Politische Berichte Nr.6/2022 (PDF)28
Ankündigungen, Diskussion, Dokumentation

Globale Debatten – UN-Initiativen – Thema: Frieden – Sicherheit – Abrüstung Zusammenstellung Ulli Jäckel, Hamburg

Vierte außerordentlichen Sitzung der Generalversammlung zum Thema Abrüstung in Vorbereitung

01 Anmerkungen zu Resolutionen, die der Generalversammlung vom 1. Ausschuss vorgeschlagen wurden.
02 „Einberufung der vierten Sondertagung der Generalversammlung zum Thema Abrüstung“
03 „Folgemaßnahmen zum hochrangigen Treffen der Generalversammlung zur nuklearen Abrüstung im Jahr 2013“
04 „Maßnahmen zur Stärkung der Autorität des Genfer Protokolls von 1925“
05 Internationaler Tag für Sensibilisierung für Abrüstung und Nichtverbreitung
06 Vertrag über das Verbot von Nuklearwaffen
07„Folgemaßnahmen zum Gutachten des Internationalen Gerichtshofs über die Rechtmäßigkeit der Androhung oder des Einsatzes von Kernwaffen“
08 DOK: Der Erste Ausschuss empfiehlt der Generalversammlung, die folgenden Resolutionsentwürfe anzunehmen:

In diesem Jahr haben nicht nur 5 Notstandssondertagungen der Vereinten Nationen den Angriff der Russischen Föderation und die Annexion ukrainischen Staatsgebietes verurteilt, es kam auch zu einer Fülle von weiteren Initiativen in Sachen Abrüstung und Friedenssicherung.

Seit dem 13. September tagt die 77. UN-Generalversammlung. Ende November legte der Erste Ausschuss der UNO-Vollversammlung, zuständig für Abrüstung und Internationale Sicherheit, einen umfangreichen Bericht zum Tagesordnungspunkt 99, „Allgemeine und umfassende Abrüstung“ vor. Insgesamt ist überraschend, wie eindeutig und detailliert die globale Diskussion vor dem Forum der UNO von dem Wunsch nach Abrüstung getragen wird.

Der Bericht ist im englischen Original 187 Seiten lang.* Wir dokumentieren unten die Titel der insgesamt 38 Resolutionsentwürfe und fünf Beschlussanträge zur Beratung und Abstimmung, über die zuvor im Ausschuss beraten und zum Teil kontrovers abgestimmt worden war.

Von übergreifender Bedeutung ist wohl die Resolution III, die an die im September 2023 beginnende, 78. Tagung gerichtet ist. Anliegen: Einberufung der vierten außerordentlichen Sitzung der Generalversammlung zum Thema Abrüstung.

Eine Gesamtwürdigung der Resolutionsentwürfe und Beschlussanträge, die bereits jetzt zu Debatte stehen, ist an dieser Stelle selbstverständlich nicht möglich, wir greifen auf der folgenden Seite beispielhafte Punkte heraus.

Der Komplex wird auch bei der Winterschule der ArGe Thema sein, siehe Einladung auf Seite 25 dieser Ausgabe.

01

Anmerkungen zu Resolutionen, die der Generalversammlung vom 1. Ausschuss vorgeschlagen wurden.

Resolutionsentwurf III fordert, in die vorläufige Tagesordnung der achtundsiebzigsten Tagung, Beginn Sept. 2023 unter dem Punkt „Allgemeine und vollständige Abrüstung“ folgenden Unterpunkt aufzunehmen

02

„Einberufung der vierten Sondertagung der Generalversammlung zum Thema Abrüstung“

Die ersten drei Sondertagungen der Vollversammlung zum Thema Abrüstung haben 1978, 1982 und 1988 stattgefunden. Die Resolution verweist auf die Ergebnisse der UN-Sondertagung von 1982 zur Abrüstung und die Ergebnisse einer von der Generalversammlung eingesetzten Arbeitsgruppe, die 2016 und 2017 getagt hat und Konsens über Ziele und Agenda einer Sondertagung erzielt hat. Die Resolution äußert die Überzeugung, dass eine Sondertagung der Generalversammlung, die der Abrüstung gewidmet ist, die Weichen für künftige Maßnahmen in den Bereichen Abrüstung, Rüstungskontrolle, Nichtverbreitung und damit zusammenhängende Fragen der internationalen Sicherheit stellen kann.

Resolutionsentwurf IV fordert, in die Tagesordnung der 78. UN-Vollversammlung (Beginn Sept. 2023) den Punkt aufzunehmen.

03

„Folgemaßnahmen zum hochrangigen Treffen der Generalversammlung zur nuklearen Abrüstung im Jahr 2013“

Dabei bezieht sich die Resolution unter anderem auf die Annahme des Vertrags über das Verbot von Kernwaffen durch Abstimmung am 7. Juli 2017 auf der Konferenz der Vereinten Nationen zur Aushandlung eines rechtsverbindlichen Instruments zum Verbot von Kernwaffen mit dem Ziel ihrer vollständigen Abschaffung, und dessen Inkrafttreten am 22. Januar 2021. (12. Paragraf der Präambel), und äußert „Besorgnis darüber, dass Verbesserungen an bestehenden Kernwaffen und die Entwicklung neuer Kernwaffentypen, wie sie in den Militärdoktrinen einiger Kernwaffenstaaten vorgesehen sind, gegen ihre rechtlichen Verpflichtungen zur nuklearen Abrüstung sowie die eingegangenen Verpflichtungen zur Verringerung der Rolle von Kernwaffen in ihrer Militär- und Sicherheitspolitik verstoßen sowie gegen die negativen Sicherheitsgarantien der Kernwaffenstaaten“. (14. Paragraf der Präambel).

Nachdem die Bundesrepublik bei dem Versuch, diese Paragrafen zu streichen, in der Minderheit blieb, stimmte sie gegen die Annahme des Resolutionsentwurfs, der dennoch vom Ausschuss mit Mehrheit beschlossen wurde (138 dafür, 34 dagegen, 9 Enthaltungen)

Die Resolution fordert die dringende Aufnahme von Verhandlungen im Rahmen der Abrüstungskonferenz über Maßnahmen zur nuklearen Abrüstung, um die vollständige Abschaffung von Kernwaffen, insbesondere auch über ein umfassendes Abkommen über Kernwaffen zu erreichen. Sie schlägt vor, den 26. September noch mehr als bisher als Internationalen Tag für die totale Abschaffung der Atomwaffen zu nutzen, und ihm auf allen Ebenen größere Bedeutung zu verleihen, z.B. durch jährliche Abhaltung einer hochrangigen Plenarversammlung der UN zum Thema der Abschaffung der Atomwaffen an diesem Tag.

Resolutionsentwurf VII

04

„Maßnahmen zur Stärkung der Autorität des Genfer Protokolls von 1925“

Die Resolution, die einstimmig – bei Enthaltung der USA und Israels – angenommen wurde, betont, „dass die internationale Gemeinschaft seit langem entschlossen ist, ein wirksames Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer und biologischer Waffen zu erreichen, und dass sie weiterhin Maßnahmen zur Stärkung der Autorität des am 17. Juni 1925 in Genf unterzeichneten Protokolls betreffend das Verbot der Verwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen und von bakteriologischen Mitteln im Krieg unterstützt“, und „fordert alle Staaten erneut auf, sich strikt an die Grundsätze und Ziele des Protokolls über das Verbot der Verwendung von erstickenden, giftigen oder ähnlichen Gasen und bakteriologischen Mitteln im Krieg zu halten, und bekräftigt, dass es von entscheidender Bedeutung ist, den Bestimmungen dieses Instruments Wirkung zu verleihen; … Verpflichtet die Staaten, die ihre Vorbehalte zum Genfer Protokoll von 1925 aufrechterhalten, diese zurückzuziehen.“

Resolutionsentwurf VIII

05

Internationaler Tag für Sensibilisierung für Abrüstung und Nichtverbreitung

Die Organisationen der UN und die Mitgliedsstaaten sollen den 5. März zur Erhöhung des Bewusstseins für die Notwendigkeit der Abrüstung und Nichtverbreitung von Atomwaffen begehen.

Resolutionsentwurf XI

06

Vertrag über das Verbot von Nuklearwaffen

Die Resolution erinnert an die Verabschiedung des Vertrags am 7. Juli 2017, sein Inkrafttreten am 22. Januar 2021, sowie daran, dass ihn bereits 91 Staaten unterzeichnet haben und 68 Staaten ihn ratifiziert haben. Sie begrüßt die Zusammenkunft der Vertragsstaaten im Juni in Wien und die dort gefassten Beschlüsse. Sie ruft alle Staaten, die dies noch nicht getan haben auf, diesem Vertrag beizutreten und ihn zu unterstützen.

Der Resolutionsentwurf wurde im Ausschuss mit 124 zu 43 Stimmen bei 14 Enthaltungen angenommen, die BRD stimmte dagegen.

(Zu Deutschlands Rolle beim Atomwaffen-Verbotsvertrag siehe https://frieden-sichern.dgvn.de/meldung/ein-weiterer-meilenstein-auf-dem-weg-in-eineatomwaffenfreie-welt, https://dgvn.de/meldung/die-vereinten-nationen-und-die-nukleare-abruestung, https://www.boell.de/de/2020/11/12/ein-meilenstein-fuer-die-nukleare-abruestung )

Resolutionsentwurf XIV

07

„Folgemaßnahmen zum Gutachten des Internationalen Gerichtshofs über die Rechtmäßigkeit der Androhung oder des Einsatzes von Kernwaffen“

Die Resolution bezieht sich auf ein vom Internationalen Gerichtshof 1996 auf Verlangen der Vollversammlung angefertigtes Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofs und bekräftigt die daraus hervorgehende Verpflichtung, „die Verhandlungen über die nukleare Abrüstung in gutem Glauben fortzusetzen und zum Abschluss zu bringen, die zu einer nuklearen Abrüstung in allen ihren Aspekten unter strenger und wirksamer internationaler Kontrolle führen“. Die Bundesrepublik Deutschland stimmte gegen die Resolution, nachdem die Streichung zweier Absätze, die sich positiv auf den Vertrag zum Verbot der Atomwaffen bezogen, im Ausschuss keine Mehrheit fand. Entsprechend verhielt sich die deutsche Vertretung bei der Abstimmung des von afrikanischen und asiatischen Ländern eingereichten Resolutionsentwurfs XXII „Nukleare Abrüstung“.

Auch der Resolutionsentwurf XXIV, „Ethische Imperative für eine atomwaffenfreie Welt“, vorgelegt von zahlreichen nicht-paktgebundenen Staaten, fand wegen eines positiven Bezugs auf den Atomwaffen-Verbotsvertrags nicht die deutsche Zustimmung.

Resolutionsentwurf XXV

„Vertrag über das Verbot der Herstellung von spaltbarem Material für die Herstellung von Kernwaffen und anderen Sprengkörpern“

Diese von Kanada, Deutschland und den Niederlanden eingereichte Resolution fordert die Abrüstungskonferenz auf, über einen Vertrag zum Verbot der Herstellung von spaltbarem Material zu verhandeln. Die Kernwaffenstaaten werden aufgefordert „ein freiwilliges Moratorium für die Produktion von spaltbarem Material für Kernwaffen und andere Kernsprengkörper zu erklären und umzusetzen, sofern sie dies nicht bereits getan haben.“ Gegen diesen Entwurf stimmten China, Iran und Pakistan, es enthielten sich unter anderem die russische Föderation und Israel.

08

DOK: Der Erste Ausschuss empfiehlt der Generalversammlung, die folgenden Resolutionsentwürfe anzunehmen:

I) Einhaltung von Umweltstandards bei der Ausarbeitung und Umsetzung von Abrüstungs- und Rüstungskontrollabkommen

II) Beziehung zwischen Abrüstung und Entwicklung

III) Einberufung der vierten außerordentlichen Sitzung der Generalversammlung zum Thema Abrüstung

IV) Folgemaßnahmen zum hochrangigen Treffen der Generalversammlung zur nuklearen Abrüstung 2013

V) Förderung des Multilateralismus im Bereich der Abrüstung und der Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen

VI) Auswirkungen des Einsatzes von Waffen und Munition, die abgereichertes Uran enthalten

VII) Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Autorität des Genfer Protokolls von 1925

VIII) Internationaler Tag des Bewusstseins für Abrüstung und Nichtverbreitung (5. März)

IX) Studie der Vereinten Nationen über Bildung im Bereich Abrüstung und Nichtverbreitung

X) Humanitäre Folgen von Atomwaffen

XI) Vertrag über das Verbot von Atomwaffen

XII) Frauen, Abrüstung, Nichtverbreitung und Rüstungskontrolle

XIII) Internationale Sicherheit und der Status der Mongolei als kernwaffenfreier Staat

XIV) Weiteres Verfahren nach dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs des Gerichtshofs über die Rechtmäßigkeit der Androhung oder des Einsatzes von Atomwaffen

XV) Haager Verhaltenskodex gegen die Verbreitung ballistischer Raketen

XVI) Regionale Abrüstung (Tagung „Allgemeine und vollständige Abrüstung“, Unterpunkt subsidiäre Frage mit dem Titel „Regionale Abrüstung“)

XVII) Verabschiedung vertrauensbildender Maßnahmen auf regionaler und subregionaler Ebene

XVIII) Konventionelle Waffenkontrolle auf regionaler und subregionaler Ebene

XIX) Vertrag über den Waffenhandel

XX) Umsetzung des Übereinkommens über das Verbot des Einsatzes, der Lagerung, der Herstellung und der Weitergabe von Antipersonenminen und über deren Vernichtung

XXI) Kampf gegen die Bedrohung durch IEDs („improvisierte Sprengkörper“)

XXII) Nukleare Abrüstung

XXIII) Elfte Konferenz der Vertragsparteien zur Überprüfung des Vertrags über die Nichtverbreitung von Kernwaffen und Vorbereitungsausschuss

XXIV) Ethische Imperative für eine atomwaffenfreie Welt

XXV) Vertrag über das Verbot der Herstellung von spaltbarem Material für die Herstellung von Kernwaffen und anderen Sprengkörpern

XXVI) Transparenz im Bereich der Rüstung

XXVII) Vertrag über die Schaffung einer kernwaffenfreien Zone in Zentralasien

XXVIII) Der illegale Handel mit Kleinwaffen und leichten Waffen unter allen Aspekten

XXIX) Informationen über vertrauensbildende Maßnahmen im Bereich der konventionellen Waffen

XXX) Umsetzung des Übereinkommens über das Verbot der Entwicklung, Herstellung, Lagerung und des Einsatzes chemischer Waffen und über die Vernichtung solcher Waffen

XXXI) Verringerung der nuklearen Gefahr

XXXII) Maßnahmen, um Terroristen am Erwerb von Massenvernichtungswaffen zu hindern

XXXIII) Maßnahmen zur Erstellung eines gemeinsamen Aktionsplans für eine atomwaffenfreie Welt

XXXIV) Verhinderung des Erwerbs von radioaktiven Quellen durch Terroristen

XXXV) Stärkung und Ausbau des Vertragssystems und Abkommen über Rüstungskontrolle, Abrüstung und Nichtverbreitung von Massenvernichtungswaffen

XXXVI) Umsetzung des Übereinkommens über Streumunition

XXXVI) Transparenz- und vertrauensbildende Maßnahmen in Bezug auf Raumfahrtaktivitäten

XXXVIII) Unterstützung von Staaten bei der Unterbindung des unerlaubten Handels und der Einsammlung von Kleinwaffen und leichten Waffen

Der Erste Ausschuss empfiehlt der Generalversammlung, die folgenden Beschlussentwürfe anzunehmen:

I) Überprüfung der nuklearen Abrüstung

II) Raketen

III) Probleme, die sich aus der Anhäufung von Beständen überschüssiger konventioneller Munition ergeben

IV) Auf dem Weg zu einer atomwaffenfreien Welt: Beschleunigung der Umsetzung der Verpflichtungen zur nuklearen Abrüstung

V) Atomwaffenfreie südliche Hemisphäre und angrenzende Gebiete

* Elektronisches Dokumentenarchiv der Vereinten Nationen: documents.un.org/prod/ods.nsf/home.xsp mit der Kennung „A/77/385“. Original: Englisch – eine maschinelle Übersetzung (DeepL) unter https://www.linkekritik.de/fileadmin/quellen/22-11-un-abruestung-N2269015_de.pdf. Sie erleichtert den ersten Überblick, bei Weiterverwendung ist ein Abgleich mit der Fassung in der UN-Amtssprache sinnvoll.

Abb. (PDF): Logo der UNO