Politische Berichte Nr.2/2022 (PDF)22
Rechte Provokationen - Demokratische Antworten

Warum rechtfertigt die extreme Rechte die russische Aggression?

Olaf Argens, Schmitten, und Michael Juretzek, Bremen

Die Haltung der extremen Rechten zum Angriff russischer Truppen auf die Ukraine ist nicht einheitlich. Während der Bundesvorstand der AfD das Vorgehen Russlands verurteilt, erklärt das Querfront-Magazin Compact nicht Russland, sondern die Nato zum Aggressor. Verschiedene Autoren aus dem Umfeld der Zeitung Sezession des Instituts für Staatspolitik stellen selbst die staatliche Existenzberechtigung der Ukraine infrage. Übereinstimmung besteht insoweit, als der Nato die Verantwortung für die Eskalation zugeschrieben wird, weil legitime Sicherheitsinteressen Russlands in seinen Einflusssphären verletzt worden seien. Forderungen nach Sicherheit in jenen Staaten, die jahrzehntelang einer begrenzten Souveränität im Einflussbereich der Breshnew-Doktrin ausgesetzt waren, werden als provokative Osterweiterung der Nato diffamiert. Die geopolitische Positionierung der deutschen Rechten und Rechtsradikalen weist Schnittmengen mit grundlegenden Aussagen des russischen Präsidenten auf: Dem völkischen Denken gelten universale individuelle Menschenrechte und liberale Gesellschaften als Angriff auf Tradition und nationale Identität, der zur Auslöschung des Volkes (Genozid) führt. Die Existenzberechtigung souveräner Staaten wird verneint, weil sie das natürliche Territorium eines konstruierten Volkes verletzen würde. USA und Nato gelten als Hauptfeinde, denen sich ein europäischer Block entgegenstellen muss. Eine Konfliktbewältigung in internationalen Institutionen wird abgelehnt. Es folgen Belege:

I. Die Nato sei der Aggressor – Russland verteidige seine Einflusssphäre

24. Februar 2022, Putins Fernsehansprache an das russische Volk: „Ich habe beschlossen, eine militärische Sonderoperation durchzuführen. Ihr Ziel ist es, die Menschen zu schützen, die das Kiewer Regime seit acht Jahren Misshandlungen und Völkermord aussetzt … Das Problem besteht darin, dass auf den an uns angrenzenden Gebieten – ich betone, auf unseren eigenen historischen Gebieten – ein uns feindlich gesinntes „Anti-Russland“ geschaffen wird, das unter vollständige Kontrolle von außen gestellt wurde, von den Streitkräften der Nato-Länder intensiv besiedelt und mit den neuesten Waffen vollgepumpt wird… Man hat uns einfach keine andere Möglichkeit gelassen, Russland und unser Volk zu verteidigen, als die, zu der wir heute greifen müssen…“

(Quelle: https://www.rnd.de/politik/putin-rede-im-wortlaut-so-erklaert-russlands-praesident-den-angriff-auf-die-ukraine-ECYT4LZW7MF7WNE3BCHTDV27CY.html)

1| 14. Dezember 2021: AfD-EU-Abgeordneter M. Krah, Fraktion Identität und Demokratie: „Pläne einer Nato-Osterweiterung, wie sie nicht nur in Kiew artikuliert werden, sind seitens der Nato sofort zurückzuweisen, denn sie käme einer Kriegserklärung an Russland gleich. Der Kreml hätte keine andere Möglichkeit, als hierauf deutlich zu reagieren.“

2| 2. Februar, AfD: Tino Chrupalla: „Die Entsendung weiterer amerikanischer Truppenkontingente nach Polen und Rumänien verschärft die angespannte Lage in Osteuropa … Die militärische und mediale Eskalation der vergangenen Wochen führt direkt in einen bewaffneten Konflikt mit Russland.“

3| Leitartikel Compact 3/2022: „Die westliche Welt sehnt sich geradezu nach einem großen Schlachten … Putin hat die Eskalation jedenfalls nicht zu verantworten. Seine Forderung, die Nato solle die Neutralität der Ukraine respektieren und das Land nicht in den westlichen Militärblock ziehen, ist nur recht und billig.“

4| 21. Februar, AfD, Gauland und Bystron: „Die jetzige Situation ist eine Folge der entgegen allen Absprachen mit Moskau vorangetriebenen Osterweiterung der Nato nach dem Ende des Kalten Krieges. Dadurch hat der Westen die legitimen Sicherheitsinteressen Russlands verletzt.“

5| 22. Februar, COMPACT online: „Putins Militäraktion ist defensiv: Nach tagelangen Angriffen ukrainischer Kräfte auf die Donbass-Republiken dient der Schritt Moskaus dem Schutz der dortigen Bevölkerung … Solange Putin seine Militäraktion auf den russischen Donbass beschränkt und sich nicht anschickt, die Ukraine insgesamt zu zerschlagen, verbietet sich eine Parallele“ (zu Hitlers Einmarsch 1939 in Polen, M.J.).

6| 26. Februar, COMPACT online: „Russland ist nicht der Aggressor: … Der Angreifer ist, wie schon oft in der Geschichte beobachtet, nicht der Aggressor. Die Aggression geht von der Nato unter Führung der USA aus, die die Ukraine als Offensivplattform gegen Russland nutzen wollen und bereits eine ständige Militärpräsenz im Land unterhalten.“

II. Russland sei der natürliche Verbündete im Kampf gegen den Hauptfeind „Liberalismus“

12. Dez. 2013, Putins Rede zur Lage der Nation (zit. Zeit online 12.12.2013): „Russlands Präsident Wladimir Putin hat dem Westen vorgeworfen, mit seiner Abkehr von traditionellen Werten Stabilität und Frieden in der Gesellschaft zu gefährden. Russland habe eine „historische Verantwortung“, die jahrtausendealten Grundlagen menschlichen Zusammenlebens in der Welt zu verteidigen … „In vielen Ländern werden heute die Normen von Moral und Sittlichkeit umgekrempelt, nationale Traditionen und die Unterschiede zwischen den Nationen und Kulturen verwaschen“, beklagte der russische Präsident.“

12. Juli 2021, Putin, offizielle Internetseite des russischen Präsidenten: „Über die historische Einheit der Russen und der Ukrainer“. „Es ist nicht übertrieben zu sagen, dass die gegenwärtige Politik einer gewaltsamen Assimilation, der Schaffung eines ethnisch sauberen ukrainischen Staates, die sich aggressiv gegen Russland richtet, in ihren Folgen vergleichbar ist mit dem Einsatz von Massenvernichtungswaffen gegen uns.“

(Quelle: Zeitschrift OSTEUROPA, 7/2021, S.62)

1| Dez. 2008: Hans-Dietrich Sander in der damaligen NPD-Theoriezeitschrift „Hier&Jetzt“: „Bleiben die Russen standhaft, dürfte die Nachkriegsordnung samt UNO, One World und Weltgemeinschaft als ein völkerrechtlich verlogenes Simulacrum [Traumbild, leerer Begriff; M.J.] nicht mehr zu halten sein.“

2| 2015: AfD, Wolfgang Gedeon: „Eine neue deutsche Identität muss zwar vor allem deutsch, sie muss aber auch europäisch sein. Sie braucht eine europäische Dimension, sollte also nicht klein-deutsch, preußisch-deutsch, sondern groß-deutsch, europäisch-deutsch sein … Nicht zuletzt geht es um äußere und innere (=geistige) Emanzipation von den USA, wofür ein starkes deutsch-russisches Bündnis unabdingbar ist … Wir müssen also ganz bewusst die russische Karte gegen die USA spielen.“ (W. Gedeon „Grundlagen einer neuen Politik“, 2015 S.47/48. Ehemaliger AfD-Landtagsabgeordneter BaWü. 2020 aus der AfD ausgeschlossen.

3| März 2022: Compact Spezial Nr. 33 „Feindbild Russland: Compact zeigt: Putin ist dem Westen verhasst, weil er ein Gegenmodell darstellt. Er ist ein Patriot und kein Vaterlandshasser, lehnt Multi-Kulti und Gender ab, drangsaliert die Wirtschaft nicht mit politisch-korrekten Vorschriften und Klima-Abgaben.“

4| 26. Februar: Jürgen Elsässer Compact online: „Die erneute Spaltung der Welt in einen US-geführten und einen prorussischen Block, wenn auch unter entgegensetzten ideologischen Vorzeichen als 1945 bis 1989, wäre eine gute Nachricht. Der zerstörerische Globalismus käme zum Stillstand – und zwischen den Blöcken gäbe es Luft für Neutralismus und Eigenständigkeit.“

III. Die Ukraine sei ein „Geschöpf der Sowjetära“. Großrussen, Ukrainer und Belorussen seien ein Volk in einem „historischen Russland“.

2012, Putin: „Über die historische Einheit der Russen und der Ukrainer“: „Russen, Ukrainer und Belorussen entstammen alle der Alten Rus‘, die einst der größte Staat in Europa war …

Es war die sowjetische Nationalitätenpolitik, die auf staatlicher Ebene die These von den drei getrennten slawischen Völkern – dem russischen, dem ukrainischen und dem belorussischen – festschrieb, statt der großen russischen Nation [russkaja nacija], eines dreieinigen Volkes, bestehend aus Großrussen, Kleinrussen und Belorussen … Die heutige Ukraine ist also ganz und gar und durch und durch ein Geschöpf der Sowjetära. Wir wissen und erinnern uns, dass sie zu einem großen Teil auf Kosten des historischen Russlands geschaffen wurde … Eines jedenfalls ist offensichtlich: Russland wurde faktisch ausgeraubt … Die Ukraine und Russland haben sich seit Jahrzehnten, ja seit Jahrhunderten, als ein einheitliches Wirtschaftssystem entwickelt … Schritt für Schritt zogen sie [USA und EU, M.J.] die Ukraine in ein gefährliches geopolitisches Spiel, dessen Ziel es ist, die Ukraine in einen Puffer zwischen Europa und Russland, in ein Aufmarschgebiet gegen Russland zu verwandeln.“

(Quelle: OSTEUROPA 7/2021, S.51, S.58, S.59, S.61)

1| 22. Feb. 22, Compact Jürgen Elsässer: „Nach tagelangen Angriffen ukrainischer Kräfte auf die Donbass-Republiken dient der Schritt Moskaus dem Schutz der dortigen Bevölkerung … Wenn Russland seinen Hinterhof befestigt, ist das für Deutschland kein Grund zur Besorgnis.“

2| 24. Feb. 22, wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Staatspolitik Erik Lehnert: „Rußland wiederum sieht seine Sicherheitsinteressen mißachtet, wenn die Ukraine langfristig Mitglied in EU und Nato werden sollte … Es ist konsequent von Putin, nicht abgewartet zu haben, bis die Ukraine Nato-Mitglied wurde (wie die baltischen Staaten es bereits sind).“

3| 13. März 22, Autor in „Sezession“ Martin Lichtmesz: „Die ethnisch-ukrainische Seite dieses Konflikts wurde von dem supranationalen, globalen, imperialen Monolithen vereinnahmt … Ihr Ziel ist es, Russland weiter unter Druck zu setzen, indem sie die Ukraine – einschließlich der russischsprachigen östlichen Regionen – zu einem weiteren politischen Bestandteil des amerikanischen Globalismus machen.“

4| 19. März 22, IfS, Erik Lehnert: „Das Leid, das der russische Angriff über die ukrainische Bevölkerung gebracht hat, läßt den ukrainischen Staat selbst in einer ahistorischen Unantastbarkeit erscheinen, die er nie besessen hat … im Sinne einer nüchternen Betrachtung der Voraussetzungen dieses Krieges ist es sinnvoll, die Existenz der Ukraine in der durch die Bolschewisten geschaffenen Form in den Hintergrund treten zu lassen, weil sie etwas als gesetzt behauptet, was in anderen Fällen durchaus in Frage gestellt werden durfte: die territoriale Gestalt eines Landes.“

Abb. (PDF): Quelle: screenshot compact-online.de. Dieser Aufkleber wurde Anfang März aus den Fanartikeln des Compact-Shop entfernt

Abb. (PDF): screenshot compact-online.de