Politische Berichte Nr.4/2022 (PDF)20
Rechte Provokationen - Demokratische Antworten

Rechte Provokationen – demokratische Antworten – Redaktionsnotizen. Zusammengestellt von Rosemarie Steffens, Langen, Hessen

01 Amadeu-Antonio-Stiftung zu Franco A. als Teil eines rechtsextremen Milieus:
02 Antisemitismus auf der „Dokumenta fifteen“.
03 AfD Baden-Württemberg hat rechtsextreme Doppelspitze.
04 Staatliche Gelder für rassistische und rechtsextreme Bildungsarbeit?

01

Amadeu-Antonio-Stiftung zu Franco A. als Teil eines rechtsextremen Milieus: „Seit Mai 2021 stand Oberleutnant Franco A. vor dem Oberlandesgericht Frankfurt a. M. Die Generalbundesanwaltschaft warf ihm u. a. die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat vor. Er soll Anschläge auf Personen des öffentlichen Lebens vorbereitet haben, auch auf die damalige Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, Anetta Kahane. Franco A. hatte ihren Namen auf einer mutmaßlichen „Feindesliste“ notiert. Der Fall Franco vereint alles, was den modernen Rechtsextremismus ausmacht: eng bekannt und gut vernetzt mit rechtsextremen Kreisen der Bundeswehr, aktiv in einem Netzwerk rechtsextremer Chatgruppen aus Elitesoldaten, dem Hannibal-Netzwerk, und er nahm an konspirativen Treffen teil, bei denen sich rechtsextreme Soldaten auf einen „Tag X“ vorbereiten, an dem sie bewaffneten Widerstand leisten würden. „Man sollte sich hüten, Franco A. als Einzelfall zu begreifen. Man hätte sich das weit verzweigte Netzwerk innerhalb der Sicherheitsbehörden und der Bundeswehr anschauen müssen, dafür reicht das juristische Verfahren gegen A. nicht aus. Die Aufarbeitung des Falls Franco A. darf mit einem Gerichtsurteil nicht enden; es darf kein Schlussstrich gezogen werden“, fordert Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu-Antonio-Stiftung.

www.amadeu-antonio-stiftung.de/pressemitteilungen 14.7.2022)

02

Antisemitismus auf der „Dokumenta fifteen“. Interview mit Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt a.M. am 22.6.22.

„Am Dienstag gegen Abend wurde eine Installation am zentralen Friedrichsplatz in Kassel abgebaut. Was war der Grund? – Sie reproduziert ganz klar antisemitische Hetze. Bei dem riesigen Banner des indonesischen Kunstkollektivs Taring Padi handelt es sich um ein 20 Jahre altes Werk, das antisemitische Bildelemente zeigt: Einen dämonisch grinsenden Mann mit Schläfenlocken, Raffzähnen und SS-Runen am Hut und ein Schwein mit Davidsstern und Schriftzug des israelischen Geheimdienstes Mossad.

Für Einsteiger: Inwiefern ist diese Bildsprache antisemitisch? – Die Darstellung von Juden als Nazis: das ist ein antisemitischer Klassiker. Diese Täter-Opfer-Umkehr ist typisch, quasi ein europäisches Antisemitismus-Exportgut. Durch den Schweinerüssel an der Figur mit Davidstern wird deutlich, dass Juden hier schlicht beleidigt werden sollen. Das Schwein ist im Judentum das Symbol für Unreinheit schlechthin. Ohne Zweifel: Künstler haben hier bewusst mehrschichtige antisemitische Narrative auf die Leinwand gebracht.

Diskussionen gab es doch schon Monate im Vorfeld? – In a nutshell: Kritiker*innen befürchteten bereits lange vor der Eröffnung, dass in Kassel antisemitische Kunst gezeigt werden könnte, weil die künstlerische Leitung der diesjährigen documenta fifteen – das indonesische Künstler*innenkollektiv ruangrupa – und weitere der von ihnen eingeladenen Künstler*innen(kollektive) aus verschiedenen Ländern des globalen Südens der israelfeindlichen Boykottbewegung BDS nahestehen. Andere – darunter ich selbst – habe diese Haltung dafür kritisiert, dass die Künstler*innen aus dem Globalen Süden unter Antisemitismus-Generalverdacht gestellt wurden. Ich habe ruangrupa aber auch dafür kritisiert, dass sie zwar palästinensische, aber keine jüdischen Künstler*innen aus Israel zur documenta fifteen eingeladen hatte.

Wie sollte es jetzt weiter gehen? – Das kritisierte Kunstwerk von Taring Padi ist eindeutig antisemitisch und hätte so niemals auf der mit 43 Millionen Euro staatlich finanzierten Kunstausstellung zu sehen sein dürfen. Jetzt aber gilt es die Scherben zusammenzukehren und nach vorne zu schauen. Jetzt muss die Auseinandersetzung beginnen! Es ist Aufgabe der documenta, in den Dialog mit dem Publikum und den rund 1500 Künstler*innen aus aller Welt zu treten, damit die Debatte nicht noch weiter eskaliert. Die documenta und ihre künstlerische Leitung müssen die Kritik ernstnehmen und Räume schaffen, in denen über Antisemitismus und Rassismus in der Kunst diskutiert wird, sowie über die Grenzen zwischen Kritik an Israel und Antisemitismus.“

Interview mit Meron Mendel am 22.6.22, Direktor der Bildungsstätte Anne-Frank, Frankfurt am Main; https://www.bs-anne-frank.de

03

AfD Baden-Württemberg hat rechtsextreme Doppelspitze. Im vierten Wahlgang wurden Emil Sänze und Markus Frohnmaier gemeinsam mit 319 Stimmen von 500 Mitgliedern gewählt. Sänze verteidigt die antisemitischen Thesen W. Gedeons und ist bekannt für sein zynisches Abschiebe-Programm:

„Fit for return“, mit dem Geflüchtete grundgesetzwidrig kaserniert und abgeschoben werden sollen. 2018 sprach er der Parlamentspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) aufgrund ihres Migrationshintergrundes das Recht ab, sich über die deutsche Geschichte und den Holocaust zu äußern. Nach einem Besuch von Aras im ehemaligen Konzentrationslager Natzweiler-Struthof hatte Sänze gesagt: „Es fällt schon auf und wirkt peinlich, mit welcher geschmacklosen Verve unsere Landtags-Präsidentin den deutschen NS-Schuldkomplex wieder für ihre politische Migrantengesellschaft-Agenda instrumentalisiert.“ Auch Frohnmaier wird als rechtsextremistisch eingestuft: der MdB soll Kontakte zu prorussischen Separatisten im ukrainischen Gebiet Donezk gehabt haben. Die Besetzung der Krim 2014 hielt er für gerechtfertigt.

FAZ 18.07.22, Politik S. 4

04

Staatliche Gelder für rassistische und rechtsextreme Bildungsarbeit? Das Deutsche Institut für Menschenrechte hat im Mai 2022 ein Rechtsgutachten zur staatlichen Förderung der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung verfasst und kommt zu folgendem Ergebnis:

„7. Fazit: Die Grund- und Menschenrechte und die ihnen zugrunde liegenden Werte bilden die Grundlagen für staatliche und staatlich geförderte Bildung in Deutschland; aus menschenrechtlichen Verträgen ergibt sich außerdem eine explizite staatliche Verpflichtung zur Menschenrechtsbildung durch außerschulische Bildung als Bestandteil von politischer Bildung. Hierzu gehört die Vermittlung von Wissen darüber, was die in Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz verankerten Garantien inhaltlich bedeuten und warum sie als Grundlage für eine freiheitliche rechtsstaatliche Demokratie existenziell sind.

Zur Aufgabe politischer Bildung gehört es auch, über die unterschiedlichen Erscheinungsformen von Rassismus und Rechtsextremismus aufzuklären, wodurch diese Phänomene in der Gegenwart gekennzeichnet sind. Die Adressat*innen sind also zu befähigen, rassistische und rechtsextreme Positionen als Angriff auf die gleiche Würde aller Menschen zu erkennen. Die Desiderius-Erasmus-Stiftung ist demzufolge von der staatlichen Förderung parteinaher Stiftungen auszuschließen weil die Stiftung nicht nur eng verwoben mit Akteur*innen der so genannten Neuen Rechten ist, die als rechtsextrem einzuordnen ist, sondern auch selbst rechtsextremes Gedankengut verbreitet. Sie ist damit als Träger für politische Bildung ungeeignet.“

https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/fileadmin/Redaktion/Publikationen/Amicus_curiae/Amicus_Curiae_Rechtsgutachten_DES_Mai_2022_bf.pdf