Politische Berichte Nr.4/2022 (PDF)07
Aktuell aus Politik und Wirtschaft

Wenn zwei das gleiche tun …

Edda und Karl-Helmut Lechner, Norderstedt

Wie sich die Situationen gleichen – und doch könnten sie gegensätzlicher nicht sein. Während Finnland und Schweden die Mitgliedschaft in der Nato beantragen und den Kritikern, allen voran der Russischen Föderation, entgegengehalten wird, dass es das selbstverständliche Recht und die alleinige freie Entscheidung eines Landes sei, wer welches Bündnis mit wem eingehe, sollen diese Prinzipien auf der anderen Seite der Welt, im Pazifik, „Hals über Kopf“ verstanden und entschieden werden. Der Pazifikstaat Salomon Islands hat mit der VR China nach längeren Verhandlungen und Kontakten einen Vertrag über eine strategische Partnerschaft abgeschlossen, der auf „Solidarität, Gleichheit, Achtung der Souveränität und territorialen Integrität des jeweils anderen“ beruht. Dies wurde von einigen anderen pazifischen Staaten, aber vor allem von den mit ihnen verbündeten Vereinigten Staaten mit Empörung und Drohung zur Kenntnis genommen.

China und die Salomonen kooperieren

Die Regierung Chinas hat am 19. April dieses Jahres erklärt, dass ein solcher Sicherheitspakt mit den Salomonen unterzeichnet sei. Bei einer anschließenden Besuchsreise zu sieben pazifischen Inselstaaten traf sich der chinesische Außenminister Wang Yi Ende Mai 2022 vorrangig mit dem salomonischen Premierminister Manasseh Sogavare. Dieser betonte in seiner Rede dem Außenminister gegenüber: „Ihr Besuch auf den Salomonen ist ein klares Bekenntnis zur Solidarität Ihres Landes mit den Salomonen, die auf dem Grundsatz der Gleichheit und der Achtung der Souveränität des anderen beruht … China ist jetzt der größte Infrastrukturpartner der Salomonen. Die Salomonen sind dankbar für die Gesundheitsausrüstung, die Testmöglichkeiten und das Krankenhaus National Hospital Referral Centre, das China bauen lassen will.“ Er bedankte sich Wang Yi gegenüber auch für das Angebot, Sportler und Trainer für die Pazifikspiele 2023 auszubilden. Im Rahmen von Stipendien sollen weitere Studenten von den Salomonen zum Studium nach China entsandt werden. Außerdem würdigte Sogavare das Abkommen über den zivilen Luftverkehr und die Befreiung von der Visumpflicht. Er sicherte Peking seine Unterstützung für die Ein-China-Politik und die Achtung der territorialen Integrität Chinas zu. Und er bedankte sich für die bisherigen und zukünftigen Sicherheitsinvestitionen der VR China in die Polizei der Salomonen. (vgl. PB 2/22 – S. 7)

Reaktionen rund um den Pazifik

Die Reaktionen auf diesen offen vertretenen Sicherheitspakt zwischen den Salomonen und China sind vielfältig und zunächst recht eindeutig orientiert. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates des Weißen Hauses in Washington unterstellte, dass China nicht wie selbst dargestellt „transparent, offen und inklusiv“ vorgegangen sei, sondern habe wie üblich undurchsichtig und nur vage Fischerei, Ressourcen und Entwicklungshilfe angepriesen. Dahinter steckten aber mit Sicherheit militärische Ambitionen. Obwohl Premierminister Sogavare deutlich mitgeteilt hatte, es handele sich bei dem Sicherheitsabkommen um keine chinesische Militärbasis, äußerten die USA wie auch Australien und Neuseeland den starken Verdacht, dass mit dem Pakt der beiden Länder eine militärische Aufrüstung in der Region zu befürchten sei. Chinesische Kriegsschiffe könnten sicher auf den Salomonen landen und für logistischen Nachschub sorgen. Schließlich hatte China bereits 2021 Polizei- und Streitkräfte dorthin entsandt. Wenn auch nur, „um bei der Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung zu helfen“. Und schließlich werde die endgültige Fassung des Abkommens von den Salomonen und China wohl bewusst nicht vollständig veröffentlicht!

Die australische Außenministerin Marise Payne erklärte, der Pakt habe das Potential, „die Stabilität in unserer Region zu untergraben“. Präsident Biden warnte die Salomon-Inseln, dass die Vereinigten Staaten „Maßnahmen“ gegen diese Nation im Südpazifik ergreifen würden, sollte es de facto eine ständige Militärpräsenz oder eine Militäreinrichtung Chinas dort geben. Denn dies würde eine Bedrohung für die Interessen der USA und ihrer Verbündeten darstellen. Kurt Campbell, der Koordinator des Nationalen Sicherheitsrates der USA für den indopazifischen Raum, flog sogleich mit einer Delegation zu den Salomonen, um diese „Sicherheitsbedenken anzusprechen“. Es gab auch gleich unzweideutige Vermutungen, wie die USA reagieren könnten: So äußerte laut „Taz“ bereits am 1. April 2022 der Ex-Chefredakteur der einflussreichen australischen Fachzeitschrift „The Diplomat“, David Llewellyn-Smith, dass – sollte Peking auf den Salomonen einen Militärstützpunkt bauen – ein solcher „Verlust der australischen Souveränität und Demokratie“, Canberra dazu zwingen würde, „dann eben die Regierung der Salomonen zu stürzen“.

Um auf das Problem und die umstrittene Frage neuer Mitgliedschaften von europäischen Staaten in der Nato und dem grundsätzlichen internationalen Recht für ein jeweils eigenes Bündnisverhalten zurückzukommen: Im Pazifik sind es neben den „großen Mächten“, die dies den Salomonen ernsthaft absprechen, auch eine Reihe kleinerer Inselstaaten, die diesen Ton anschlagen. Sie sind meist letzte Bastionen der kolonialen Vergangenheit unter europäischer Herrschaft. So gehören selbst die Salomonen heute noch dem britischen Commonwealth an und werden mit Hilfe eines Generalgouverneurs von der britischen Königin Elisabeth II regiert – ohne Anspruch auf ein eigenes Militär. Natürlich sind weitere Inselstaaten vor allem im Norden und Westen des Pazifiks (in Richtung Chinas) meist langjährige Verbündete der USA, die hier seit dem Zweiten Weltkrieg systematisch ihre militärische Präsenz ausbaute. Sie lancierte so manche Unabhängigkeit, indem auch sie den betreffenden Staaten die „Last einer eigenständigen Militärinstitution“ abnahm.

Einer der engsten Verbündeten der USA, Präsident David Panuelo im Staat Mikronesien, schrieb deshalb ebenfalls einen kritischen Brief an Sogavare und erklärte, dass Mikronesien „ernste Sicherheitsbedenken“ gegen die „neuartige und beispiellose“ Vereinbarung mit der VR China habe. Dass er selbst und sein Land diplomatische Beziehungen zu China unterhält und er sich selbst immer wieder als „Freund“ Chinas bezeichnet, zeigt abschließend, dass es im Pazifik denn doch auf lange Sicht keine klaren, einseitig orientierten politischen Beziehungen mehr gibt. Die Staaten wechseln häufiger als je zuvor die Seiten, sehen sich gegenseitig als Rivalen an, arbeiten aber ebenso in zahlreichen Bündnissen eng zusammen, und/oder spielen die großen Mächte rund um den Pazifik immer wieder gerne gegeneinander aus.

Quelle u.a.: https://thediplomat.com/2022/04/how-the-us-can-make-up-lost-ground-in-solomon-islands/

Abb. (PDF): Video-Konferenz des chinesischen Außenminister Wang Yi mit VertreterInnen Pazifischer Staaten Mai 2022, Quelle: Xinhuanet / „Fenster zu China“