Politische Berichte Nr.1/2022 (PDF)24
Ankündigungen, Diskussion, Dokumentation

USA – indopazifische Region

01 stichworte quelle: Der Indopazifik. Strategie-Report des US-Verteidigungsministerium, Juni 2019
02 Anmerkung zum Verfahren

Der Indopazifik-Strategie-Report des US-Verteidigungsministeriums1 erklärt den indopazifischen Raum zur wichtigsten Region für die Zukunft Amerikas und zum vorrangigen Gebiet der US-Militärpolitik. Er reagiert damit auf die Veränderungen der geopolitischen Lage im Laufe der zunehmenden Arbeitsteilung in der Weltwirtschaft und dem damit einhergehenden rasanten Wachstum asiatischer Volkswirtschaften (Kapitel 1). Der Bericht des US-Außenministeriums „Ein freier und offener Indopazifik“2 fünf Monate nach Veröffentlichung des Strategiepapiers legt nahe, dass im hier untersuchten Dokument die Grundlagen für die Neujustierung der amerikanischen Außenpolitik formuliert sind und die Positionen, an denen sich ihre Partner orientieren sollen.

Michael Juretzek, Bremen

Der Report bestimmt ein klares Feindbild in Kapitel 2: das die freie Ordnung angreifende China, das bösartige Russland und den Schurken Nordkorea. Demgegenüber entwickelt er in Kapitel 3 und 4 eine Vision von Aufrüstungs- und Einkreisungsaktivitäten mit potenziellen regionalen und internationalen Partnern, legitimiert durch eine selbsterklärte moralische Überlegenheit. Ziel: Einhaltung und Durchsetzung der „auf Regeln basierenden internationalen Ordnung“. Grundsätze dieser Ordnung sind die freie Marktwirtschaft, freie Meere, freier Luftraum und eine „gute Regierungsführung“. Die Selbstermächtigung zur Bevormundung wegen moralischer Überlegenheit verbunden mit einem Aufgebot von 375 000 Militärangehörigen im U.S. Indo-Pacific Command ist nicht hilfreich zur Gestaltung eines friedlichen indopazifischen Raumes. Die Strategie untergräbt zudem die vielfältigen Initiativen in der Region zur Aushandlung gemeinsamer Regeln und zur Ausformulierung von Verhaltensweisen bei strittigen Fragen.

Die gemeinsame Geschichte ist durchaus wechselvoll. Als Folge des spanisch-amerikanischen Krieges werden die USA auf der Insel Guam und den Philippinen zu einer pazifischen Kolonialmacht. Während der japanischen Expansion im Zweiten Weltkrieg und ihrer Zurückdrängung verloren 36 Millionen Menschen ihr Leben, davon 130 000 amerikanische Soldaten. Als eine der ersten Kolonialmächte akzeptierten die USA 1951 die Unabhängigkeit der Philippinen, behielten jedoch Guam als ihren wichtigsten Militärstützpunkt in der Region bis heute. Der dreijährige Koreakrieg endete 1953 nach vier Millionen koreanischen und chinesischen und 34 000 amerikanischen Opfern nicht mit einem Friedensvertrag, sondern einem noch heute geltenden Waffenstillstand. Die diplomatische Anerkennung der VR China durch die USA mitten im Vietnamkrieg Mitte der 1970er Jahre inklusive der Akzeptanz, dass Taiwan zu China gehört (One-China-Politik), die Aufnahme in die UNO mit ständigem Sitz im Weltsicherheitsrat gehören genauso dazu wie der Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation WTO 2001, in der allein die USA ein Vetorecht haben.

Wenn es stimmt, dass der Handel die zwischenmenschlichen und zwischenstaatlichen Beziehungen zivilisieren kann, waren die USA unter Präsident Obama auf einem guten Weg, als sie 2015 das damals größte Handelsabkommen TPP (Transpacific Partnership) abschlossen, u.a. mit Brunei, Japan, Malaysia, Singapur und Vietnam. Unter Anerkennung, welch große Bedeutung die Region für die amerikanische Gesellschaft hat, verkündete er eine „Hinwendung nach Asien“ („pivot to asia“). Auch wenn Trump folgerichtig aus diesem Zivilisationsprojekt 2017 ausstieg, erklärte sein Außenminister Pompeo 2019, dass die gemeinsame „Zukunft untrennbar miteinander verwoben“ ist.

Die Verbindung des gesellschaftlichen Lebens in den USA mit dem indopazifischen Raum ist so umfangreich wie nie zuvor. Allein China, Japan und Südkorea decken über 30% der amerikanischen Importe. 9 der 25 wichtigsten Exportmärkte der amerikanischen Wirtschaft gehören zu den indopazifischen Ländern. Das US-Außenministerium zählt allein für das Jahr 2018 3 Millionen neugeschaffene Arbeitsplätze in den USA und 5,1 Millionen in Asien durch den gestiegenen Außenhandel.

Am 1. Jan. 2022 trat das weltweit größte Handelsabkommen RCEP (Regional Comprehensive Economic Partnership) in Kraft. Seine 15 südostasiatischen Mitglieder repräsentieren 33% der Weltbevölkerung und ein Drittel des weltweiten BIP. Neben den ASEAN-Staaten haben Australien, China, Indonesien, Japan, Malaysia, Neuseeland, die Philippinen und Südkorea den Abbau von Zollschranken, bürokratischen Hindernissen und die Vereinheitlichung von technischen Normen vereinbart. Schätzungen sprechen von Wohlstandseffekten durch Preissenkungen in Höhe von 168 Mrd. US-Dollar in den nächsten Jahren. Die Konrad Adenauer Stiftung schreibt in ihren „Analysen & Argumente“ im Januar: „Mit Blick darauf, wie zäh die Umsetzung von Handelsverträgen der EU in den letzten Jahren verlief, ist es bemerkenswert, dass RCEP knapp 14 Monate nach der Unterzeichnung in Kraft treten kann.“ (S. 1) Die Erklärung: „Wertefragen von Handelsfragen zu trennen, erscheint in diesem Fall sehr pragmatisch, denn Demokratien wie Neuseeland oder Australien könnten kaum ein Freihandelsabkommen mit allen RCEP-Partnern abschließen, wenn es nötig wäre, sich vorab über Wertefragen zu einigen.“ (S. 4)

Die Verknüpfung von Handelsbeziehungen mit der Anerkennung von Wertevorstellungen ehemaliger Kolonialmächte dürfte in ehemaligen Kolonien mindestens auf Skepsis stoßen. Der amerikanische Militärhaushalt ist dreimal so groß wie der chinesische. Das Strategiepapier des Pentagon lässt darauf schließen, dass es gegenüber den ausgemachten Feinden ihrer „freien Weltordnungsvorstellungen“ mit militärischer Machtpolitik, anstatt der Einhaltung und Aushandlung international anerkannter Verhaltensregeln antworten will. Die Unterstützung dieser gefährlichen und durchaus nicht alternativlosen Politik soll für alle ihre Partner verpflichtend sein. „Es ist beschämend, wie beide Parteien [Republikaner wie Demokraten M.J.] bis aufs Messer ihr Geschick verteidigen, endlos öffentliche Gelder in die Militarisierung zu pumpen“, schrieb die demokratische New Yorker Kongressabgeordnete Alexandra Ocasio-Cortez auf Twitter Anfang Februar. Die Stimme der Linken und der Friedensbewegung anlässlich Bidens Militärhaushalt mit der Rekordsumme von 753 Mrd. $ ist wichtig.

Abb.(PDF): Waffenstarrende Diplomatie: Zum Beleg des Rückhalts der eingeschlagenen Strategie listet der Bericht eine lange Reihe militärischer Manöver, zu Wasser, zu Lande, in der Luft … Abbildungen (Miniaturen) siehe1

1 Indo-Pacific Strategy Report, https://media.defense.gov/2019/Jul/01/2002152311/-1/-1/1/DEPARTMENT-OF-DEFENSE-INDO-PACIFIC-STRATEGY-REPORT-2019.PDF

2 A FREE AND OPEN INDO-PACIFIC (US Aussenministerium, Nov. 2019) https://www.state.gov/wp-content/uploads/2019/11/Free-and-Open-Indo-Pacific-4Nov2019.pdf

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stichworte quelle: Der Indopazifik. Strategie-Report des US-Verteidigungsministerium, Juni 2019

Vollständige Übersetzung (DeepL) als Synopse hinterlegt bei https://www.linkekritik.de/index.php?id=802. Seitenzahl = Blattnummer der pdf-Synopse

[Die LAGE]

S. 10 Unsere Beziehungen zum indopazifischen Raum sind historisch gewachsen, und unsere Zukunft ist untrennbar mit ihnen verbunden.

S. 9 Der indopazifische Raum ist die wichtigste Region für die Zukunft AmerikaS. Die Region, die sich von der Westküste der Vereinigten Staaten bis zur Westküste Indiens erstreckt, beherbergt den bevölkerungsreichsten Staat der Welt, die bevölkerungsreichste Demokratie und den größten Staat mit muslimischer Mehrheit und umfasst über die Hälfte der Weltbevölkerung. Unter den zehn größten ständigen Armeen befinden sich sieben im Indopazifik; und sechs Länder in der Region verfügen über nukleare Waffen. Neun der weltweit zehn verkehrsreichsten Seehäfen liegen in der Region, und 60 Prozent des weltweiten Seehandels werden über Asien abgewickelt, wobei etwa ein Drittel des weltweiten Schiffsverkehrs allein durch das Südchinesische Meer läuft.

S. 10 Der indopazifische Raum trägt zu zwei Dritteln zum weltweiten Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bei und macht 60 Prozent des globalen BIP aus. Zu dieser Region gehören die größten Volkswirtschaften der Welt – die Vereinigten Staaten, China und Japan – und sechs der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt – Indien, Kambodscha, Laos, Birma, Nepal und die Philippinen. Ein Viertel der US-Exporte geht in den indopazifischen Raum, und die Ausfuhren nach China und Indien haben sich in den letzten zehn Jahren mehr als verdoppelt.

S. 4. Insbesondere die Volksrepublik China unter Führung der Kommunistischen Partei Chinas versucht, die Region zu ihrem Vorteil neu zu ordnen, indem sie andere Nationen durch militärische Modernisierung, Einflussnahme und räuberische Wirtschaftspraktiken unter Druck setzt.

S. 16 China setzt seinen wirtschaftlichen und militärischen Aufstieg fort und strebt kurzfristig die regionale Hegemonie im Indopazifik und langfristig die globale Vorherrschaft an.

[Die VISION]

S. 4 Im Gegensatz dazu unterstützt das Verteidigungsministerium Entscheidungen, die langfristigen Frieden und Wohlstand für alle im indopazifischen Raum fördern. Wir werden keine politischen Maßnahmen oder Aktionen akzeptieren, die die auf Regeln basierende internationale Ordnung bedrohen oder untergraben – eine Ordnung, die allen Nationen zugute kommt. Wir haben uns verpflichtet, diese gemeinsamen Werte zu verteidigen und zu stärken.

S. 24 Die Nationale Verteidigungsstrategie 2018 leitet das Verteidigungsministerium an, die Nationale Sicherheitsstrategie zu unterstützen, um:

1. das Heimatland zu verteidigen; 2. die herausragende Militärmacht in der Welt zu bleiben; 3. Sicherzustellen, dass die Machtverhältnisse in den Schlüsselregionen zu unseren Gunsten bleiben; und 4. Förderung einer internationalen Ordnung, die unserer Sicherheit und unserem Wohlstand am meisten zuträglich ist.

S. 4 Der indopazifische Raum ist das vorrangige Gebiet des Verteidigungsministeriums.

S. 4 Der zwischenstaatliche strategische Wettbewerb, der durch die geopolitische Rivalität zwischen freien und repressiven Weltordnungsvorstellungen bestimmt wird, ist das Hauptanliegen der nationalen Sicherheit der USA.

S. 23 Die nationale Sicherheitsstrategie der USA für 2017 basiert auf der Auffassung, dass Frieden, Sicherheit und Wohlstand von starken, souveränen Nationen abhängen, die ihre Bürger im Inland respektieren und im Ausland zusammenarbeiten, um den Frieden zu fördern. Sie beruht auf der Überzeugung, dass die USA bei der Förderung dieser weit verbreiteten Prinzipien Ziele eine Führungsrolle übernehmen, die eine dauerhafte Kraft für das Gute in der Welt ist.

S. 4 In der Nationalen Sicherheitsstrategie und der Nationalen Verteidigungsstrategie wird unsere Vision formuliert, wie wir in diesem Umfeld konkurrieren, abschrecken und gewinnen können.

S. 11/12 Diese Vision beruht auf gemeinsamen Grundsätzen, die die derzeitige internationale Ordnung untermauern, von der alle Länder in der Region profitiert haben – Grundsätze, für deren Wahrung wir gemeinsam verantwortlich sind: 1. Achtung der Souveränität und Unabhängigkeit aller Nationen; 2. Friedliche Beilegung von Streitigkeiten; 3. Freier, fairer und gegenseitiger Handel auf der Grundlage offener Investitionen, transparenter Abkommen und Konnektivität; und 4. Einhaltung internationaler Regeln und Normen, einschließlich der Freiheit der Schifffahrt und des Überflugs.

S. 4 Die Verwirklichung dieser Vision erfordert die Kombination einer tödlicheren gemeinsamen Streitkraft mit einer robusteren Konstellation von Verbündeten und Partnern.

S. 5 Bereitschaft – Frieden durch Stärke … gemeinsame Streitkräfte … Investitionen tätigen, die die Überlegenheit gegenüber hochrangigen Gegnern sicherstellen.

S. 5 Partnerschaften – … verstärkt bestehende Bündnisse und Partnerschaften … erweitert und vertieft Beziehungen zu neuen Partnern, die unsere Achtung der Souveränität, des fairen und wechselseitigen Handels und der Rechtsstaatlichkeit teilen … Abschreckung und interoperable Kriegsführungsfähigkeiten.

S. 5 Förderung – vernetzte Sicherheitsarchitektur … pflegt innerasiatische Sicherheitsbeziehungen, die in der Lage sind, Aggressionen abzuschrecken, die Stabilität zu erhalten und den freien Zugang zu gemeinsamen Gebieten zu gewährleisten.

[Die FEINDE]

S. 7 Inhalt. … 2. Strategische Landschaft des indopazifischen Raums: Trends und Herausforderungen • 2.1 Volksrepublik China als revisionistische Macht • 2.2 Russland als wiedererstarkter bösartiger Akteur • 2.3 Demokratische Volksrepublik Korea als Schurkenstaat.

S. 15 Doch während das chinesische Volk nach freien Märkten, Gerechtigkeit und Rechtsstaatlichkeit strebt, untergräbt die Volksrepublik China (VRC) unter der Führung der kommunistischen Partei Chinas (KPCh) das internationale System von innen raus, indem sie dessen Vorteile ausnutzt und gleichzeitig die Werte und Grundsätze der auf Regeln basierenden Ordnung aushöhlt.

[Die UMSETZUNG]

S. 18 Durch unser militärisches Engagement wird das Verteidigungsministerium China weiterhin dazu ermutigen, sich so zu verhalten, dass Frieden und Stabilität in der Region gewahrt bleiben und die auf Regeln basierende internationale Ordnung unterstützt und nicht untergraben wird.

S. 51 Wahrung der Freiheit und des Zugangs zu globalen Gemeinschaftsgütern. Heute versuchen Küstenstaaten an Orten wie dem Südchinesischen Meer mit überzogenen maritimen Ansprüchen, die Ausübung der allen Seefahrernationen zustehenden Freiheiten, in Gewässern jenseits der Hoheitsgrenzen zu operieren, unrechtmäßig einzuschränken. Die Vereinigten Staaten werden weiterhin fliegen, segeln und operieren, wo immer es das Völkerrecht zulässt, und sie ermutigen unsere Verbündeten und Partner, dies ebenfalls zu tun … Das DoD setzt sich daher dafür ein, den freien und offenen Zugang zur See zu gewährleisten, unter anderem durch die Durchsetzung der Freiheit der Schifffahrt (Freedom of Navigation Operations, FONOP), um die stabile Wirtschaftsordnung zu schützen und die Reaktionsfähigkeit der US-Streitkräfte im Bedarfsfall zu erhalten … Folglich stellen die US-Streitkräfte routinemäßig überzogene maritime Ansprüche von Verbündeten und Partnern sowie von potenziellen Gegnern und Konkurrenten in Frage.

S. 54 Die Vereinigten Staaten und der ASEAN teilen gemeinsame Werte, und der ASEAN ist ein wichtiger Partner bei der Förderung der Werte und Politiken die in der US-Strategie für den Indopazifik verankert sind: Freiheit der Meere, Marktwirtschaft, gute Regierungsführung und Respekt für eine Ordnung, die auf klaren und transparenten Regeln beruht.

S. 63 DoD Department of Defence US-Verteidigungsministerium

ASEAN Freihandelszone: Brunei, Kambodscha, Indonesien, Laos, Malaysia, Myanmar, Philippinen, Singapur, Thailand, Vietnam-

Texte wortgleich aus der Übersetzung entnommen. Hinzufügungen (M.J) in []

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Anmerkung zum Verfahren

Diese Doppelseite stellt einen Versuch dar, amtliche Quellen aus anderen Ländern für die inländische Meinungsbildung zu internationalen Problemen zu erschließen. Deutschsprachige Fassungen derartiger Dokumente stehen oft – zeitnahe sogar meistens – nicht zur Verfügung. Die Lektüre in der Originalsprache ist für die Leserschaft mindestens zeitraubend und oft gar nicht möglich. In Ansprache zwischen Autor (M.J), Redaktion, Bereiche Diskussion und Dokumentation (M.F.) und Aktuelles / Internationales (Ch.C.) haben wir folgendes Verfahren gewählt: • Auswahl eines Dokumentes in Absprache mit der Redaktion. • Übersetzung des Dokumentes per Deep-L, • Herstellung einer seitengetreuen Synopse im PDF-Format, Dokumentation bei www.linkekritik.de. Auf dieser Grundlage wird das Dokument per Einleitung und Zitatenkasten den Leserinnen und Leser vorgestellt.