Politische Berichte Nr.2/2023 (PDF)20
Rechte Provokationen - Demokratische Antworten

Rechte Provokationen – demokratische Antworten – Redaktionsnotizen

01 Stadtparlament beschließt Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus als Staatsziel
02 Versammlungsgesetz in der Kritik
03 Kündigung von Rechtsextremen aus Sportvereinen ist rechtens
04 Polizeigesetze sind verfassungswidrig
05 Legale Fluchtwege in die EU!

01

Stadtparlament beschließt Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus als Staatsziel

Michael Juretzek. „Einstimmig hat die Bremer Bürgerschaft diese Ergänzung beschlossen“ meldet butenunbinnen.de am 22. Februar 23. Zukünftig steht in der Landesverfassung, Artikel 65: „Demokratiefeindlichen Bestrebungen, insbesondere der Wiederbelebung, Verherrlichung oder Rechtfertigung der nationalsozialistischen Gewalt- und Willkürherrschaft, sowie rassistischen, antisemitischen und sonstigen menschenverachtenden Aktivitäten entschieden entgegenzutreten, ist Verpflichtung aller staatlichen Organisationen und Verantwortung jeder und jedes Einzelnen“. Auf die Streichung des Begriffes „Rasse“ im Antidiskriminierungsartikel 2 der Verfassung konnten sich Regierungs- und Oppositionsfraktionen nicht einigen. Die regierenden SPD, Grüne und Die Linke hatten vorgeschlagen, den Begriff durch die Formulierung „aus rassistischen Gründen“ zu ersetzen, CDU und FDP bestanden auf ihrem Vorschlag „aufgrund seiner Hautfarbe oder anderer äußerlicher Merkmale“.

Quelle: Bremische Bürgerschaft, Drucksache 20/1710; 6. Dez. 2022

02

Versammlungsgesetz in der Kritik

Olaf Argens. Der Hessische Landtag hat im März den von der Landesregierung (CDU, Bündnis 90/Die Grünen) eingebrachten Entwurf für ein Versammlungsgesetz beschlossen. Bisher gab es in Hessen kein eigenes Versammlungsgesetz. Das veraltete und von der Rechtsprechung lange überholte Bundesgesetz aus dem Jahre 1953 bildete bisher die rechtliche Basis für Versammlungen. Aus diesem Grund wurde eine Gesetzesinitiative der Landesregierung allgemein begrüßt. Der dann vorgelegte Entwurf entsprach den Erwartungen an ein Gesetz, das die Versammlungsfreiheit als demokratiebildendes Grundrecht ins Zentrum stellt, jedoch in keiner Weise. In der Anhörung im Landtag wurden massiven Bedenken vorgetragen. Es gab zahlreiche kritische Stellungnahmen zivilgesellschaftlicher Organisationen sowie Demonstrationen, unter anderem in Frankfurt und Wiesbaden. Das Komitee für Grundrechte fasst die Kritik wie folgt zusammen: „Im Zentrum des geplanten Versammlungsgesetzes steht nicht die Förderung der Grundrechtsausübung, sondern vorrangig eine gefahren- und störungszentrierte Sichtweise auf Versammlungen. Entsprechend sollen der Polizei sehr weitgehende und die Versammlungsfreiheit deutlich einschränkende Interventionsmöglichkeiten gestattet werden.“ Die Linke im Landtag hat eine juristische Überprüfung des Gesetzes angekündigt.

Näheres unter: https://www.grundrechtekomitee.de/details/gestutzte-versammlungsfreiheit-umfassende-kritik-am-schwarz-gruenen-entwurf-fuer-ein-hessisches-versammlungsgesetz

03

Kündigung von Rechtsextremen aus Sportvereinen ist rechtens

Rosemarie Steffens. Schließt die Vereinssatzung Mitglieder extremistischer, rassistischer und fremdenfeindlicher Organisationen wie zum Beispiel der NPD von der Mitgliedschaft im Verein aus, ist dies zulässig, wie das Bundesverfassungsgericht entschied. (AZ: 1 BvR 187/21). Das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit gebe einem Verein grundsätzlich das Recht, über die Aufnahme und den Ausschluss von Mitgliedern selbst zu bestimmen. Ein Amateur-Sportverein hatte immer wieder versucht, den schleswig-holsteinischen Landesvorsitzenden der NPD, der 2014 eingetreten war, loszuwerden. 2018 änderte der Verein seine Satzung und machte die Vereinsmitgliedschaft vom Bekenntnis aller Mitglieder zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung abhängig. Mitglieder extremistischer sowie „rassistisch und fremdenfeindlich organisierter Organisationen oder religiöser Gruppierungen, wie z. B. der NPD“ könnten nicht im Verein Mitglied sein. Der NPD-Politiker wehrte sich gegen seinen daraufhin erfolgten Rauswurf und zog vor Gericht: Als gemeinnütziger Verein müsse dieser grundsätzlich allen offenstehen.

Das Bundesverfassungsgericht wies ihn ebenso wie die Vorinstanzen ab. Der Einwand, dass er wegen seiner „falschen“ politischen Anschauung diskriminiert werde, verfange nicht. Die Vereinigungsfreiheit gebe einem Verein grundsätzlich das Recht, über die Aufnahme und den Ausschluss von Mitgliedern selbst zu bestimmen. Quelle: migazin, 28.2.2023

04

Polizeigesetze sind verfassungswidrig

Olaf Argens. Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat im Februar Regelungen in den Polizeigesetzen von Hessen und Hamburg für verfassungswidrig erklärt, die die automatisierte Analyse großer personenbezogener Datenmengen erlauben. Die Gesetze verstoßen in ihrer jetzigen Form gegen das Recht auf informelle Selbstbestimmung und das Persönlichkeitsrecht. Der Senat begründete seine Entscheidung damit, dass in den Vorschriften eine Eingriffsschwelle fehle. Statt von „begründeten Einzelfällen“ zu sprechen, muss eine „hinreichend konkrete Gefahr“ vorliegen, bevor mit einer speziellen Software große Datenmengen durchsucht werden. Das Urteil hat Pilotcharakter, da auch andere Bundesländer, darunter Nordrhein-Westfalen, ähnliche Gesetze beschlossen haben. Geklagt hatten verschiedene zivilgesellschaftliche Organisationen und Einzelpersonen, darunter die Gesellschaft für Freiheitsrechte. Sie begrüßten das Urteil, bedauerten jedoch, dass die Landesgesetzgeber weiterhin Spielraum haben.

05

Legale Fluchtwege in die EU!

Rosemarie Steffens. Der Bürgermeister von Crotone, Vincenzo Voce, übte in einem offenen Brief Kritik an Meloni. „Die von großem Schmerz geplagte Gemeinde Crotone hatte von Ihnen eine Botschaft, einen Appell, ein Zeichen erwartet – was nicht geschah“, schrieb Voce. Die Ministerpräsidentin erwiderte: „Ich suche nach Lösungen. Italien kann das Problem nicht allein lösen – aber um zu verhindern, dass noch mehr Menschen sterben, müssen wir die illegale Ausreise stoppen.“ Die italienische Justiz untersucht derzeit, weshalb die Rettungsdienste so lange gebraucht haben, um das aus der Türkei kommende Flüchtlingsboot mit etwa 200 Migranten an Bord zu erreichen. Die Staatsanwaltschaft der nahe gelegenen Stadt Crotone leitete am Donnerstag Ermittlungen zu dem Rettungseinsatz ein.1 Ein neues Gesetz der rechten Regierung von Giorgia Meloni, das in der vorigen Woche vom Senat verabschiedet wurde, erschwert die Arbeit ziviler Seenotretter. Der Großteil der Migranten gelangt allerdings mit eigenen Schiffen und Booten nach Italien. Rund 5000 Demonstranten nahmen am Samstag an einer Prozession durch die kalabrische Stadt Steccato di Cutro teil, in der sich das Unglück abgespielt hatte, wie die Nachrichtenagentur Ansa berichtete. Die Demonstration endete demnach am Strand der Stadt, an dem die Leichen angespült worden waren, mit einer Schweigeminute.2 Verschiedene Vereine und Bewegungen schlossen sich dem Protest als Zeichen der Solidarität an. Die Demonstranten legten einen Kranz sowie Blumen nieder und hielten ein aus den Trümmern des verunglückten Holzbootes gebautes Kreuz in die Höhe.

Auf Spruchbändern forderten die Menschen konkrete Maßnahmen, um solche Unglücke zu verhindern. „Stoppt sofort das Sterben im Meer“ war beispielsweise auf Plakaten zu lesen.3

(Quellen: 1 Zeit.de; 2 AFP/dpa/frs 27.02.23)04.03.23; 3 bluewin.ch 11.03.23)