Politische Berichte Nr. 3/2021 (PDF)03
Blick in die Medien

Präsident Bolsonaro in der Klemme

Achim Wahl, Berlin, Mai 2021. Es war nicht die erste Aufregung im Planalto, dem Regierungssitz des brasilianischen Präsidenten in Brasília, die durch die Ankündigung des Klimagipfels durch US-Präsident John Biden, hervorgerufen wurde. Bolsonaro, der sich mit seinem Außenminister Araújo voll auf Donald Trump innen- und außenpolitisch orientiert hatte, wurde nach dem Sieg Bidens ziemlich unmissverständlich klar gemacht, dass Brasilien einen anderen Außenminister braucht. Das wurde erfüllt. Nun wurde klar, dass Biden die bisherige Linie Trumps in Sachen Klima verlässt und wieder dem Pariser Klimaabkommen beitritt. Damit geriet das „Brasilien Bolsonaros“ ins direkte Blickfeld der neuen US-Administration.

Seit dem Amtsantritt Bolsonaros im Januar 2019 hat die Abholzung des Amazonas-Gebietes einen besorgniserregenden Aufwärtstrend genommen. Nach Angaben des Nationalen Instituts für Weltraumforschung Brasiliens hat der Amazonas im April 2021 581 Quadratkilometer seiner Vegetation verloren (43% über den Abholzungen des Jahres 2020). Das ist die höchste Abholzungsrate seit 2016, als 440 Quadratkilometer zerstört wurden. Es ist der zweite Monat in Folge mit historischen Monatsrekorden, denn im März wurden 368 Quadratkilometer Wald gerodet (12 Prozent mehr als 2020). Die Abholzungen im Amazonasgebiet im April sind die größten seit sechs Jahren, wie das Institut konstatiert.

Noch im April 2020 beschloss die Bolsonaro-Regierung im Eilverfahren Maßnahmen für weitere Legalisierung wirtschaftlicher Tätigkeit im Amazonasgebiet: Legalisierung weiterer Brandrodungen, Legalisierung illegal besetzter Gebiete durch „neue“ Besitzer, d.h. durch Viehzüchter, Sojaanbauern und Bergbauunternehmen, einschließlich für Tätigkeiten in für indigene Völker ausgewiesenen Gebieten. Im Schnellverfahren wurden diese Maßnahmen als Gesetz durch das Abgeordnetenhaus und den Senat durchgebracht. Die Unterstützung durch die Vertreter des Agrobusiness und rechter Parteien war ihm sicher. Mit diesen Gesetzen waren alle bisher geltenden Umweltregeln, bes. das Amazonasgebiet betreffend, Makulatur.

Alle Aktivitäten der Regierung Bolsonaro, die die Umweltpolitik und speziell das Amazonasgebiet betreffen, würden – das wurde den Verantwortlichen klar – auf dem Gipfel einer kritischen Beurteilung unterzogen. Mit der Ankündigung des Klimagipfels musste Bolsonaro somit seine bisherige Haltung, die bekannte Fakten ignorierte, bzw. gänzlich verleugnete, kaschieren oder verändern. So wurde im Vorfeld des Gipfels ein Brief des Umweltministers Salles, einem General in Reserve, an US-Präsident Biden geschrieben, in dem die Forderung aufgemacht wurde, eine Milliarde US-Dollar für die Erhaltung des Amazonasgebietes und der dafür erforderlichen Projekte zur Verfügung zu stellen. Wörtlich hieß es dann in der Ansprache Bolsonaros während des virtuellen Gipfeltreffens: „Es ist klar, dass eine entsprechende Entschädigung für die Umweltdienste erbracht werden muss, die in unseren Biomen als Anerkennung des wirtschaftlichen Charakters der Erhaltungsmaßnahmen geleistet werden.“ Mit anderen Worten sollen die „reichen Länder des Nordens Entwicklungshilfe bei der Erhaltung des Amazonasgebietes“ leisten. Es war eine Kehrtwende, die Bolsonaro in seiner Ansprache vorgab zu realisieren, dass Brasilien bis 2050 klimaneutral sein und die weitere Abholzung des Amazonasgebietes stärker unter Kontrolle gestellt werde.1

Brasilianische Medien kommentierten diese Forderung als politische Peinlichkeit. Nach wie vor diskreditiere sich diese Regierung und versuche ihre Fehlleistungen durch unreale Forderungen zu überdecken. Verwiesen wird auch auf die Tatsache, dass die BRD und Norwegen Gelder in der Höhe des nun geforderten „Ausgleichs“ bereit überwiesen haben, die aber auf den von Bolsonaro blockierten Amazonas-Fonds bereit lägen. Verwiesen wird auch darauf, dass Bolsonaro beabsichtigt, den Einsatz militärischer Einheiten und der Militärpolizei zu finanzieren, um weitere illegale Rodungen zu verhindern: Eine schon bisher geübte Praxis, die aber illegale Rodungen nicht verhinderte.

Bolsonaro versucht damit, seine Verbindungen zu den Militärs zu festigen, indem er ihnen Rechte zugesteht, die deren Vorstellungen von der Bedeutung des Amazonasgebietes für die nationale Sicherheit entsprechen.

1) Im Übrigen wurde vermerkt, dass Präsident Biden im Moment der Ansprache Bolsonaros den Konferenzraum verließ.

eoff