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ARCHIV

Nr.12/2019, S.10

THEMA: Linke Gesunheitspolitik - Hamburg - Köln

01 Links wirkt: Hamburg bekommt Stadtteil-Gesundheitszentren

02 dok: Antrag: Hamburg nur sozial – Gute Gesundheitsversorgung für alle mit Stadtteilgesundheitszentren

03 Köln: Städtische Kliniken in kommunale Hand! – Standort Holweide bleibt! – Jörg Detjen

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Links wirkt: Hamburg bekommt Stadtteil-Gesundheitszentren

Thorsten Jannoff, Zusammengestellt aus: www.linksfraktion-hamburg.de/die-linke-in-der-buergerschaft-stadtteilgesundheitszentren/

Wer arm ist lebt kürzer. Ob es die Sorgen um den Arbeitsplatz sind, die Menschen krank machen, ungesünderes Essen vom Discounter oder Suchtprobleme: Gesundheit ist nicht einfach eine Frage von individuellem Verhalten, sondern von sozialer Ungleichheit. Zudem ist die ärztliche Versorgung in ärmeren Stadtteilen deutlich schlechter als in Gebieten mit hohen Durchschnittseinkommen. Interdisziplinäre Stadtteilgesundheitszentren wie die Poliklinik auf der Veddel setzen hier an. Neben Ärzt_innen bieten sie Rechtsberatung, soziale Arbeit und Psycholog_innen an. In der Bürgerschaftssitzung am Mittwoch, dem 20.November haben wir beantragt: Hamburg soll öffentlich-rechtliche Gesundheitszentren aufbauen. Der rot-grüne Senat hat im Vorfeld unser Anliegen aufgegriffen und die Einrichtung von sieben lokalen Gesundheitszentren verkündet. Dazu erklärt Deniz Celik, gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion:

„Zur nachhaltigen Bekämpfung der gesundheitlichen Ungleichheit haben wir Stadtteil-Gesundheitszentren beantragt. Um die Gemeinwohlorientierung sicherzustellen, war es uns wichtig, dass kommunale bzw. gemeinnützige Zentren entstehen. Außerdem war es uns wichtig, dass gegen die Ungleichverteilung der Ärzte in Zukunft eine kleinräumige Planung erfolgt. Unser Antrag hat bewirkt, dass der Senat den Aufbau von sieben Gesundheitszentren in Hamburg angekündigt hat. Das ist ein erfreulicher Schritt in die richtige Richtung und zeigt, dass unsere Oppositionsarbeit wirkt.

Jedoch ist es für uns nicht nachvollziehbar, weshalb unser Antrag nicht zur fachlichen Beratung in den Ausschuss überwiesen, sondern direkt abgelehnt wurde. Zwar hat der Senat in seiner Pressemitteilung Eckpunkte genannt, aber viele Fragen sind immer noch ungeklärt. 100 000 Euro Förderung je Zentrum ist alles andere als eine auskömmliche Finanzierung. Damit besteht die Gefahr, dass sich keine Träger finden werden. Deshalb fordern wir eine Aufstockung der Förderung sowie eine kommunale Trägerschaft, falls sich keine gemeinnützigen Träger_innen finden. Außerdem wünschen wir uns, dass Ärzte aus verschiedenen Fachrichtungen (Haus-, Kinder-, Frauenärzte) interdisziplinär zusammenarbeiten. Der Senat spricht lediglich von Haus- oder/und Kinderärzten. Kinder- und Hausärzte sind aber keine Alternative zueinander. In den Zentren muss es mindestens beide Arztgruppen geben.

Außerdem ist es unverständlich, weshalb der Senat die Standorte von den Trägern abhängig macht. Die Zentren müssen dort aufgebaut werden, wo der Bedarf am größten ist. Hierfür brauchen wir auch eine aktualisierte Berichterstattung über Morbiditätsraten und Sozialindikatoren. Und für eine gerechtere Verteilung der Ärzte und zusätzliche Arztsitze in unterversorgten Stadtteilen ist eine kleinräumige Bedarfsplanung unabdingbar. Es ist auch eine Folge der Zwei-Klassen-Medizin, dass Ärzte sich ungerne in einkommensschwachen Stadtteilen niederlassen. Weshalb Hamburg auf das Instrument der kleinräumigen Planung verzichtet, ist unverständlich. Das hätten wir gerne im Ausschuss diskutiert.“

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dok: Antrag: Hamburg nur sozial – Gute Gesundheitsversorgung für alle mit Stadtteilgesundheitszentren

Die soziale Spaltung der Stadt zeigt sich auch und ganz besonders bei der Gesundheitsversorgung und darin, wie alt wir werden. Die Lebenserwartung armer Menschen ist gegenüber reichen Menschen bis zu zehn Jahre geringer. Gerade Kinder sind in Hamburg von Armut in besonderem Maße betroffen. 21,7 Prozent der Hamburger Kinder sind arm. Das bedeutet, sie sind im Vergleich zu erwachsenen Hamburgern/ -innen häufiger von Armut betroffen und sie sind auch häufiger von Armut betroffen als im Bundesdurchschnitt.

Krankheit und Armut hängen eng zusammen. Ein geringes Einkommen, eine niedrige Schulbildung, schlechte Wohnverhältnisse, Diskriminierungserfahrungen und Umweltfaktoren machen krank. Der Hamburger Morbiditätsatlas aus dem Jahr 2013 belegt das für Hamburg. In den ärmsten Stadtteilen herrscht auch häufig eine hohe Krankheitslast, das heißt Morbidität. Die Krankheitsbelastung ist in den ärmeren Stadtteilen deutlich höher als in den reicheren.

Diese soziale Spaltung wird dadurch verschärft, dass wir auch eine Ungleichverteilung in der haus- und kinderärztlichen Versorgung haben. In der Tendenz sind die Stadtteile mit den reichsten und gesündesten Bewohnern/-innen am besten mit Arztpraxen versorgt und die Stadtteile mit den kränksten und ärmsten Einwohnern/-innen am schlechtesten haus- und kinderärztlich versorgt. Das hat unsere jüngste Große Anfrage zur ambulanten Versorgung ergeben (Drs. 21/18328). Hamburg kann und muss hier an mehreren Stellen ansetzen:

1. Aufbau von gemeinnützigen oder öffentlich-rechtlichen Stadtteilgesundheitszentren.

2. Entsprechende kleinräumigere Bedarfsplanung, die auch die Faktoren Morbidität, Alter und Geschlecht mit einbezieht. Hier können bis 1.1.2020 neue Bedarfsplanungsinstrumente entwickelt werden.

3. Regelmäßige Aktualisierung des Hamburger Morbiditätsatlas.

Gesundheitsversorgung sollte insgesamt nicht erst ansetzen, wenn die Menschen schon erkrankt sind, sondern präventiver gedacht werden. Gesellschaftlich krank machende Faktoren können nur mit einem ganzheitlicheren Konzept behoben werden. Der Aufbau von gemeinnützigen oder öffentlich-rechtlichen, barrierefreien und interdisziplinären Stadtteilgesundheitszentren in den Stadtteilen mit zu geringer ärztlicher Versorgung, hoher Krankheitslast und hoher Armut könnte dem Rechnung tragen. Wichtige Bestandteile eines interdisziplinären Gesundheitszentrums sind neben einer/einem Haus-, Kinderarzt/-ärztin, einer Gynäkologin/einem Gynäkologen auch eine Sozial- und Rechtsberatung, eine psychologische Beratung sowie am Gemeinwesen orientierte Präventionsprojekte, um besonders chronisch kranke Menschen besser versorgen zu können. In ärmeren Stadtteilen mit höherer Krankheitsbelastung besteht auch oft ein größerer gesundheitlicher Beratungsbedarf, der mit einem solch Drucksache 21/18952 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 interdisziplinären Ansatz besser aufgefangen werden könnte. Aber auch die Vernetzung und Einbeziehung mit anderen Gesundheitsversorgungsanbietern/-innen wie zum Beispiel Hebammen, Pflegekräften oder Physiotherapeuten/-innen wäre zielführender für eine bessere Versorgung. (…) .

Die Bürgerschaft möge deshalb beschließen:

Der Senat wird aufgefordert,

1. ein Konzept für den Aufbau von interdisziplinären, barrierefreien Gesundheitszentren in gemeinnütziger oder öffentlich-rechtlicher Trägerschaft in den Stadtteilen beziehungsweise Stadtteilclustern mit hoher Morbidität, hoher sozialer Belastung und einem Mangel an haus- und kinderärztlicher sowie psychotherapeutischer Versorgung zu erarbeiten,

2. im Rahmen der Landeskonferenz Versorgung und in anderen Gremien darauf hinzuwirken, dass Hamburg aufgrund sozioökonomischer und Morbiditätsfaktoren in kleinräumigere Versorgungsgebiete aufgeteilt wird und die Bedarfsplanung durch die Kassenärztliche Vereinigung Hamburg entsprechend angepasst wird,

3. eine Aufhebung der Zulassungsbeschränkung von Arzt-/Ärztinnensitzen nach § 103 Absatz 2 SGB V in Gebieten mit Mangel an haus-, kinder- oder fachärztlicher Versorgung zu prüfen und auf die Aufhebung der Zulassungsbeschränkung in diesen Gebieten hinzuwirken,

4. alle fünf Jahre die Morbidität wie im Morbiditätsatlas von 2013 für alle Stadtteile zu veröffentlichen und die finanziellen und personellen Mittel dafür zur Verfügung stellen,

5. der Bürgerschaft bis zum 30. April 2020 zu berichten.

Abb. (PDF): Gesundheit ist keine Ware. Die Linke

Abb. (PDF): Die Anzahl der Hausärzt*innen in Hamburg hat seit 2014 in allen Bezirken der Stadt abgenommen. – eine Trendumkehr zur besseren Versorgung, die der Senat behauptet, gibt es also nicht. Dabei sind meist ärmere Stadtteile wie Billbrook, Rothenburgsort, Steilshoop, Hammerbrook, Veddel und Jenfeld betroffen. Bei den Stadtteilen mit über 20 Prozent Sozialleistungsempfangenden sind sechs von neun äußerst schlecht hausärztlich versorgt. Aber auch in Nienstedten, mit einem Prozent Sozialhilfempfangenden ein eher reicher Stadtteil, gibt es nur ein*e Hausärzt*in für 7.226 Einwohner*innen. – www.linksfraktion-hamburg.de/wp-content/uploads/2018/01/Gesundheit_07.pdf (Auszug, montiert)

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Köln: Städtische Kliniken in kommunale Hand! – Standort Holweide bleibt!

Der Kölner Stadtrat beauftragte mit den Stimmen von CDU, Grüne, FDP und GUT Oberbürgermeisterin Reker, Verhandlungen mit dem Land NRW über ein Stiftungsmodell mit der Uniklinik Köln aufzunehmen. Faktisch würde damit der kommunale Zugriff auf die Städtischen Kliniken aufgegeben und in einer Anstalt des öffentlichen Rechts die Beherrschung auf die Uniklinik übergehen. Die Linke und SPD setzten einen eigenen Antrag dagegen. CDU und Grüne mussten Zugeständnisse eingehen. So soll der Standort Holweide erhalten bleiben. Jetzt muss die Frage der Finanzierung geklärt werden. Wir dokumentieren aus der Rede von Jörg Detjen.

Jörg Detjen: Seit Jahrzehnten entzieht sich das Land NRW, ob mit Rot-Grün oder mit Schwarz-Gelb, einer auskömmlichen Finanzierung der kommunalen Krankenhäuser. Es ist erbärmlich, dass die Uniklinik allein bei Bauinvestitionen im Durchschnitt 19-mal mehr bekommt als die Städtischen Kliniken.

Und wenn wir uns die Planungen des Wissenschaftsrats für die Förderungen der Unikliniken in NRW ansehen, sollen die Gelder nach Bielefeld und Bochum fließen.

Gleichzeitig arbeitet das Land an einem neuen Krankenhausplan. Dort sollen drastisch Betten abgebaut werden. Das heißt, für den Bettenabbau werden wir vielleicht einmal einen Geldbetrag erhalten. Aber wir brauchen langfristig Einnahmen für den Betrieb der Städtischen Kliniken. (…)

Deshalb sagt Die Linke und die SPD in ihrem Antrag: Lasst uns gemeinsam um Landeszuschüsse kämpfen. Wir sind gerne bereit, mit Ihnen in Düsseldorf zu demonstrieren. Gemeinsam mit den Kölnerinnen und Kölner sollten wir für unsere drei Bürgerkrankenhäuser in Holweide, Merheim und in der Amsterdamer Straße eintreten.

Wir brauchen jetzt ein Investitionsprogramm des Kölner Stadtrates für den Umbau dieser drei Standorte. Wir können nicht monatelang warten, bis wir aus Düsseldorf eine negative Meldung bekommen.

Ein Neubau in Holweide für ein kleines Krankenhaus mit Ambulanzzentrum ist ein Zukunftsprojekt, um das wir jetzt kämpfen müssen, mit Landesmitteln und mit eigenen Mitteln. Wenn Betten abgebaut werden sollen, warum interessiert sich die Uniklinik so für die Städtischen Kliniken? Das kann ich ihnen sagen.

Es geht in diesem Geschäft um nichts anderes als die Patientendaten. Mit mehr Patientendaten kann die Uniklinik mehr Forschungsgelder ergattern.

Und dass alles auf Kosten der Kölnerinnen und Kölner. Denn bei diesem Deal, bei diesem Stiftungsmodell, geben CDU, FDP und Grüne die Grundversorgung in der Gesundheitsversorgung aus der kommunalen Hand und in die komplette Steuerung der Uniklinik. Das wollen wir nicht!

Deshalb treten wir mit unserem Antrag für Kooperationen und Zusammenarbeit von Klinken im Rheinland ein. Jetzt brauchen wir ein Investitionsprogramm, damit das Sanierungskonzept überhaupt greifen kann.