Politische Berichte Nr.4/2022 (PDF)17
Gewerkschaften/Soziale Bewegung

Internationale Arbeitsorganisation verankert Arbeitsschutz als Grundrecht

Rolf Gehring, Brüssel

Vor dem Hintergrund von jährlich fast drei Millionen tödlichen Arbeitsunfällen, geschätzten 160 Millionen Berufserkrankungen und etwa 300 Millionen Arbeitsunfällen bleibt der Arbeits- und Gesundheitsschutz Kernaufgabe der IAO und wird nun als individuelles Grundrecht verankert.

Bereits im letzten Jahr wollten die internationalen Gewerkschaften auf der Arbeitskonferenz der IAO vorschlagen, den Arbeits- und Gesundheitsschutz in die Erklärung über grundlegende Prinzipien und individuelle Rechte der Arbeitnehmer aufzunehmen. Stattdessen haben sie aber rund um den Workers Memorial Day gemeinsame Erklärungen mit Unternehmen und Arbeitgeberverbänden unterzeichnet, um die entsprechende Debatte innerhalb der IAO besser vorzubereiten. Hunderte sind zusammengekommen (siehe auch den Bericht in den PB 3021, S. 18). Nun wurde das Thema auf der diesjährigen Arbeitskonferenz verhandelt.

Am 10. Juni 2022 haben die Delegierten der Konferenz den Grundsatz einer sicheren und gesunden Arbeitsumgebung in die Erklärung aufgenommen. Damit werden die Sicherheit und der Gesundheitsschutz bei der Arbeit zur fünften Kategorie der 1988 erstmalig verabschiedeten Erklärung der grundlegenden Prinzipien und individuellen Rechte bei der Arbeit. Sie ergänzt damit die bestehenden vier Kategorien: Vereinigungsfreiheit und die wirksame Anerkennung des Rechts auf Kollektivverhandlungen, Abschaffung der Zwangs- oder Pflichtarbeit, Abschaffung der Kinderarbeit und Beseitigung der Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf.

Im Gegensatz zu den Übereinkommen, die von den einzelnen Mitgliedstaaten ratifiziert werden müssen, um anwendbar zu sein, wird von allen 187 Mitgliedstaaten der IAO erwartet, dass sie die grundlegenden Prinzipien und individuellen Rechte achten, fördern und verwirklichen. Sichere und gesunde Arbeitsbedingungen sind seitens der IAO bisher durch die Annahme einer ganzen Reihe von Übereinkommen und Entschließungen gefördert worden. Bereits in der Erklärung von Philadelphia aus dem Jahr 1944 und in der IAO-Erklärung über soziale Gerechtigkeit und eine faire Globalisierung wurde der Arbeitsschutz thematisiert. Etwa die Hälfte aller Übereinkommen und Empfehlungen befassen sich ausschließlich oder teils mit dem Thema Arbeits- und Gesundheitsschutz.

Zentral sind für den Bereich Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit vor allem die Übereinkommen C-155 und C-187 als Grundübereinkommen. Das Übereinkommen über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit (C-155) enthält insbesondere die Verpflichtung des Arbeitgebers, dafür zu sorgen, dass seine Arbeitsstätten, Maschinen, Ausrüstungen und Verfahren sicher und ohne Gesundheitsgefährdung sind. Sie umfasst auch „die körperlichen und geistigen Elemente, die sich auf die Gesundheit auswirken und in direktem Zusammenhang mit der Sicherheit und Hygiene am Arbeitsplatz stehen“ (Artikel 3). Mit dem Rahmenübereinkommen zur Förderung von Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit (C-187) verpflichten sich die IAO-Mitglieder, eine kontinuierliche Verbesserung des Arbeitsschutzes zu fördern, um Verletzungen, Krankheiten und Todesfälle am Arbeitsplatz zu verhindern, indem sie in Absprache mit den Arbeitgebern und Gewerkschaften eine entsprechende Politik entwickeln und nationale Programme auflegen. Im Gegensatz zu den europäischen Richtlinien, die nach ihrer Verabschiedung automatisch für alle Mitgliedstaaten gelten, entfalten die IAO-Übereinkommen nur für die Länder Wirkung, die sie ratifizieren. Zwar haben eine Reihe von Ländern die beiden oben genannten Übereinkommen bereits ratifiziert, allerdings wenige. Bislang wurde das IAO-Übereinkommen Nr. 155 von 74 Ländern ratifiziert. Nicht dabei z.B. Österreich, Frankreich, Estland, Griechenland, das Vereinigte Königreich und Kanada. C-187 wurde bisher nur von 57 Ländern ratifiziert, nicht dabei EU-Mitglieder wie Bulgarien, Estland, Irland, Italien, Lettland, Malta, Polen und Rumänien oder die Vereinigten Staaten. Der jetzige Beschluss stärkt auch die Kräfte, die auf nationaler für die Ratifizierung dieser Übereinkommen eintreten.

Link zur neuen Fassung der Erklärung: https://www.ilo.org/ilc/ReportsavailableinGerman/WCMS_849105/lang--en/index.htm.

Quelle: ILO Webpage – 110th International Labour Conference: International Labour Conference adds safety and health to Fundamental Principles and Rights at Work (ilo.org)

Abb. (PDF): ILO 110. Internationale Arbeitskonferenz: Quelle: ILO Webpage – 110th International Labour Conference: International Labour Conference adds safety and health to Fundamental Principles and Rights at Work (ilo.org)

Abb. (PDF): Logo ILO

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