Politische Berichte Nr.2/2022 (PDF)20
Rechte Provokationen - Demokratische Antworten

Rechte Provokationen – demokratische Antworten – Redaktionsnotizen.

Zusammengestellt von Rosemarie Steffens, Langen, Hessen

01 NSU-2.0 Prozess: Nebenklage muss Ermittlungsarbeit der Staatsanwaltschaft übernehmen.
02 Aktionsplan gegen Rechtsextremismus, kommentiert von Timo Reinfrank, Amadeu-Antonio-Stiftung:
03 Linksfraktion im hessischen Landtag legt Entwurf für ein Antidiskriminierungsgesetz vor.
04 Nein zu Geschichtsrevisionismus und Holocaust-Relativierung im Ukraine-Krieg!

01

NSU-2.0 Prozess: Nebenklage muss Ermittlungsarbeit der Staatsanwaltschaft übernehmen. Zu den Entwicklungen im Prozess gegen den mutmaßlichen NSU-2.0-Drohbriefschreibenden erklärt Hermann Schaus, Prozessbeobachter und Abgeordneter der Fraktion Die Linke. im Hessischen Landtag: „Es ist ein Novum, dass die Nebenklage einen Angeklagten entlastet – und das liegt allein an den unzureichenden Ermittlungen zu Verstrickungen von Polizeikräften. Die Nebenklageanwältin von Seda Başay-Yıldız, Antonia von der Behrens, zählte Indizien für die Urheberschaft des ersten Drohfaxes auf, die eben nicht auf Alexander M., sondern auf einen Polizisten des 1. Frankfurter Polizeireviers hinweisen. Dieser war mutmaßlich für die Datenabfragen verantwortlich, in der berüchtigten rechten Chatgruppe „Itiotentreff“ sowie in rechten Darknetforen aktiv. Es ist unbegreiflich, dass die Staatsanwaltschaft diese Indizien unberücksichtigt gelassen hat.“

Es gebe haufenweise Leerstellen in den Ermittlungen, so Schaus. So seien bei weitem nicht alle bekannten Drohschreiben Teil der Anklage; gleiches gelte für Anrufe im Umfeld der Betroffenen, bei denen persönliche Daten erfragt wurden. Die Polizei habe es offenbar nicht für nötig gehalten, Betroffene von allen gegen sie gerichteten Drohschreiben zu informieren.

„Unsere Kritik ist seit Beginn der Ermittlungen, dass Zusammenhänge zwischen den Datenabfragen an Polizeicomputern, rechten Polizeikräften und Drohbriefschreibenden nicht ausermittelt wurden. Das ist auch nicht verwunderlich, wenn Kolleginnen und Kollegen gegeneinander ermitteln sollen.

Daraus ergeben sich offene Stellen bei den Ermittlungen und in der Anklage. Die Betroffenen müssen derweil mit zum Teil erheblichen Folgen hinsichtlich ihrer psychischen Gesundheit, Alltagsgestaltung und insbesondere dem Sicherheitsempfinden gegenüber den Polizeibehörden umgehen. In ihrem Sinne muss der Prozess eine vollumfängliche Aufklärung leisten.“

Hinweis: Sowohl Martina Renner als auch Janine Wissler gaben an, weitere Drohschreiben mit Indizien in Richtung „NSU 2.0“ erhalten zu haben, die nicht in der Anklage aufgeführt werden.

Aus den Zeugenaussagen von Anja Reschke und Hengameh Yaghoobifarah ergab sich, dass auch Anrufe im sozialen Umfeld getätigt wurden, um persönliche Daten der Betroffenen zu erlangen. Diese erfolgten mit zeitlichem und inhaltlichem Zusammenhang zu Drohschreiben an die jeweilige Person. Im Fall Reschke fanden die ersten Anrufe bereits 2015 statt; die Tonaufnahme eines Anrufs bei der Polizei wurde im Rahmen der Ermittlungen aber scheinbar nicht ausgewertet.

Linksfraktion-Hessen.de, 17.3.22

02

Aktionsplan gegen Rechtsextremismus, kommentiert von Timo Reinfrank, Amadeu-Antonio-Stiftung: „Der angekündigte Aktionsplan ist ein wichtiges Signal, dass der Rechtsstaat seine Mittel gegen rechtsextreme Gewalttäter endlich konsequenter als früher ausschöpfen will. Wir konnten in der Vergangenheit beobachten, dass die rechtsextreme Szene auf verstärkte Repression mit Rückzug reagiert. Fehlende Repressionsmaßnahmen versteht die rechte Szene als Ermutigung. Noch besteht der Aktionsplan aber aus Ankündigungen, eine wirkliche Repression muss sich an vollstreckten Haftbefehlen, verbotenen Organisationen und eingezogenem illegal erworbenen Vermögen messen. Diese konkreten Maßnahmen bleibt uns das Innenministerium bislang schuldig. Wir begrüßen insbesondere das Vorhaben, die rechte Szene finanziell trocken zu legen. Auch die Überschneidung zwischen der rechtsextremen Szene und der organisierten Kriminalität etwa im ‚Rocker-Milieu‘, im Drogen- und Waffenhandel werden bislang vollkommen vernachlässigt. Wir müssen aber auch der Realität ins Auge blicken: Rechtsextreme bewegen sich oft in der Illegalität und finden Wege, sich trotzdem zu bewaffnen und konspirativ Gewalttaten zu planen, besonders der harte gewaltbereite Kern. Ein wirkliches Umdenken in den Sicherheitsbehörden wird nur gelingen, wenn der Bund verstärkt auf die Länder Druck ausübt und auch diese stärker gegen die rechtsextreme Szene vorgehen. Solange es nicht genügend Polizisten gibt, die im ländlichen Raum auf der Seite der Engagierten und Minderheiten stehen und sie vor Übergriffen schützen, bleibt die wehrhafte Demokratie zahnlos. Das effektivste Mittel gegen Rechtsterrorismus ist es, wenn Menschen sich gar nicht erst so weit radikalisieren. Repression und Prävention müssen Hand in Hand gehen und dürfen nicht in kleinteiligen Maßnahmen auseinanderfallen, wie es bisher viel zu oft geschehen ist. Hier kommt es darauf an, dass die im Koalitionsvertrag vereinbarten Strategien und Maßnahmen durch alle Häuser der Bundesregierung umgesetzt werden.“

amadeu-antonio-stiftung.de 15.03.22

03

Linksfraktion im hessischen Landtag legt Entwurf für ein Antidiskriminierungsgesetz vor. Es solle dazu beitragen, Ungleichbehandlungen auf Grund von Merkmalen wie Geschlecht, ethnische Herkunft oder sozialer Status abzubauen, sagte die integrationspolitische Sprecherin, Saadet Sönmez. Während das bestehende Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz nur den zivil- und arbeitsrechtlichen Bereich abdecke, ziele das Antidiskriminierungsgesetz auf öffentlich-rechtliches Handeln, erklärte Sönmez. Damit werde ein Instrument geschaffen, um die von staatlichen Stellen ausgehenden Diskriminierungen zu ahnden. Der Gesetzentwurf sieht unter anderem Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche sowie die Einrichtung einer Ombudsstelle vor.

https://www.linksfraktion-hessen.de/fileadmin/lf/-Antidiskriminierungsgesetz.pdf

04

Nein zu Geschichtsrevisionismus und Holocaust-Relativierung im Ukraine-Krieg! … Russland bezeichnete die militärischen Angriffe der ukrainischen Armee gegen die Volksrepubliken im Donbass in der Zeit von 2014 bis 2021, bei denen über 14 000 Menschen getötet wurden als „Genozid“ an der russischsprachigen Bevölkerung. … vollkommen zurecht (haben sich) die Internationalen Lagergemeinschaften und die FIR dagegen verwahrt, dies als Legitimation für einen Krieg zu nehmen, und den unangemessenen Gebrauch des Begriffs „Genozid“ zurückgewiesen.

Gleichermaßen müssen wir heute die medialen Formen der Holocaust-Relativierung, wie sie seitens der ukrainischen Regierung vorgenommen wird, zurückweisen. Nicht nur der ukrainische Botschafter in der BRD, Andrij Melnyk, der sich als Verteidiger des Azow-Bataillons betätigt, sprach in Analogie zum faschistischen Überfall auf die Sowjetunion 1941 von einem „Vernichtungskrieg“, der sich diesmal nicht nur gegen die Ukraine, sondern gegen die ganze freie Welt richte.

Die FIR erinnert in diesem Zusammenhang auch noch einmal daran, dass vor 23 Jahren zur propagandistischen Legitimierung des Nato-Krieges gegen Jugoslawien ebenfalls die Holocaust-Relativierung genutzt wurde … Deutsche Überlebende der Shoah und des nazistischen Massenverbrechens bezeichneten dies damals als „Neue Auschwitz-Lüge“. Solche Instrumentalisierung von Faschismus-Vergleichen für militärisches Handeln ist aus unserer Sicht nicht akzeptierbarer staatlicher Geschichtsrevisionismus.

Newsletter der FIR, 25.3.22

Abb. (PDF): Logo FIR