Politische Berichte Nr.3/2022 (PDF)18b
Rechte Provokationen - Demokratische Antworten

Wie Amazon seine Beschäftigten kontrolliert

Bruno Rocker, Berlin

Der Amazon-Konzern dominiert bundesweit mit mittlerweile 53 Prozent Marktanteil den Onlinehandel. 18 Logistikzentren enthalten jene riesigen Lager, in denen Amazon-Beschäftigte und Leihkräfte die Pakete „befüllen“. Über 5 Sortier- und über 50 Verteil-Zentren wird die Ware sodann den Kunden zugestellt, wobei diese Arbeit vor allem über Subunternehmen und über sogenannte Soloselbstständige erledigt wird. Mit einer durchgehenden Vernetzung und den Einsatz künstlicher Intelligenz wird die Steuerung und Kontrolle der Arbeit organisiert.Die Stellenangebote von Amazon und Subunternehmen sind, ähnlich den Arbeitsangeboten von Kurier- und Lieferdiensten, oft attraktiv beschrieben und setzen kaum Deutschkenntnisse voraus. Große Teile der Belegschaft sind Migranten oder Beschäftigte mit Migrationshintergrund.

Die Kehrseite: Ohne entsprechende Deutschkenntnisse sind zumeist auch kaum Kenntnisse über das deutsche Arbeitsrecht vorhanden. Weder ist den Angeworbenen bekannt, was über Arbeitszeiten und Pausen vorgeschrieben ist, was ein Arbeitsvertrag unbedingt enthalten muss, oder welche Arbeitsschutzmaßnahmen gelten.

Unter diesen Bedingungen funktionieren die Überwachung und Kontrolle besonders reibungslos. Mittels Scanner, App und Kameraüberwachung werden permanent Daten über die Beschäftigten gesammelt. Amazon ist deshalb zu jeder Zeit darüber informiert, wo sich einzelne Beschäftigte befinden, ob Unterhaltungen stattfinden, ob und wann Pausen eingelegt und wieviel Zeit für die Arbeit benötigt wird. Bei den soloselbstständigen Kurieren wird die vorgegeben Route über eine entsprechende App gesteuert und überwacht.

In einer entsprechenden Untersuchung der Hans-Böckler-Stiftung vom Mai 2022 (1) heißt es zu den Überwachungsmethoden darüber hinaus:

„In den USA und mittlerweile auch in Deutschland gehe der Konzern mit der App „Mentor“ sogar noch einen Schritt weiter. Diese erfasse Arbeitszeiten, das Fahrverhalten und die Nutzung des Telefons in Echtzeit. So könnten Vorgesetzte Beschäftigte, die nicht schnell genug arbeiten, durch Anrufe und Textnachrichten zu mehr Leistung antreiben. Wer negative Bewertungen bekommt oder Pakete verliert, könne für Tage oder Wochen gesperrt werden, ohne Lohn zu erhalten, oder müsse mit einer Kündigung rechnen.Amazon bereite zudem ein neues Kontrollsystem für das Autofahren vor. Das „Driveri“-Kamerasystem mit vier Videokameras registriere fortlaufend das Fahrverhalten – zum Beispiel, wer wie schnell fährt oder bremst. Das solle Unfälle vermeiden, setze aber zugleich die Fahrer noch mehr unter Druck.“Immer neue solcherlei Berichte aus dem Arbeitsleben der Bundesrepublik, insbesondere aus den Bereichen der „einfachen Dienstleistungen“ lassen den Schluss zu, dass ein zweiter Arbeitsmarkt unterhalb der gültigen Regelungen des Arbeitsrechts sich mehr und mehr etabliert.

Quelle: (1) Tina Morgenroth: Amazon, Daten und Pakete, in „Atlas der digitalen Arbeit“, ein Gemeinschaftsprojekt des DGB und der Hans-Böckler-Stiftung, Mai 2022