Politische Berichte Nr.6/2022 (PDF)13a
Aus Kommunen und Ländern

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Statt „heißer Herbst“ kommunale Herausforderungen

Die Diskussion in den letzten Monaten über die Energiepreisbremse war in jeder Hinsicht überraschend. Wer hätte erwartet, dass die Bundesregierung 200 Milliarden Euro in die Hand nimmt? Ohne die europäische Vorreiterrolle von Frankreich, Spanien und Portugal mit einem Energiedeckel wäre das nicht möglich gewesen. Dagegen war die öffentliche Mobilisierung auf der Straße gering, aber es gab viele öffentliche Diskussionen in Gremien, Vereinen, Verbänden und im Privaten. Die Bundesregierung hat sich bewegt. Die Gasumlage fiel und statt einer Übergewinnsteuer kommt nun eine Zugewinnsteuer. Auf so einen Namen muss man schon kommen.

Jörg Detjen, Köln

Interessant sind der Zwischen- und der Abschlussbericht der ExpertInnenkommission Gas1, die praktisch das jetzige Vorgehen der Bundesregierung ausgearbeitet hatte, auf das wir hier jetzt nicht eingehen. Interessant ist aber, dass die Kommission in ihren Berichten weitergehende Vorschläge gemacht hat, die leider nicht berücksichtigt wurden:

– „Empfohlen wird ein Kündigungsmoratorium für Mietverträge, vergleichbar der gesetzlichen Regelung zur Corona Pandemie“

– „Fähigkeit zu sozial-differenzierten Direktzahlungen des Bundes“. Das wäre ein Schritt, um auch soziale Tarife auf Bundesebene einzuführen, die bisher nicht Praxis deutscher Politik sind.

Darüber hinaus fordert die Kommission ein europäisches und globales Vorgehen in allen Belangen der Energiepolitik. Hier stellt sich erneut die Frage, warum die Linke-Bundestagsfraktion nicht die Umsetzung der EU-Leitlinien gegen Energiearmut einfordert.

Es gibt aber weitere zahlreiche Baustellen, die noch offen sind. Darf die Regierung Kapitalisten fördern? Verstößt das gegen das europäische Beihilferecht? Wie soll ein bundesweiter Härtefallfonds für die Kultur gestaltet werden und wie sollen die sozialen Träger und Einrichtungen unterstützt und finanziell entlastet werden?

Für die Kommunen und die Stadtwerke gibt es zahlreiche Herausforderungen, die gemeistert werden müssen. Wir wollen das an konkreten Beispielen aus der Praxis darstellen:

Kommunale Härtefallfonds und Härtefallfonds von Stadtwerken

Einige Stadtwerke (München, Köln2 u.a.) haben bereits nach der Sommerpause erklärt, Härtefallfonds zu bilden, um Kunden zu unterstützen, die die Rechnung des Unternehmens nicht bezahlen können. Z.B. können in Köln bis zu 500 Euro Schulden ausgebucht werden. Voraussetzung ist, dass die soziale Notlage nachgewiesen wird.

Es gibt aber kleine Stadtwerke, die gar nicht die finanziellen Möglichkeiten haben Fonds zu errichten, sondern finanzielle Zuschüsse brauchen, weil sie keine Rücklagen haben und jetzt bei dem teuren Energieeinkauf in Liquiditätsprobleme kommen.

Es gibt Kommunen, die haben gar keine Stadtwerke, sondern der Grundversorger ist ein privates Unternehmen. Diese Unternehmen machen sich in der Regel einen schlanken Fuß.

Es gibt aber auch Härtefallfonds der Kommunen: für die Sportvereine, für die Kultur und anderes. Die Stadt Köln hat z.B. nach heftigen Diskussionen einen Etat von fünf Millionen Euro bereitgestellt. Wobei allen Akteuren klar ist, das wird nicht reichen. Mal sehen.

Stromsperren

Das wollten die Grünen mal verbieten. Davon hört man nichts mehr. Solchen Sperren kann man über die Härtefallfonds begegnen, aber generell nicht ausschließen. Interessant ist, dass in der Coronazeit viele Energieunternehmen die Sperren nicht angewandt haben. Das ist diesmal nicht der Fall. Hier ist eine hohe Aufmerksamkeit wichtig, damit Menschen nicht im Dunkeln bleiben. Die laufenden Stromsperren müssen öffentlich bekannt gemacht werden, um ihnen wirksam zu begegnen.

Runde Tische

Die Kommunen sollten Runde Tische gegen Energiearmut und Stromsperren schaffen. Zusammen mit Wohlfahrtsverbänden, Mieterverein, Schuldnerberatung, Verbraucherzentrale, Seniorenvertretungen und Arbeitslosenzentren, Stadt und JobCenter. Hier muss ein Netzwerk geschaffen werden, um schnell zu reagieren und den Menschen konkret zu helfen.

Ombudsstelle gegen Energiearmut

Das ist ein Wiener Modell, mit dem die Wiener Stadtwerke den Menschen zahlreiche Angebot machen, wie Stromsperren verhindert werden können. Dieses Modell hat sich über viele Jahre bewährt. Dieses österreichische Modell ist eine Umsetzung der EU-Leitlinie gegen Energiearmut, die die Bundesregierung seit vielen Jahren immer wieder aussitzt.

Energieeinsparprojekte

Das bundesweit bekannteste Projekt ist der Stromspar-Check des Caritasverbandes.3 Diese örtlichen Akteure gibt es schon weit über zehn Jahren. In Köln werden z.B. jedes Jahr 5 000 Personen beraten, vor allem Menschen mit wenig Einkommen. Diese Projekte müssen gerade jetzt ausgebaut werden. Energieeinsparen will gelernt sein. Gerade hier sollte Die Linke viel intensiver einsteigen.

Verbraucherberatung und Schuldnerberatung

Hier sollten die Kommunen jetzt zusätzliche Mittel in die Hand nehmen, um die Projekte auszubauen. Hohe Strompreise wird es auf Dauer geben. Darauf sind die Menschen vorerst nicht eingestellt. Die Verbraucherzentralen werden vom Land gefördert. In der Regel gibt es eine 50:50 Finanzierung mit den Kommunen. Schon jetzt merken die Träger der Einrichtungen, dass sehr viel Menschen ihre Angebote einfordern.

Elektro-Geräte für Haushalte mit wenig Einkommen

Über die Kommunen und JobCenter haben Menschen nach dem SGB II und dem Asylbewerberleistungsgesetz die Möglichkeit, z.B. für die Erstausstattung der Wohnung Geräte zu erhalten. Es lohnt sich, die jeweiligen Richtlinien anzusehen, ob auch Elektrogeräte mit hohen Umweltstandards vorgesehen sind. Umweltgerechtigkeit sollte das kommunale Handeln begleiten!

Heizkostenabrechnung bei Geringverdienern

Auch wer wenig verdient, aber kein Hartz IV bezieht, kann mit der jährlichen Heizkostenabrechnung einmalig einen Zuschlag beantragen. Anspruchsberechtig sind Menschen, die bis ca. 1700 Euro netto im Monat verdienen. Unmittelbar nach Erhalt der Jahresabrechnung müssen diese Mittel innerhalb von vier Wochen beantragt werden. Das ist kaum bekannt. Der bürokratische Aufwand ist hoch. Trotzdem ist wichtig die Menschen über ihre Rechte zu informieren!4

Erhöhung und Ausweitung des Wohngeldes

Sehr früh hat die Bundesregierung die Ausweitung des Wohngeldes angekündigt, von ca. 600 000 auf 2 Millionen Bezieherinnen und Beziehern. Es gibt erste Berechnungen, die von einer durchschnittlichen Erhöhung von 180 Euro auf 340 Euro ausgehen. Grundsätzlich ist das zu begrüßen. Das Problem ist die Umsetzung. Die bisherigen Wohngeldformulare sind komplex und die kommunalen Fachkräfte rar. Inzwischen sind die Landesregierungen aufgewacht, und kündigen an, dass das Wohngeld erst Monate später ausgezahlt werden kann. Das ist nicht zu akzeptieren, weil die Menschen das Recht haben, dass die Leistungen sofort ausgezahlt werden müssen. Hier sollte darauf hingewirkt werden, dass die Kommunen kurzfristig Abschlagszahlungen gewähren. Das ist möglich.

1 https://www.bmwk.de/Redaktion/DE/Publikationen/Energie/abschlussbericht.html 2 https://www.rheinenergie.com/de/hilfecenter/rechnung_und_zahlung_1/haertefallfonds/haertefallfonds.html?modalId=emergencyNotification 3 https://www.stromspar-check.de 4 https://www.tacheles-sozialhilfe.de/aktuelles/archiv/zum-uebernahmeanspruch-auf.html

Abb. (PDF): Logo „Solidarisch in der Energiekrise

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