Politische Berichte Nr.6/2022 (PDF)19b
Gewerkschaften/Soziale Bewegung

Digitale Logistik

Bruno Rocker, Berlin

Nach einer jüngst veröffentlichten Studie der Hans-Böckler-Stiftung ist die Logistik-Branche inzwischen zum drittgrößten privaten Wirtschaftssektor herangewachsen. Allein in der Güterbeförderung im Straßenverkehr arbeiten 480 000 Menschen, weitere 520 000 bei Post-, Kurier- und Expressdiensten. Untersuchungsgegenstand der Studie ist der weit fortgeschrittene Einsatz digitaler Technik zur Steuerung und Standardisierung der Arbeitsabläufe, der den Unternehmen den Einsatz ungelernter Arbeitskräfte ermöglicht.

„Zum Einsatz kommen u.a. Sensoren für die Verfolgung von Warenströmen und die Überwachung der Warenqualität. Telematik Systeme erlauben die Fahrzeugortung per GPS, Kommunikation zwischen Fahrenden und Zentrale, Routenplanung, Navigation und technisches Fahrzeugmanagement. Digitale Fahrtenschreiber dokumentieren die Lenk- und Ruhezeiten, gefahrene Kilometer und Geschwindigkeit.“1

Über die Auswirkungen für die Beschäftigten berichten die Autoren: Entscheidungs- und Handlungsspielräume werden immer kleiner, Eingriffe in die Arbeitsplanung sind nicht vorgesehen, keine Möglichkeit, die Reihenfolge der Lieferungen und Pausen eigenständig zu variieren, Kompetenzen der Beschäftigten erodieren, z. B. Streckenkenntnisse werden überflüssig.

Den Speditionen fehlen laut der Studie aktuell 45 000 Fahrerinnen und Fahrer, den Kurier-, Express und Paketdiensten wird ein Bedarf von bis zu 60 000 Arbeitskräften in den nächsten Jahren prognostiziert. Die Steuerungs- und Assistenzsysteme lassen sich auf die jeweilige Muttersprache umstellen und ermöglichen es somit, Migrantinnen und Migranten ohne Qualifikation und Deutschkenntnisse einsatzbereit zu machen. In der Regel sagen Befragte in der Studie, dass außer dem Führerschein keinerlei Qualifikation nötig ist.

Die Autoren machen wesentlich fehlende Interessenvertretung durch Betriebsräte und dadurch nicht ausgeübte Mitbestimmung für die Situation verantwortlich. Die DHL ist die große Ausnahme mit 70 Prozent Organisationsgrad und Mitbestimmung. Ansonsten sind nur zehn Prozent der Betriebe ab fünf Beschäftigte mitbestimmt. Viele Wettbewerber setzen auf Soloselbstständige und Subunternehmen. Gewerkschafter u.a. der NGG mühen sich um den Aufbau von Mitbestimmungsstrukturen. Hohe Fluktuation und Sprachbarrieren erschweren die Ansprache.

Quelle: (1) Klaus Schmierl, Pauline Schneider, Olaf Struck, Franziska Ganesch: Digitale Logistik, Study der HBS Nr. 477, Oktober 2022