Politische Berichte Nr.6/2022 (PDF)07b
EU-Politik

EU gegen Inflation: mehr Investitionen – weniger Entlastungen von Einkommen und Transferleistungen?

Christoph Cornides, Mannheim

Die gegenwärtige Inflation ist vorwiegend eine „Angebotsinflation“. Eine Inflation also, die auf Verknappung und Verteuerung von Rohstoffen und Primärprodukten und die Störung und den Zusammenbruch von Lieferketten, also auf Verteuerung der Produktion zurückzuführen ist, und auf die die Geldpolitik der Zentralbanken nur in begrenztem Ausmaß einwirken kann. Darauf hatte die Europäische Zentralbank (EZB) bereits im Sommer 2022 hingewiesen; „Die Inflation ist zu hoch. Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat die Energiekosten und die Preise für Agrarprodukte in die Höhe getrieben. Der pandemiebedingte Mangel an Material, Ausrüstung und Arbeitskräften lässt die Preise ebenfalls steigen. Diese Inflation ist zu einem großen Teil auf Faktoren zurückzuführen, die Zentralbanken nicht kontrollieren können. Dann könnte es zu der Art von Lohn-Preis-Spirale kommen, die in der Vergangenheit dazu geführt hat, dass die Inflation außer Kontrolle geraten ist. Aus diesem Grund haben meine Kolleginnen und Kollegen und ich auf der Sitzung des EZB-Rats am Donnerstag beschlossen, die Leitzinsen für den Euroraum um 0,5 Prozentpunkte anzuheben und damit die achtjährige Phase negativer Zinssätze zu beenden.“ (Christine Lagarde, Präsidentin der EZB, 22.7.2022 im EZB-Blog)

Seitdem hat die EZB den Leitzins, also den Zinssatz, zu dem sich die Geschäftsbanken refinanzieren, 2022 bereits dreimal erhöht. Dabei befindet sich die EZB auch unter Druck der Zinserhöhungen in den USA durch die amerikanische Zentralbank (Federal Reserve, „Fed“) einerseits und der Gefahr, durch zu starke – und letztlich gegen die gegenwärtige Inflation wenig wirksame – Zinserhöhungen die wirtschaftliche Entwicklung durch Kreditverteuerung (dann durch die Geschäftsbanken) auszubremsen.

Gleichzeitig haben sowohl die EU wie ihre Mitgliedstaaten seit der Corona-Pandemie und erneut verstärkt durch die Energiekrise Hilfsprogramme zur Entlastung der privaten Haushalte und der Unternehmen aufgesetzt.

Unter dem Motto und dem Versuch der Unterscheidung „zielgerichtet/nicht zielgerichtet“ versucht nun die europäische Kommission wie zuvor schon die Konferenz der europäischen Finanzminister „regulierend“ in die staatliche Ausgaben- und Entlastungspolitik einzugreifen. „Die Europäische Kommission hat die Haushaltspläne der Euro-Länder für 2023 bewertet – und sieht noch einigen Nachbesserungsbedarf. Insbesondere ruft sie die Regierungen dazu auf, die Energiehilfen stärker auf bedürftige Haushalte und Unternehmen auszurichten. (…) EU-Währungskommissar Paolo Gentiloni sagte am Dienstag in Straßburg, die nationalen Haushaltsentwürfe böten ein ‚gemischtes Bild‘. Es sei gut, dass alle Regierungen der Euro-Zone in den grünen Umbau der Wirtschaft und die Energiesicherheit investierten. Aber die meisten Energiepakete verfehlten die Vorgabe, zielgerichtet zu sein.“ (Handelsblatt, 23.11.2022)

Eine von verschiedenen Maßnahmen nach der Devise: „Investition vor Konsum“ soll ein beschleunigtes EU-Genehmigungsverfahren für Projekte im Bereich erneuerbare Energien werden.

„Die Energieministerinnen und -minister der EU haben sich dazu auf den Inhalt einer Verordnung des Rates geeinigt, mit der ein vorübergehender Rahmen zur Beschleunigung des Genehmigungsverfahrens und der Durchführung von Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien festgelegt wird.“ (Pressmitteilung Europäischer Rat, Rat der Europäischen Union vom 24.11.2022)

Andererseits: Mehr öffentliche Investitionen in die Produktion öffentlicher Güter könnte auch ein Weg zur Entlastung für Viele sein.