Politische Berichte Nr.6/2022 (PDF)12c
... wir berichteten

Keine grüne Oberbürgermeisterin in Heidelberg

Alfred Küstler, Stuttgart. Wir hatten berichtet, dass die Grünen bei der OB-Wahl in Stuttgart nicht zum Zuge kamen (Politische Berichte, Nr. 6/2020). Jetzt unterlag auch in Heidelberg, einer Universitätsstadt, in der die grüne Partei in der Regel hohe Prozentwerte erreicht (Bundestagswahl 2021: Direktmandat für Grüne), die Kandidatin der Grünen Theresia Bauer gegen den parteilosen Amtsinhaber Eckardt Würzner im zweiten Wahlgang mit 42,4% zu 54,0%.

Die baden-württembergische Wissenschaftsminister Theresia Bauer hatte ihr Amt aufgegeben und hoffte, in einer grünen Hochburg als Oberbürgermeisterin ihre Karriere fortsetzen zu können. Als Wissenschaftsministerin hatte sie zwar häufig die Auszeichnung „beste Wissenschaftsministerin der Bundesrepublik“ erhalten. Diese Auszeichnung vergibt der Deutsche Hochschulverband, die Hochschullobby war mit der Ministerin also zufrieden. Weniger zufrieden war der baden-württembergische Landtag. In einem Untersuchungsausschuss bemängelte dieser die sehr freigiebigen Zulagen für einige Hochschulprofessoren.

Die Hoffnung von Theresia Bauer, im studentischen Milieu fischen zu können, ging nicht auf. Im ersten Wahlgang erreichte Würzner 45,6%, Theresia Bauer 28,6% und der SPD-Kandidat 13,5%. Bei den Studenten war Theresia Bauer als Wissenschaftsministerin nicht unumstritten. Sie hatte recht hohe Gebühren für ausländische Studierende eingeführt.

Wahlen zum Oberbürgermeister sind immer sehr stark personenbezogen, daher sind Verallgemeinerungen nur mit Vorbehalt zu machen. Dennoch kann man von einer Serie sprechen: 2018, Freiburg, der Amtsinhaber, OB Dieter Salomon, Grüne, verlor gegen den parteilosen Martin Horn. Der Titel „Öko-Hauptstadt“ reichte nicht gegen die Vernachlässigung des Sozialen, insbesondere beim Wohnungsbau.

2020, Konstanz, Amtsinhaber, OB Uli Burchardt, CDU, gewann die Stichwahl gegen Luigi Pantisano, von den Grünen aufgestellter Kandidat, Mitglied der Linkspartei. Burchardt hatte 2012 den ersten grünen Großstadt-OB, Horst Frank, abgelöst.

2020, Stuttgart, Amtsinhaber Fritz Kuhn, Grüne, kandidierte nicht mehr. Die Kandidatin der Grünen gibt mit 17,4% nach dem ersten Wahlgang auf. Gewählt wird Frank Nopper, CDU. Die grüne Bilanz von OB Kuhn war nicht überzeugend, es gab zu viele „Masterpläne“ und „Chefsachen“ ohne Umsetzung.

2022 Tübingen, der Amtsinhaber Boris Palmer kandidiert als Unabhängiger, weil gegen ihn ein Ausschlussverfahren bei den Grünen läuft. Er wird bereits im ersten Wahlgang mit 52,4% gewählt. Die Kandidatin der Grünen erhält nur 22%. Bei einer erfolgreichen Stadtentwicklung mit Ansiedlung von Biotech-Firmen, da waren allgemeinpolitische Aufreger und Provokationen des OB bei Twitter den Wählern vermutlich nicht so wichtig.

Bilanz: Damit stellen die Grünen in keiner einzigen Universitätsstadt Baden-Württembergs mehr den Oberbürgermeister, insgesamt stellen sie in Baden-Württemberg nur sechs Bürgermeister und drei Oberbürgermeister in 1101 Gemeinden, obwohl sie seit mehr als zehn Jahren führende Regierungspartei sind. Die grüne Landespartei will jetzt mit Coaching, Kandidatenschulungen und einem Handbuch Abhilfe schaffen. Ob das hilft? Das Problem liegt eher in der Diskrepanz von hegemonialem Anspruch (à la Gramsci) und den Anforderungen an einen Oberbürgermeister im Verwaltungshandeln, der Interessen und damit Konflikte managen muss.