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Nr.12/2019, S.07

Neue Straßen in Papua-Neuguinea: Die, die sie brauchen, bekommen sie nicht

Edda und Helmut Lechner, Norderstedt

Die Insel Neuguinea beherbergt die drittgrößte Fläche des tropischen Regenwaldes auf unserem Planeten. Der Staat Papua-Neuguinea (PNG), der die östliche Hälfte der Insel Neuguinea und eine Vielzahl von Inseln im Südpazifik einnimmt, besitzt davon einen riesigen Anteil, rund 328 000 qkm. In diesen Urwäldern sind natürlicherweise große Mengen an Kohlenstoff in der üppigen Vegetation und im Boden eingeschlossen, der bei beim Abholzen freigesetzt würde. Auch wimmelt es hier von Pflanzen- und Tierarten, die sonst nirgendwo auf der Welt zu finden sind, so mehrere seltene Baumkängurus und prächtige Paradiesvögel.

Nun will die Regierung von Papua-Neuguinea in den nächsten Jahren mehr als 6 000 Kilometer Straßen bauen, angeblich um die Infrastruktur zu verbessern und das Land aus der Armut zu befreien. Für die Bevölkerung, die mehrheitlich in schwer zugänglichen entlegenen Gebieten wohnen, wäre ein neues Verkehrsnetz durchaus von großem Vorteil. Zumal viele der zurzeit vorhandenen Straßen in Papua-Neuguinea in einem äußerst schlechten Zustand sind. Aber bedeuten diese aktuellen Regierungspläne, mal unabhängig von den damit verbundenen Umweltproblemen, wirklich eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lebensbedingungen?

Ein Team von Wissenschaftlern hat sich unter der Leitung von Mohammed Alamgir, dem Umweltwissenschaftler an der James Cook University in Cairns, Australien, daran gemacht, die Auswirkungen der Pläne für den Straßenbau an Hand von Satellitenkarten zu überprüfen. Die Karten zeigen klar die Gebiete mit intaktem oder geschädigtem Wald im Land, die Steilheit der Hänge in den noch weitgehend bewaldeten Hochländern und außerdem die Standorte von Parks und Reservaten, Mooren und potenziellen oder aktuellen industriellen Abbaustätten. Sie warnen, diese Pläne könnten den natürlichen Reichtum des Landes ernsthaft gefährden und kämen der Bevölkerung nicht zugute.

„Die neuen Straßen werden viele Entwaldungs-Flächen in den Regenwäldern und in den kohlenstoffreichen Mooren schaffen, die die Treibhausgasemissionen stark erhöhen“, stellt Alamgir nach der Untersuchung fest. Neue Straßen in bisher abgelegene Gebiete werden zu mehr Holzeinschlag, intensiver Landwirtschaft und mehr Jagd führen und somit das Aussterben gefährdeter Arten hervorrufen. Die Straßen werden 3.740 Quadratkilometer Urwald und weitere 3.080 Quadratkilometer der Kernwälder vernichten. Daneben werden sie die sogenannten „Connectivity Forests“ beschädigen, die als wichtige Korridore zwischen den Urwaldgebieten für die Bewegung von gefährdeten Tierarten nötig sind. Die geplante Trasse durchquert zudem den relativ ungestörten Tieflandregenwald Kamula Doso. Ein bestimmter Abschnitt, bekannt als „missing link“ (das „fehlende Glied“) der Epo-Kikori, durchzieht einen dichten Baumbestand. Und mehr als 300 Kilometer der geplanten Straßen werden außerdem rund 680 Quadratkilometer Moore durchqueren. Mal unabhängig davon, dass solch ein Streckenbau besonders teuer ist, gehören diese Gebiete in PNG zu den besonders kohlenstoffreichen sumpfigen Gebieten mit Kohlenstoffschwamm im ganzen Land.

Der Bau der neuen Straßen sei auch deshalb bedenklich, sagte Alamgir, weil viele der acht Millionen Menschen in Papua-Neuguinea in irgendeiner Weise von den vorhandenen Wäldern wirtschaftlich und sozial abhängig sind. Mehrere der geplanten Straßen führen absurderweise in Gebiete, die fast frei von Menschen sind. Deshalb sei es bei diesem Infrastrukturprojekt unwahrscheinlich, dass die Straßen der Mehrheit der Bevölkerung überhaupt zugutekämen. Stattdessen liegen die Verkehrswege entlang jener Abschnitte, die auf Bergbaukonzessionen für Unternehmen hinweisen, die aus dem Landesinneren Bodenschätze wie Gold und Kupfer gewinnen wollen. Und nur deshalb soll auch ein großer Teil der Straßen mitten ins „empfindliche“ Hochland im Innern von Papua-Neuguinea gebaut werden, obwohl auch hier steile Hänge und heftige jährliche Niederschläge die für den Bau und die Instandhaltung erforderlichen Investitionen in die Höhe treiben. „Ein paar Politiker und Landentwickler werden sehr reich werden, aber der Rest des Landes leidet – die traditionellen Gemeinschaften verlieren ihre Wälder, ihre Fischerei und sauberes Wasser“, so Alamgir.

Er und seine Kollegen stellen ernste Fragen nach dem Wert und den wirklichen politischen Zielen des staatlichen Projektes. Sie schlagen vor, dass die Investitionen anstelle einer aggressiven Erweiterung des Straßennetzes auf die Reparatur, die Modernisierung und den Ausbau des bereits für die Bevölkerung bestehenden Straßennetzes ausgerichtet werden müssten. Denn diese seien derzeit in einem äußerst schlechten Zustand. „Zwei Drittel der bestehenden Straßen von PNG sind fast unbrauchbar“, so Alamgir. „Warum ein Vermögen für den Bau neuer Straßen ausgeben, die du nicht in Stand halten kannst? Man sollte aus der Geschichte lernen, denn Papua-Neuguinea wird der große Verlierer sein und jahrelange soziale und ökologische Krisen werden die Folgen sein.“

Infos und Quelle: https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0219408#pone-0219408-g008

Abb. (PDF): Strassen, Karte und Foto