Politische Berichte Nr.1/2023 (PDF)08
EU-Politik

Ein neuer EU-Pakt zu Migration und Asyl – wird die Lage der Geflüchteten verbessert?

Christoph Cornides, Mannheim

Der 9. und 10. Februar 2023 ist bzw. war der Termin einer außerordentlichen Tagung des Europäischen Rats mit dem zentralen Thema der Migration nach Europa und in die Länder der EU. (Der Europäische Rat ist das Gremium der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union. Er tagt mindestens einmal pro Halbjahr und wird auch als „EU-Gipfel“ bezeichnet.)

Zudem stellt im ersten Halbjahr 2023 Schweden die Ratspräsidentschaft. Ylva Johansson, die für Migration zuständige schwedische EU-Kommissarin, stellte im Januar einen Plan vor, der beschreiben sollte, wie die EU-Staaten mehr Migrantinnen und Migranten ohne Bleiberecht in die Herkunftsländer zurückschicken können. Einerseits hält die EU sich zu Gute, dass seit Beginn des russischen Aggressionskrieges gegen die Ukraine 4,8 Millionen Geflüchtete aus der Ukraine in den Ländern der EU und in der Republik Moldau vorübergehend Aufnahme und Schutz gefunden haben (UNHCR, 6. Dezember 2022). Auf der anderen Seite beklagt die EU-Kommission gegenüber Geflohenen aus den Ländern jenseits der süd- und südöstlichen Außengrenzen der EU die „viel zu niedrige“ Abschiebequote. „Im Jahr 2019 sind nach Angaben der Europäischen Kommission 29 Prozent jener Menschen ausgereist, die die EU-Staaten hätten verlassen müssen. 2021 lag die Quote nur noch bei 21 Prozent. Dabei hatte die Brüsseler Behörde noch 2018 ein Ziel von rund 70 Prozent ausgerufen.“ (SZ, 26.1.2023). Also handelt die Februartagung des Europäischen Rates vor allem von Abschiebung, vom Nichtfunktionieren des Schengen-Abkommens, nach dem die Länder der Erstaufnahme für die Registrierung und das Asylverfahren zuständig sein sollen, oft aber die Geflüchteten in das nächste EU-Land weiterreisen lassen und von der Verhinderung von Einwanderung durch Zäune. Am 1.2.2023 berichtet der „Tagesspiegel“ über ein Papier der Europäischen Volkspartei (EVP), das der Redaktion vorlag: „Dieses heikle Thema (Zäune, d. Verf.) wurde in diesen Tagen bereits von EVP-Chef Manfred Weber angesprochen. ‚Zäune sind immer das letzte Mittel, aber wir brauchen sie überall dort, wo Schlepperbanden erfolgreich versuchen, europäisches Recht zu umgehen‘, sagte der deutsche CSU-Politiker. ‚Wenn es technisch nicht anders möglich ist, illegale Migration zu verhindern, dann müssen Zäune denkbar sein.‘ Als Beispiele nannte Weber die EU-Ostgrenze, die Mittelmeerregion und die Grenze Bulgariens und Griechenlands zur Türkei.“

Seit 2016 hat die EU-Kommission in mehreren, dann wieder zum Stillstand gekommenen Anläufen versucht, in einem neuen „EU-Pakt zu Migration und Asyl“ das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) zu reformieren. Bisher aber mit wenig Erfolg. Die Zahl der ungelösten Probleme nimmt zu und nicht ab, angefangen von fehlenden Mitteln bei der UN-Flüchtlingsorganisation UNHCR für die erste Unterbringung und Versorgung der Geflüchteten, über die Möglichkeiten, das Recht auf Asyl an den Außengrenzen der EU wahrzunehmen, bis zu gefahrlosen Einreisemöglichkeiten, der Familienzusammenführung und der Verteilung zwischen den Ländern der EU. Die Sichtweise auf die Situation und die Lösungs- und Reformmöglichkeiten ist im Wesentlichen bestimmt vom Gedanken der Abschottung und Rückführung. Im „Migrations- und Asylbericht 2022“ vom Oktober 2022 der Kommission werden als wesentliche Punkte der Bestandsaufnahme hervorgehoben: (https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_22)

Entsprechend dieser Problemanalyse und der Fokussierung auf Kontrolle, Abwehr, Rückführung sind auch die Vorschläge für weitere Verbesserungen einseitig und begrenzt und bestehen im Wesentlichen in der Effizienzsteigerung bestehender Mechanismen. Solidarität unter allen EU-Ländern wird zwar mit Recht gefordert, aber von einer Entlastung der Länder der Erstaufnahme ist wenig zu lesen.

„Als wichtigste nächste Schritte fordert die Kommission die Mitgliedstaaten auf, den freiwilligen Solidaritätsmechanismus anzuwenden. Zudem ersucht sie das Parlament und den Rat,

Der Evaluierungsbericht des Europäischen Parlamentarischen Forschungsdienstes kommt zu folgender Zwischenbilanz: „Der Pakt baut auf den früheren Reformvorschlägen auf und ändert sie ab. Im Einklang mit einem schrittweisen Ansatz, den die französische Ratspräsidentschaft im Juni 2022 vorgeschlagen hatte, erzielten die Mitgliedstaaten eine Einigung über mehrere Reformaspekte im Zusammenhang mit der Überprüfung und Registrierung von Migranten, die an den EU-Außengrenzen ankommen. Die Diskussionen über die Ausarbeitung und Umsetzung eines Solidaritätsmechanismus und von Asylverfahren, die sowohl normalen als auch außergewöhnlichen Migrationsumständen Rechnung tragen, sind noch nicht abgeschlossen.“

DIE LINKE/THE LEFT im EU-Parlament hat dazu eine Broschüre mit Alternativvorschlägen vorgelegt, die in Deutsch und Englisch abgerufen werden kann unter https://left.eu/issues/publications/the-migration-and-asylum-pact-challenging-the-european-commissions-narrative-from-a-left-perspective/