Politische Berichte Nr.2/2022 (PDF)10
Aktionen-Initiativen

Aktionen/Initiativen: Friedenspolitik in Kriegszeiten

Thorsten Jannoff red, Gelsenkirchen

01 Mediziner*innen in Russland und der Ukraine rufen zum Frieden auf
02 Ukraine: Einsatz verbotener Streumunition und wahllose Angriffe auf Zivilbevölkerung dokumentiert
03 Schutz und Asyl für Deserteure und Kriegsdienstverweigernde aus Russland, Belarus und der Ukraine!
04 Gegen Krieg und falsche Alternativen
05 Ausreiseverbot aus Ukraine widerspricht Menschenrechtskonvention
06 Ausweitung des Krieges bis hin zum Atomkrieg verhindern
07 Keine F-35-Atombomber für die Bundeswehr!
08 Ostermarsch 2022 in Bonn Jetzt erst recht: Alles für den Frieden!
09 Resolution des Verdi-Gewerkschaftsrates zum Krieg in der Ukraine

01

Mediziner*innen in Russland und der Ukraine rufen zum Frieden auf

ippnw.de. Die russische und die ukrainische Sektion der International Physicians for the Prevention of Nuclear War (IPPNW) haben eine gemeinsame Erklärung veröffentlicht, in der sie sich gegen den Krieg in der Ukraine aussprechen und vor einer weiteren Eskalation bis hin zum Atomkrieg warnen. Die Erklärung vereint die Mediziner*innen über die Kriegsgrenzen hinweg und baut auf dem Grundsatz der ärztlichen Pflicht, Menschen gleichberechtigt und ohne Vorurteile zu helfen. Sie betont zudem die tiefe Verbindung zwischen Russland und Ukraine: familiär, kulturell und ökonomisch.

https://www.ippnw.de/presse/artikel/de/medizinerinnen-in-russland-und-der.html

02

Ukraine: Einsatz verbotener Streumunition und wahllose Angriffe auf Zivilbevölkerung dokumentiert

amnesty.de. Der Belagerungskrieg des russischen Militärs in der Ukraine ist durch unerbittliche, wahllose Angriffe auf dicht besiedelte Gebiete gekennzeichnet und tötet unrechtmäßig Zivilpersonen, zeigen neue Untersuchungen von Amnesty International. Die Menschenrechtsorganisation hat vor Ort physische Beweise für verbotene Streumunition verifiziert. Researcher_innen haben Zeug_innenaussagen gesammelt, die die russische Belagerungstaktik dokumentieren: Sie zeugen von rechtswidrigen, wahllosen Angriffen, der Unterbrechung der Grundversorgung und Kommunikation, der Zerstörung ziviler Infrastruktur und der Einschränkung des Zugangs zu Medikamenten und der Gesundheitsversorgung. „Die Liste der Kriegsverbrechen des russischen Militärs wird mit jedem Tag länger, die Zahl der Toten, Verletzten und Traumatisierten wächst unvermindert. Die internationale Gemeinschaft muss sicherstellen, dass die Verantwortlichen für diese Gräueltaten vor Gericht gestellt und bestraft werden. Die Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofs und des Generalbundesanwalts in Deutschland sind wichtige Schritte, die vollumfänglich unterstützt werden sollten“, sagt Uhlmannsiek. Zum ersten Mal haben Ermittler_innen von Amnesty International vor Ort in der Ukraine unabhängig physische Beweise für den Einsatz international verbotener Streumunition verifiziert. Sie haben zudem Zeug_innenaussagen gesammelt, die die grausame russische Belagerungstaktik dokumentieren.

03

Schutz und Asyl für Deserteure und Kriegsdienstverweigernde aus Russland, Belarus und der Ukraine!

proasyl.de. In einem gemeinsamen Appell an den Deutschen Bundestag fordert ein breites zivilgesellschaftliches Bündnis den Bundestag und die Bundesregierung auf, sowohl russischen und belarussischen als auch ukrainischen Kriegsdienstverweigernden und Deserteuren Schutz und Asyl zu gewähren. Leider ist dieser Schutz bisher nicht garantiert. Nach derzeitigem Stand müssen geflüchtete Deserteure und Verweigerer aus der Russischen Föderation und Belarus ins Asylverfahren gehen – mit ungewissem Ausgang. Denn die Verfolgung wegen Kriegsdienstverweigerung und Desertion gilt in Deutschland nach der Praxis von Bamf und Gerichten nicht ohne weiteres als Asylgrund. Der Angriff der Russischen Föderation auf die Ukraine ist ein völkerrechtswidriger Krieg, unterstützt durch Belarus. Und deshalb gilt für russische und belarussische Soldatinnen und Soldaten, die sich dem Einsatz im Militär und somit dem möglichen Kriegseinsatz in der Ukraine entzogen haben oder desertiert sind, Artikel 9 der Qualifikationsrichtline der Europäischen Union: Denjenigen Menschen wird flüchtlingsrechtlicher Schutz zugesagt, die sich völkerrechtswidrigen Handlungen oder Kriegen entziehen und deswegen Bestrafung fürchten müssen (Artikel 9 Abs. 2e).

Doch die Erfahrung sieht anders aus: Bisherige Asylverfahren, die sich auf Artikel 9 Absatz 2 der Richtlinie bezogen, haben gezeigt, dass deutsche Behörden und Gerichte sehr hohe Beweisanforderungen stellen, die viele der Betroffenen nicht erfüllen können.

04

Gegen Krieg und falsche Alternativen

interventionistische-linke.org Es ist richtig, gegen Putin, seine Militärs und gegen die neoliberalen Oligarchen zu sein, die ihn stützen. Müssen wir deshalb für „die“ Ukraine oder gar „den“ Westen sein? … Wir lehnen die falschen Alternativen ab, weil die behauptete Alternativlosigkeit jeden Raum für Widersprüche und Kritik verschließt. Wir entziehen uns der Identifikation mit staatlicher Macht. Stattdessen sind wir mit jenen parteilich, die unter dem Krieg leiden und sich ihm widersetzen, in der Ukraine, in Russland und überall. Die Menschen tun dies auf vielfältige Weise und nehmen dabei unterschiedliche Risiken in Kauf, wenn sie fliehen, desertieren, zivilen Ungehorsam leisten oder kämpfen. Wer sind wir, von hier darüber zu urteilen? Nicht nur der Ukraine-Krieg selbst, sondern auch die Reaktionen darauf haben unsere Gesellschaft in einen Ausnahmezustand versetzt. Wir wissen noch nicht, wohin dieser deutsch-europäische Aufrüstungstaumel führen wird. Aber wir wissen, dass er gefährlich ist. Nach außen, weil er die Gefahr einer weiteren militärischen Eskalation und zukünftiger Kriege erhöht. Und nach innen, weil er Aufmerksamkeit und Mittel ablenkt von den dringend notwendigen Kämpfen gegen Klimakrise, Rassismus, Pflegenotstand oder Mietenwahnsinn. Gefährlich aber auch deshalb, weil die Militarisierung unsere Gesellschaft als Ganzes, unser Denken und unsere Art zu leben, verändern wird. Deshalb müssen wir uns der Aufrüstung, auch der rhetorischen, entgegenstellen, mit allem, was wir haben. Das ist unsere Verantwortung hier. Niemand kann sie uns abnehmen.

05

Ausreiseverbot aus Ukraine widerspricht Menschenrechtskonvention

grundrechtekomitee.de. Auch in der Ukraine wird nur ein kleiner Teil der Kriegsdienstverweigerer anerkannt – zu ihnen zählen Mitglieder von kleinen Religionsgemeinschaften wie beispielsweise den Zeugen Jehovas. Auch Reservisten und Soldaten haben keine Möglichkeit der Antragstellung. Zudem widerspricht das derzeit geltende Ausreiseverbot für Männer zwischen 18 und 60 Jahren der Europäischen Menschenrechtskonvention. Zwar genießen Menschen aus der Ukraine durch den EU-Ratsbeschluss zum vorübergehenden Schutz für zunächst ein Jahr einen sicheren Aufenthalt. „Bezüglich der Kriegsdienstverweigerer ist jedoch zu bedenken, dass mit Auslaufen dieser Regelung die Frage relevant sein wird, ob und wie Kriegsdienstverweigerer in der Ukraine verfolgt werden“, heißt es in dem gemeinsamen Appell der Organisationen.

06

Ausweitung des Krieges bis hin zum Atomkrieg verhindern

www.ippnw.de Die IPPNW weist auf die existentielle humanitäre Bedrohung durch Atomwaffen und die katastrophalen Folgen eines Einsatzes hin. Russland und die USA sollten in dieser Situation ihre Atomwaffen aus der erhöhten Alarmbereitschaft nehmen sowie den Verzicht auf den Ersteinsatz von Atomwaffen erklären. „Die Militärdoktrinen der Nato und auch Russlands schließen den atomaren Ersteinsatz nicht aus. Der Einsatz von Nuklearwaffen ist z.B. möglich, wenn die Existenz der Russischen Föderation auf dem Spiel steht, unabhängig davon, ob die Entwicklung militärisch oder ökonomisch droht. Wenn also z.B. durch Sanktionen eine existenzielle Not entsteht, erhöht dies das Risiko eines Atomwaffeneinsatzes. Auch wenn es durch einen ständigen Zustrom von Waffen aus der EU und aus den USA zu einem militärischen Patt kommt, stellt sich die Frage, welche Optionen für Putin bleiben außer dem Einsatz taktischer Atomwaffen“, erklärt IPPNW-Vorstandsmitglied Ralph Urban. Die russische Bombardierung von Gesundheitseinrichtungen verurteilt die IPPNW als Kriegsverbrechen. Gemäß Verlautbarungen der UN sind seit Beginn des Angriffskrieges bis zum 18. März 2022 62 Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen angegriffen worden.

07

Keine F-35-Atombomber für die Bundeswehr!

dfg-vk.de. Die Bundesregierung plant den Kauf technisch unausgereifter Tarnkappen-Bomber, um auch zukünftig US-Atombomben durch die deutsche Luftwaffe abwerfen zu können. Die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) listet Argumente gegen die rund fünf Milliarden Euro teure Atombomber-Hochrüstung auf. Wieso ein Kampfjet für die Bundesrepublik Deutschland mit Tarnkappentechnologie ausgestattet sein muss, wie dies bei der F-35 der Fall ist, leuchtet wenig ein. Diese Technologie ist nur erforderlich, wenn man aktiv in fremden Luftraum eindringen möchte. Ist es für Bundesregierung tatsächlich ein realistisches Szenario, Atombomben auf Kaliningrad, Sankt Petersburg oder Moskau abwerfen zu lassen? Die Anschaffung des Jets wird die Rüstungsspirale mit Russland nur noch weiter antreiben. Zudem ist vorhersehbar, dass die Tarntechnologie in den nächsten Jahren aufgrund neuer Detektionsverfahren obsolet werden wird.

08

Ostermarsch 2022 in Bonn Jetzt erst recht: Alles für den Frieden!

www.friedenskooperative.de. Der vom Präsidenten Russlands befohlene Angriffskrieg auf die Ukraine hat unendliches Leid über viele Menschen i n der Ukraine, aber auch in Russland gebracht und ist eine durch nichts zu rechtfertigende Tragödie.

Lasst sofort die Waffen schweigen! Wir verurteilen auch diesen dramatischen Bruch des Völkerrechts. Dieses legt nach den leidvollen Erfahrungen des Zweiten Weltkrieges in der Charta der Vereinten Nationen ein allgemeines Gewaltverbot und Unverletzlichkeit der Grenzen fest. Wir fordern den sofortigen Rückzug aller russischen Truppen aus der Ukraine und die Einstellung sämtlicher Kampfhandlungen.

Jetzt erst recht: Verhandeln statt schießen!

Wir fordern Gespräche mit dem Ziel verbindlicher Vereinbarungen für die sofortige Befriedung der Konflikte. Daran müssen alle Konfliktparteien beteiligt sein.

Dabei kann dieses notwendige und kurzfristige Krisenmanagement bestenfalls momentane Erleichterung verschaffen.

Was langfristig nottut, ist eine radikale Wende in der Außen- und Sicherheitspolitik. Statt zweier waffenstarrender Blöcke, die sich in Europa gegenüberstehen (wie schon im Kalten Krieg), brauchen wir eine gemeinsame Sicherheitsstruktur für Europa und die Welt. Diese kann nur mit und nicht gegen Russland gelingen. Neues Vertrauen muss aufgebaut werden, sowohl auf Regierungs- wie auf Bürger*innen-Ebene. Hierzu braucht es vielfältige Kontakte in allen Feldern der Gesellschaft. Nicht der Abbruch von Kontakten, sondern der Ausbau von Kontakten auf dieser Ebene ist das Gebot der Stunde (z.B. Jugend, Kultur, Wissenschaft und Sport).

Unser Beistand gilt insbesondere allen Menschen, die sich in Russland unter schwierigsten Bedingungen gegen den Krieg wenden.

Unsere Solidarität gehört auch den Menschen, die wegen ihres russischen Ursprungs bei uns angefeindet werden.

Nicht die Russen haben den Krieg begonnen, sondern Putin und die ihn umgebende Machtelite.

09

Resolution des Verdi-Gewerkschaftsrates zum Krieg in der Ukraine

www.verdi.de. Mit Bestürzung und großer Sorge sehen wir das große menschliche Leid in der Ukraine. In Deutschland ist die Debatte über die zukünftige Ausrichtung und Ausrüstung der Bundeswehr eröffnet. Verdi organisiert sehr viele Beschäftigte der Bundeswehr, wir treten für eine Bundeswehr ein, die ihrem Auftrag als Verteidigungsarmee gerecht werden kann. Das ist eine Bundeswehr, die sich als Arbeitgeber umfassend an Tarifverträge hält und bei der alle Beschäftigten, einschließlich der Soldat*innen so ausgestattet sind, dass sie ihre Aufgaben erfüllen können.

Wir treten als Verdi gleichzeitig dafür ein, die Diskussion um mehr Sicherheit in Europa nicht in erster Linie aus einer militärischen Perspektive heraus zu führen. Wir wollen keinen neuen Rüstungswettlauf, der auch dazu führt, dass Gelder für die dringlichen Investitionen in den sozial-ökologischen Umbau fehlen oder dem Sozialstaat entzogen werden. Die Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf einen dauerhaften Anteil von zwei Prozent am Bruttoinlandsprodukt, wie es das Nato-Ziel vorsieht, lehnen wir daher ab. Die Bundesregierung plant im Rahmen einer Grundgesetzänderung den Aufbau eines Sondervermögens. Dieses soll ausschließlich für die Zwecke der Bundeswehr zweckgebunden sein. Insbesondere sollen zusätzliche Rüstungsgüter beschafft werden. Diese Pläne lehnen wir ab. Es bedarf erheblicher Summen, um für die Millionen Geflüchteter in Deutschland und Europa Unterbringung, Perspektive und Teilhabe zu schaffen. Nicht zuletzt gilt es, die wirtschaftlichen Folgen des Krieges und der Sanktionen für die Bevölkerung – insbesondere die stark steigenden Energiepreise – durch finanzielle Maßnahmen der Bundesregierung abzufedern. Wir werben für eine umfassende Definition von Sicherheit. Diese umfasst die Versorgungssicherheit durch den Ausbau erneuerbarer Energien ebenso wie den Gesundheitsschutz, auszubauende öffentliche Infrastrukturen einschließlich der IT-Sicherheit sowie mehr Mittel für die internationale Entwicklungszusammenarbeit und den Zivil- und Katastrophenschutz. Wir treten weiterhin für eine allgemeine und weltweite kontrollierte Abrüstung, für die Verwirklichung und Erhaltung des Friedens und der Freiheit im Geiste der Völkerverständigung ein. Deutschland muss als wesentlicher Akteur an einer gemeinsamen europäischen Friedens- und Sicherheitsarchitektur arbeiten. Auch wir Gewerkschaften leisten durch unsere transnationale Arbeit einen Beitrag dazu.

(Siehe auch S. 19)

Abb. (PDF): ippnw-logo zu Mediziner*innen in Russland und der Ukraine

Abb. (PDF): anmestx: Bleib informiert

Abb. (PDF): dfg-vk: Keine F-35