Politische Berichte Nr.2/2023 (PDF)10
Aktionen-Initiativen

Aktionen/Initiativen: Migrationspolitik Redaktion: Thorsten Jannoff

01 Erfolgreiche migrationspolitische Konferenz der Linken mit rund 80 Beteiligten
02 Städtetag: Dauerhaftes Konzept statt immer neuem Verhandlungs-Ping-Pong
03 PRO ASYL warnt vor den neuen EU-Plänen zur Auslagerung des Flüchtlingsschutzes
04 Grundrechtekomitee.de: Es gibt nur eine Menschenwürde – Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen!

01

Erfolgreiche migrationspolitische Konferenz der Linken mit rund 80 Beteiligten

Christoph Cornides, Mannheim

Am 18.2.2023 veranstaltete die Linke zusammen mit Vertreterinnen und Vertretern von Migrantenorganisationen und Aktivistinnen und Aktivisten der Migrations- und Geflüchtetenarbeit eine Konferenz in Mannheim unter dem Titel: „Wege zu einer solidarischen Einwanderungsgesellschaft – Anforderungen an linke Migrationspolitik in Zeiten von Kriegen und Krisen.“

Organisatorinnen der Konferenz waren Gökay Akbulut, MdB, Migrationspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion der Linken und Li.Par.Tie., die linke Fraktion im Gemeinderat Mannheim, deren Fraktionsvorsitzende Dennis Ulas die Konferenz eröffnete und die Teilnehmenden begrüßte. (Die Fraktionsgemeinschaft Li.Par.Tie. besteht aus drei Gemeinderät*innen der Linken, und je eine/r von „die Partei“ und Tierschutzpartei).

Eröffnungsbeiträge zur Konferenz hielten Janine Wissler, Co-Vorsitzende Die Linke, die vor allem die Bedeutung des Kampfes gegen Rechts und gegen individuellen und strukturellen Rassismus in der Gesellschaft betonte, und Gökay Akblut. Akbulut gab in ihrem Beitrag einen ersten Überblick zu aktuellen Gesetzesinitiativen und Positionen der Linken, die dann im Workshop 1 vertieft wurden: Fachkräfteeinwanderung, Einbürgerung und Partizipationsgesetz. In einem Online-Beitrag sprach Özlem Demirel, MdEP, Außen- und Sozialpolitische Sprecherin Die Linke im Europaparlament, zum EU-Grenzregime.

Themenschwerpunkte der dann folgenden Workshops waren: Initiativen und Schwerpunkte der Migrationspolitik der Linken auf Bundesebene; Flucht, Asyl und das Grenzregime der EU und Migrationspolitik auf Landesebene und in den Kommunen und Landkreisen. Dazu hielten Input-Beiträge u.a. Mitglieder und Vertreter*innen von: Flüchtlingsrat Baden-Württemberg, Seebrücke Mannheim, Bundeszuwanderungs- und Integrationsrat, Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein, Landes-AG Migration/Antirassismus in und bei der Linken Baden-Württemberg, Kurdisches Gemeinschaftszentrum Mannheim/Ludwigshafen, Gemeinderätinnen und Gemeinderäte aus Mannheim und Köln und weiteren Städten und Landkreisen, Prof. Thomas Gross, Osnabrück, zu den Initiativen und Vorschlägen der Migrationspolitischen Sprecherin und der Linken zu einem neuen Partizipations- und Teilhabegesetz. Auch in Baden-Württemberg und in Mannheim in der Sache aktive Bürger*innen nahmen teil, so u.a. die Vorsitzende des Mannheimer Migrationsbeirats Zahra Alibabanezhad Salem und der Leiter des Quartiersbüros Schwetzingerstadt, Daniel Bockmeyer.

Die Ergebnisse der Workshops wurden in einer Abschlusspräsentation vorgestellt. Vor und nach der Konferenz sowie in den Pausen gab es viele Gelegenheiten auch zum persönlichen Informationsaustausch und zur Vernetzung.

(Alle Beiträge zur Konferenz finden sich auf der Homepage von Gökay Akbulut https://goekay-akbulut.de/ -> Aktuelles ->Themen)

Abb. (PDF): Migrationspolitische Konferenz am 18.2.2023 im Stadthaus in Mannheim. – Konferenzplenum im Ratssaal der Stadt Mannheim.

Neben Anregungen und praktischen Vorschlägen für ihre politische Arbeit konnten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von dieser Konferenz auch mitnehmen: Die Linke sucht in ihrer Mehrheit gemeinsam mit anderen nach Lösungen und Wegen einer linken und demokratischen Migrationspolitik, und diejenigen, die es tun, tun dies mit deutlicher internationalistischer und antinationalistischer, antirassistischer Orientierung.

02

Städtetag: Dauerhaftes Konzept statt immer neuem Verhandlungs-Ping-Pong

23.3.2023. Die Städte appellieren an Bund und Länder, die Entlastung der Kommunen bei der Unterbringung von Geflüchteten nicht weiter auf die lange Bank zu schieben. Die Städte stehen zu ihrer humanitären Verantwortung und sorgen mit der Integration von Geflüchteten nach Kräften weiter für den sozialen und gesellschaftlichen Zusammenhalt. Ohne Unterstützung kommen viele Kommunen aber zunehmend an ihre Grenzen. Städtetagspräsident Lewe: „Bei neuen Fluchtbewegungen darf nicht jedes Mal wieder ein langwieriges Verhandlungs-Ping-Pong zwischen Bund und Ländern beginnen. Wir brauchen endlich ein umfassendes und dauerhaft gültiges Konzept für die Unterbringung, aber auch für die Integration von Geflüchteten. Kurzfristig eine Unterkunft für immer mehr Schutzsuchende zu finden, ist schon eine große Herausforderung. Es geht aber um viel mehr. Es geht um Kita- und Schulplätze, Wohnraum, Personal in den Ausländerbehörden, Personal für Integrationsaufgaben. Diese Integrationskosten sind bei den Geldern, die von Bund und Ländern bei den Städten ankommen, bisher mit keinem Cent eingepreist.“

Beim Treffen der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten mit Bundeskanzler Olaf Scholz am 10. Mai müssen sowohl kurzfristige und schnelle Hilfen für die Kommunen auf die Tagesordnung als auch erste Gespräche über ein dauerhaftes und langfristiges Konzept zur Unterbringung und Integration von Geflüchteten. Gleichzeitig muss vom Bund-Länder-Treffen auch das Signal ausgehen, dass ein Prozess für ein langfristiges und dauerhaftes Konzept zur Unterbringung und Integration von Geflüchteten gestartet wird. In diesen Prozess müssen auch die Städte einbezogen werden. Deshalb sei es gut, dass die Ministerpräsidentenkonferenz in der vergangenen Woche vereinbart hat, mit dem Bund über ein Finanzierungsmodell zu sprechen, das sich den steigenden Flüchtlingszahlen anpasst und das bis Ende 2021 galt: Im so genannten Vier-Säulen-Modell gab es vom Bund neben der vollständigen Übernahme der Kosten der Unterkunft auch eine Pauschale für flüchtlingsbezogene Zwecke, Mittel für unbegleitete minderjährige Geflüchtete und eine 670-Euro-Pro-Kopf-Pauschale. Dieses Modell hat sich grundsätzlich bewährt.

https://www.staedtetag.de/presse/pressemeldungen/2023/unterbringung-gefluechtete-dauerhaftes-konzept-statt-immer-neuem-verhandlungs-ping-pong

03

PRO ASYL warnt vor den neuen EU-Plänen zur Auslagerung des Flüchtlingsschutzes

27.3.2023. Bei der öffentlichen Anhörung des Innenausschusses des Bundestages nimmt PRO ASYL am Montag Stellung zu bisher nicht öffentlich bekannten Vorschlägen im Rat der EU. Mit der Verschärfung des Konzepts der sogenannten sicheren Drittstaaten würde sich die EU systematisch aus dem Flüchtlingsschutz zurückziehen.

„Das Ende des Flüchtlingsschutzes in der EU droht“, warnte Wiebke Judith, rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl.

„Die EU entfernt sich rasant davon, ein Raum der Freiheit und des Rechts zu sein. Aktuell wird ernsthaft zwischen den Mitgliedstaaten diskutiert, Flüchtlinge in außereuropäische Staaten zu schicken, die sie noch nie betreten haben. Flüchtlingsschutz müssen sie dort nicht bekommen können und die Drittstaaten auch nur eine minimale Versorgung garantieren. Menschenrechtswidrige Abschiebungen sind so vorprogrammiert. Die Bundesregierung muss sich klar gegen diese schockierenden Auslagerungsphantasien stellen!“, fordert Judith.

Flüchtlingsschutz in der EU droht unerreichbar zu werden. Rechtlich geht es um Folgendes: Im Rahmen der Reform des europäischen Asylsystems soll eine Ausweitung des Konzepts der sogenannten sicheren Drittstaaten stattfinden. Ziel der Prüfung im Asylverfahren ist dann primär die Frage, ob nicht ein außereuropäischer Drittstaat für die Schutzsuchenden „sicher“ sei, so dass sofort dahin abgeschoben werden kann, ohne den Asylantrag überhaupt inhaltlich zu prüfen.

Die Anforderungen daran, was als „sicher“ gilt, sollen laut aktuellen Plänen im Rat der EU massiv gesenkt werden. So müsste nicht einmal mehr Voraussetzung sein, dass die geflüchtete Person sich je in dem Land aufgehalten hat und dass sie dort einen Flüchtlingsstatus nach der Genfer Flüchtlingskonvention bekommen kann. Außerdem würden sichere Teilgebiete reichen, um Menschen in das Land abzuschieben. Dabei wird es aber die Betroffenen auferlegt darzulegen, dass das Land – das sie gegebenenfalls gar nicht kennen – für sie nicht sicher ist.

Das passt auch nicht zum Koalitionsvertrag, in dem die Bundesregierung festgehalten hat: „Der Asylantrag von Menschen, die in der EU ankommen oder bereits hier sind, muss inhaltlich geprüft werden.“

Effektiv gegen ihre Ablehnung wehren könnten sich die schutzsuchenden Menschen im neuen System auch nicht. So gehört zur derzeit diskutierten Reform des europäischen Asylsystems eine neue Asylverfahrensverordnung mit verpflichtenden Grenzverfahren. Das würde bedeuten, dass die Schutzsuchenden kein EU-Land betreten dürfen, sondern an den Außengrenzen festgehalten werden, solange ihre Asylanträge geprüft würden – weitgehend isoliert, abgeschnitten von Hilfe und Beratung und absehbar unter haftähnlichen Bedingungen. Auch der Rechtsschutz soll stark eingeschränkt werden.

https://www.proasyl.de/pressemitteilung/oeffentliche-anhoerung-im-bundestag-pro-asyl-warnt-vor-den-neuen-eu-plaenen-zur-auslagerung-des-fluechtlingsschutzes/

04

Grundrechtekomitee.de: Es gibt nur eine Menschenwürde – Asylbewerberleistungsgesetz abschaffen!

2.1.2023. Viele Geflüchtete erhalten zum Leben lediglich Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz – und damit weniger als das neue Bürgergeld, das laut Gesetz das menschenwürdige Existenzminimum sicherstellen soll. Aber die Menschenwürde kennt nicht zweierlei Maß. Menschenrechtsorganisationen, Wohlfahrtsverbände und Anwält*innenverbände fordern gleiche Standards für alle: Das Asylbewerberleistungsgesetz muss abgeschafft werden. Die Betroffenen müssen in das reguläre Sozialleistungssystem eingegliedert werden.

Seit dem 1. Januar 2023 erhalten materiell bedürftige Menschen in Deutschland das sogenannte Bürgergeld. Das Bürgergeld tritt an die Stelle der bisherigen Hartz-IV-Leistungen. Geflüchtete wurden dabei allerdings nicht mitgedacht: Denn wie schon bei Hartz IV bleiben asylsuchende und geduldete Menschen auch vom Bürgergeld ausgeschlossen.

Statt des regulären Sozialrechts gilt für sie das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Das Asylbewerberleistungsgesetz besteht seit 1993. Es ist ein Sonderrecht für geflüchtete Menschen. Das Leistungsniveau des Asylbewerberleistungsgesetzes unterschreitet das sozialrechtliche Existenzminimum erheblich.

Unsere Forderungen:

Es kann nicht zweierlei Maß für die Menschenwürde geben. Wir fordern das gleiche Recht auf Sozialleistungen für alle in Deutschland lebenden Menschen, ohne diskriminierende Unterschiede. Das Asylbewerberleistungsgesetz muss abgeschafft werden. Die Betroffenen müssen in das reguläre Sozialleistungssystem einbezogen werden. Dies erfordert insbesondere folgende Änderungen:

1. Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes und Einbeziehung Geflüchteter ins Bürgergeld bzw. die Sozialhilfe (SGB II/XII). Auf migrationspolitisch motivierte Kürzungen und Sanktionen ist gemäß dem Urteil des BVerfG aus 2012 ausnahmslos zu verzichten.

2. Einbeziehung aller Geflüchteten in die Sprach-, Qualifizierungs- und Arbeitsförderungsinstrumente des SGB II.

3. Einbeziehung geflüchteter Menschen in die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung (SGB V/XI). Dabei muss sichergestellt sein, dass auch Menschen ohne Papiere jederzeit ohne Angst vor Abschiebung Zugang zum Gesundheitssystem haben. Insbesondere muss ein Anspruch auf Sprachmittlung bei Inanspruchnahme von Leistungen im Gesundheitswesen verankert werden.

4. Von Krankheit, Traumatisierung, Behinderung, Pflegebedürftigkeit Betroffene sowie schwangere, alleinerziehende und ältere Menschen und geflüchtete Kinder müssen – entsprechend ihrem Recht aus der EU-Aufnahmerichtlinie – einen Anspruch auf alle aufgrund ihrer besonderen Situation erforderlichen zusätzlichen Leistungen erhalten (insbesondere nach SGB IX, SGB VIII u.a.).

5. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes sind als Geldleistungen auszugestalten.

https://www.grundrechtekomitee.de/details/appell-es-gibt-nur-eine-menschenwuerde-asylbewerberleistungsgesetz-abschaffen

Abb. (PDF): Banner Grundrechtekomitee