überein. Interne kritische Strömungen konnten oder wollten nicht dauerhaft integriert werden. Errejon und seine Liste begeben sich jetzt auf den Weg, die verlorenen Wähler einzusammeln für ein anderes Projekt, als es Podemos darstellt. Es geht auseinander, was zusammen nicht funktionierte.

Es wird sich zeigen, ob das Ergebnis der Madrider Regionalwahlen bei den Parlamentswahlen in der Provinz Madrid bestätigt wird und ob außerhalb von Madrid ähnlich gute Ergebnisse erzielt werden können.

Más Madrid wagt ziemlich unvorbereitet einen ersten Schritt der Ausdehnung ins Land, es bestehen keinerlei Parteistrukturen, ein Programm liegt noch nicht vor. Unmittelbares Ziel werden fünf Prozent der Stimmen auf Landesebene und damit der Fraktionsstatus im Parlament sein.

Sollte die Kandidatur Erfolg haben, wird eine Parteigründung auf nationaler Ebene folgen und es wird zu einer Neuausrichtung des linken-progressiven Lagers kommen. Dann wird man sehen, wie attraktiv das Politikangebot des neuen Parteiprojekts den Wählern erscheint und ob sich Unidos Podemos als eine einflussreiche linke politische Kraft nahe der 15 %-Marke behaupten kann. Über die zu erwartende politische Ausrichtung der neuen Partei wurden einige Ausführungen von Errejon zusammengestellt (siehe Kasten Seite 5). Es würde nicht verwundern, wenn die neue Partei in ihrem Parteinamen den Zusatz „grün“ führen wird.

Abb. (PDF): Wahlplakat Más Madrid: „Wie schön wäre das. Manuela (Bürgermeisterin) im Rathaus. Iñigo (Präsident) der autonomen Region (Madrid)“

01

Dok: Iñigo Errejon zur politischen Ausrichtung des neuen Parteiprojekts

Más Madrid hat eine spannende Aufgabe und einen langen Weg vor sich, sich als politische Kraft in Madrid zu formieren, für die Grün und Umweltschutz nicht nur eine Ergänzung ist, sondern die zentrale Achse ihres Programms.

Es gilt, die ökologische Krise und den Wandel zu einer ökologischen Politik auszunutzen, um soziale Gerechtigkeit zu verwirklichen und unsere Gesellschaften zu demokratisieren.

Ein anderes politisches Projekt, das lernwillig ist, grün, aufmerksam, mit einer republikanischen politischen Kultur im Sinne der Pflege der Institutionen, beginnend bei den eigenen.

Wir wollen zwei politische Kulturen kreuzen … Die starke republikanische Überzeugung, dass es ohne Gleichheit keine Freiheit gibt. Wenn Du Angst hast, dass sie Deinen Arbeitsvertrag nicht verlängern, dass es keinen Platz für Deine Eltern im Altersheim gibt oder keinen Platz in der Vorschule und Deine Kinder unter ungleichen Bedingungen im Wettbewerb stehen, wenn Du Angst hast, bist Du nicht frei. (…) Soziale Gerechtigkeit ist ein grundlegender Bestandteil der Demokratie und soziale Gerechtigkeit und Freiheit müssen Hand in Hand gehen. Und gleichzeitig eine grüne Empfindlichkeit für das, was die größte Herausforderung ist, der unser Planet und unsere Gesellschaften gegenüberstehen: dass wir so nicht weiterleben können, weil wir mehr konsumieren, als unser Planet nachhaltig verkraften kann, dass wir unsere Produktions-, Verteilungs- und Konsummethoden verändern und in Verbindung bringen müssen. Und dass dies eine ungeheure Chance ist, unsere ökonomischen Einrichtungen zu modernisieren und soziale Gerechtigkeit herzustellen. Die republikanische Freiheitsidee, der Freiheit als Leben ohne Furcht, als Freiheit mit sozialer Gerechtigkeit mit dem Umweltschutz zu vereinen, scheint mir eine spannende Aufgabe … in den USA z.B. mit Ocasio-Cortez oder Bernie Sanders. Auf dieser Linie kommen einige der interessantesten Erneuerungen.

Die nächste Regierung muss eine Regierung sein, die sich dem ökologischen Wandel, der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen, dem Kampf gegen prekäre Arbeitsverhältnisse und der Schaffung von Reichtum vermittels des ökologischen Wandels unserer Wirtschaft und einer digitalen Wirtschaft verpflichtet.

Es gibt eine zentrale Linie, die für uns nicht nur ein Programmabsatz ist: der ökologische Wandel unserer Wirtschaft. Wir bekennen uns als grüne Kraft, die versteht, dass die politische Ökobewegung ein Hebel der wirtschaftlichen Modernisierung und des Wandels zu einem angenehmeren und lebenswerteren Dasein ist. Wir haben in Madrid viele grüne Vorschläge für die Region gemacht.

Quellen: Verschiedene Interviews mit Errejon in eldiario.es 2019

02

Info: Das spanische Wahlsystem, Regierungsstabilität, wahltaktische Manöver

Nach dem erneut keine Regierung gebildet werden konnte, finden am 10. November Neuwahlen zum spanischen Parlament statt, die vierte Wahl in nicht einmal vier Jahren.

Zum besseren Verständnis der Situation hier einige Erläuterungen zu den Besonderheiten des spanischen Wahlsystems:

Die Verteilung der 350 Abgeordnetensitze im spanischen Parlament findet nicht auf Basis der auf gesamtstaatlicher Ebene erreichten Stimmen statt, auch nicht auf den in den 17 autonomen Regionen erzielten Ergebnissen. Maßgebend ist das Wahlergebnis in jeder einzelnen der 50 Provinzen und in den zwei autonomen Städten Melilla und Ceutas. In diesen 52 Wahlbezirken erfolgt die Verteilung der Sitze zwischen den Parteien nach dem d’Hondt-System. (Die Regionen Madrid, Asturien, Kantabrien, Murcia, Navarra und La Rioja bestehen aus nur einer Provinz.)

Welche Konsequenz hat die Verteilung der 350 Sitze auf Ebene der 52 Provinzen und autonomen Städte?

Neben den großen, bevölkerungsreichen Provinzen wie Madrid (37 Abgeordnetensitze), Barcelona (32), Valencia (15), Sevilla und Alicante (12), Malaga (11) und Murcia (10) gibt es auch 28 kleinere Provinzen bzw. autonome Städte, denen lediglich zwischen ein bis fünf 5 Abgeordnetensitze zustehen. Offiziell gilt eine 3 %-Mindesthürde, faktisch werden aber schon in Provinzen mit vier bis fünf Abgeordnetensitzen ca. 15 % der Stimmen benötigt, um einen Sitz zu erreichen. In den noch kleineren Provinzen entsprechend mehr. Das heißt, die in den kleinen Provinzen für kleinere Parteien abgegebenen Stimmen gehen im Regelfall verloren. Zweifellos wird dadurch auch das Abstimmungsverhalten in den kleineren Provinzen zuungunsten der kleinen Parteien konditioniert.

So geschah es über Jahrzehnte der spanischen Vereinigten Linken, lange Zeit drittgrößte Partei auf staatlicher Ebene, die im Regelfall nur Sitze in den großen Provinzen Madrid, Barcelona, Sevilla und Valencia erzielte. 1996 bei ihrem besten Wahlergebnis erreichte die Vereinigte Linke 10,54 % der Stimmen auf gesamtstaatlicher Ebene, aber nur 21 Sitze, d.h. nur 6 % der 350 Sitze. 2011 waren es 6,92 % der Stimmen und 8 Sitze (2,3 %).

Umgekehrt werden die großen Parteien auf stattlicher Ebene, PSOE und PP, begünstigt. Nationalistischen, regionalen Parteien mit starker Verankerung in den jeweiligen Provinzen gewährleistet das Wahlsystem eine adäquate Repräsentation im spanischen Parlament. Die bemerkenswerte Vielfalt kleinerer regionaler Parteien in Spanien erklärt sich auch auf diesem Hintergrund.

Anhand der tabellarischen Übersicht der Stimm- und Sitzanteile im spanischen Parlament nach den Wahlen im April 2019 lässt sich das Ausgeführte gut nachvollziehen.

Bei den neun Wahlen zwischen 1982 und 2011 gingen entweder die Sozialisten oder die Volkspartei als Sieger hervor und regierten ausschließlich in Form von Ein-Parteien-Regierungen entweder mit absoluter Mehrheit (fünfmal) oder mit einfacher Mehrheit. Einfache Mehrheiten wurden durch politische Pakte normalerweise mit den baskischen oder katalanischen nationalistischen Parteien abgesichert. Eine Koalitionsregierung auf staatlicher Ebene hat es bis dato nie gegeben. Selbstredend existiert natürlich auch keine Koalitionskultur.

Man sprach deshalb von einem „Zwei-Parteien-System“ mit hoher Regierungsstabilität.

Dies änderte sich schlagartig mit den Wahlen 2015, als die neugegründete Linkspartei Podemos auf 20,66 % und die liberalen Ciudadanos auf 13,94 % der Stimmen kamen. Seither hat es zwei gescheiterte Versuche von Minderheitsregierungen, einmal unter Rajoy (PP) und zuletzt unter Sanchez (PSOE) gegeben. Auch bei zwei weiteren Wahlen 2016 und 2019 (April) ließen die Wähler sich nicht zur Rückkehr zum „Zwei-Parteien-System“ bewegen. Im April 2019 erzielten Ciudadanos 15,86 % und Podemos noch 14,31 % und es kam mit der rechtsextremen Vox eine weitere 10 %-Partei hinzu.

Viele wahltaktische Manöver finden ihre Erklärung in dieser Besonderheit des Wahlsystems. Die Volkspartei PP hat den beiden anderen Rechtsparteien Ciudadanos und Vox jetzt vorgeschlagen, zu den Wahlen eine gemeinsame Liste „España Suma“ zu bilden, um in den kleinen Provinzen wegen der Aufspaltung auf drei Parteien keine Sitze zu verlieren. Nachdem dies von Ciudadanos abgelehnt wurde, macht sie Druck auf Vox, in 26 kleinen Provinzen nicht zu kandidieren. Die neue Partei von Iñigo Errejon hat auf Kandidaturen in Provinzen mit sieben und weniger Sitzen verzichtet, um das progressive Lager nicht durch Zersplitterung der Stimmen zu schaden. Und PSOE setzt offensichtlich darauf, Unidos Podemos möglichst weit unter das 15 %-Niveau zu drücken, um den Rivalen im linken Lager entscheidend zu schwächen und handzahm zu machen.

Nach letzten Umfragen wird im rechten Lager die Volkspartei (PP) von Vox und vor allem von Ciudadanos wieder deutlich Stimmen hinzugewinnen. Viele Wähler wenden sich von Ciudadanos wegen ihres Kurswechsels nach stramm rechts ab, wegen der schroffen Absage an eine Koalition mit PSOE (bzw. Duldung einer PSOE-MInderheitsregierung) und der Bündnisse mit der rechtsextremen Vox in Madrid und Andalusien. Prominente Vertreter ihres sozialliberalen Flügels haben deswegen die Partei verlassen.

Der PP-Vorsitzende Casados hat sich nach scharfer innerparteilicher Kritik einen Bart wachsen lassen, viel Kreide gefressen, seinen extremen Diskurs gemäßigt und schaut jetzt zu, wie verlorene Wähler wieder zurückkehren.

Sanchez (PSOE), der eine Koalition mit Podemos an deren Forderung nach Ministerposten hat platzen lassen, versucht sich als den großen Stabilitätsgaranten für Spanien zu stilisieren, seine zentrale Losung für den Wahlkampf hat er von „Progressive Regierung“ auf „Ahora España“ (Jetzt Spanien) gewechselt. In seinen Reden erwähnt er in jedem Satz entweder Spanien oder Nation, auch er fischt im Ciudadanos-Wählerbecken.

Man darf zweifeln, ob sein Kalkül, sowohl von Podemos als auch in der Mitte Wähler hinzugewinnen, aufgehen wird.

Ob das linke Lager wegen der weiteren Fraktionierung durch die neue Partei Errejons Stimmen verlieren wird oder gar gestärkt wird, da sind sich die Wahlauguren noch sehr unsicher.

Mit größter Wahrscheinlichkeit wird auch nach der erneuten Wahl keine Regierungsbildung möglich sein, wenn die gegenseitige Blockadepolitik nicht aufgehoben wird und einige anfangen, über ihren Schatten zu springen. Oder man ändert einfach das Wahlrecht und schenkt wie in Griechenland der stärksten Partei zusätzlich 50 Sitze (ein von Sanchez schon vor Monaten lancierter Vorschlag). Dann braucht es auch weiterhin keine Verständigungskultur.